Hamburg. Neuer Vergleich: Ausbau mit Balkonkraftwerken und Windenergie ist so langsam wie nirgendwo. Klimabeirat zählt den Senat an.

Nirgendwo in Deutschland stockt die Energiewende so wie in Hamburg: Platz 16 von 16 Bundesländern beim Ausbau der erneuerbaren Energien wie Biomasse, Photovoltaik und Windenergie an Land ist das ernüchternde Ergebnis für den rot-grünen Senat. Das zeigen offizielle Zahlen im sogenannten Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur, die die Statistiken erneuerbarer Energieträger zur Stromerzeugung bis September 2023 herausgibt.

Dabei lässt sich gerade in der eigenen Stromerzeugung für private wie öffentliche Haushalte enorm an fossiler Energie und damit Kohlendioxid (CO2) sparen – und gleichzeitig können die Kosten sinken. Das haben unter anderem Tausende Hamburger Haushalte begriffen, die sich Balkonkraftwerke für Photovoltaik oder ganze Solardächer angeschafft haben. Durch neue, erleichterte Regeln für Installation und Anschluss hat auch die Bundesregierung diesen Trend unterstützt.

Solarstrom dank Photovoltaik in Hamburg: Mehr Balkonkraftwerke wären möglich

Allerdings warteten ausgerechnet zur Hoch-Zeit der Sonnenenergie im Juni in Hamburg Tausende Solarjünger darauf, dass ihre Anlagen angeschlossen werden konnten. Stromnetz Hamburg kam mit der Bearbeitung nicht hinterher. Von Januar bis Oktober wurden nach Angaben des Unternehmens 4500 Photovoltaikanlagen in Hamburg angemeldet. Bis Ende 2022 waren es 7500 gewesen. Stromnetz Hamburg beteuert nun, dem steigenden Bedarf gerecht werden zu können. Man habe „interne personelle Ressourcen bereitgestellt“ und den Anmeldeprozess digitalisiert. Für die Kunden habe man diesen Ratschlag: „Die richtige Reihenfolge bei der Antragstellung von Dach-Photovoltaikanlagen ist: Erst die Anlage bei Stromnetz Hamburg anmelden, Anlage aufbauen, Zählertausch ermöglichen, Anlage an das Netz anschließen.“

Ein Ärgernis waren bislang die Stromzähler, die nicht rückwärts laufen durften. Nun erklärt Stromnetz Hamburg: Ein Anschluss an eine Schuko-Steckdose sei von der VDI-Norm her nicht zulässig. „Dennoch ist es möglich, direkt nach der digitalen Anmeldung bei Stromnetz Hamburg die Anlage in Betrieb zu nehmen, wenn diese über einen Energie-Einspeisestecker verfügt oder fest an der Hausanlage angeschlossen ist.“ Vorübergehend akzeptiere man rückwärts laufende Zähler. Sie sollten aber schnellstmöglich („kostenneutral“) gegen einen Zweirichtungszähler ausgetauscht werden.

Solardach zur Stromerzeugung in Hamburg: So geht‘s

Auf hamburg.de gibt es nützliche Tipps zu Solardächern. Die Umweltbehörde von Jens Kerstan (Grüne) sieht in den Hamburger Ausbauzahlen bei den erneuerbaren Energien einen „erfreulichen Trend“. Und: „Der Ausbau von Balkon-PV-Anlagen leistet einen wichtigen Beitrag für die Energiewende und senkt die Energiekosten der Haushalte der Hamburger Bürgerinnen und Bürger.“ Die Potenziale der Photovoltaik zur Stromerzeugung seien „in einer Großstadt wie Hamburg insbesondere auf dem Dach erheblich“. Deshalb sei die PV-Pflicht „der richtige Weg um die dringend notwendige Energiewende voranzutreiben“. Zu Versäumnissen und Rückständen gegenüber allen anderen Bundesländern äußerte sich die Behörde nicht.

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In einem neuen Bericht des Ausschusses für öffentliche Unternehmen der Bürgerschaft von Ende Oktober wird noch einmal klar, wie Hamburg trotz aller Absichtserklärungen bei den Solardächern auf städtischen Einrichtungen hinterherhinkt. Darin ist viel von „Potenzialen“ die Rede, von Planungen und Vorbildfunktionen, die Hamburg mit seiner Solardachpflicht habe. Doch die CDU-Opposition ließ in den Bericht hineinschreiben, dass „in den Jahren 2015 bis 2021 seitens des Senats keinerlei Aktivitäten unternommen worden seien, um die Ausrüstung mit PV-Anlagen voranzubringen“. 31 Photovoltaikanlagen seien auf 1155 städtischen Immobilien installiert, 53 auf den rund 7000 öffentlichen Gebäuden insgesamt (Stand Ende 2022). Bis November 2023 sieht es nicht viel besser aus.

Hamburger Klimabeirat: Zwei Drittel des Strombedarfs aus Solar möglich

Im rot-grünen Koalitionsvertrag stand schon 2015 (Seite 66): „Neben der Unterstützung für die Wirtschaft ist die Stadt selbst Akteur der Energiewende, unter anderem mit dem kommunalen Versorger Hamburg Energie. Die Rekommunalisierung der Energienetze eröffnet der Stadt zusätzliche Handlungsperspektiven, um die Energiewende voranzubringen. Der Senat will die Energieeffizienz in Hamburg steigern, die städtischen Energienetze modernisieren und immer mehr Energie aus erneuerbaren Quellen nutzen.“ Im Hafen solle die Windenergie ausgebaut werden. Hier zeigen die Daten der Bundesnetzagentur heute: Bei der Windkraft an Land läuft Hamburg sogar Bremen hinterher.

Der vom Senat berufene und prominent besetzte Klimabeirat hat in seiner Stellungnahme zum Klimaplan Ende September erklärt, die Chancen der gesamten Solarenergie würden „unzureichend“ dargestellt. Zwei Drittel des gesamten Hamburger Strombedarfs könnten mit Sonnenkraft hergestellt werden.

Andere Bundesländer haben aufgrund ihrer Flächen sicherlich mehr Möglichkeiten, etwa die Biomasse auszubauen oder die Windkraft an Land. Dass Hamburg beim Zubau insgesamt so lahmt, hält der Klimabeirat für bedenklich – zumal in einem Stadtstaat mit kurzen Wegen: „Bei der Betrachtung der Akteurslandschaft fällt auf, dass in Hamburg ein koordiniertes Agieren von Verwaltung, kommunalen Unternehmen und Wirtschaft zum Thema Photovoltaik bisher weitgehend fehlt.“ Für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Klimabeirates ist Platz 16 offenbar keine Überraschung.