Hamburg. Eltern begleiten Schüler nach Großeinsatz in Blankenese zum Unterricht. Senator vor Ort. Minderjährige bedrohten Lehrerin mit Waffe.

Nach dem stundenlangen Großeinsatz und vielen bangen Stunden am Mittwoch herrschte am Donnerstagvormittag gespannte Ruhe an der Stadtteilschule Blankenese. Viele Eltern begleiteten ihre Kinder zum Unterricht. Von 10 Uhr an trafen sich alle Schüler und Schülerinnen in ihren Klassen, um über die Geschehnisse des Vortages zu sprechen.

Am Mittwoch waren zwei Kinder mit einer Schusswaffe – ein Spielzeug, wie sich später herausstellte – in eine achte Klasse marschiert und hatten eine Lehrerin bedroht. Später zog zumindest einer von ihnen vermutlich weiter zur Grundschule an der Mendelssohnstraße in Bahrenfeld und schloss sich mit anderen Tätern zusammen, um noch eine Lehrkraft zu bedrohen. Laut Polizei gibt es insgesamt fünf Verdächtige, der jüngste ist gerade einmal elf Jahre alt.

Großalarm in Blankenese: Bewaffnete Kinder zogen von Schule zu Schule

Eine Mutter brachte am Morgen nach dem Großalarm ihre Tochter, die in die sechste Klasse geht, mit dem Rad zur Schule, normalerweise fährt das Mädchen alleine. „Sie hat sich gewünscht, dass ich sie heute bringe und abhole“, so die Mutter. Ein bisschen „mulmig“, sei ihr schon, erzählt die Schülerin, doch sie habe am Abend noch lange mit ihren Eltern gesprochen und denke, dass alle sich schnell wieder an den Schulalltag gewöhnen werden. Dass es mutmaßlich nur Spielzeugpistolen gewesen waren, sei natürlich beruhigend, so die Mutter, und auch, dass es wohl keine Schüler der Schule waren.

Großeinsatz Blankenese: Der Tag danach
Eltern begleiten ihre Kinder am Tag nach dem Großalarm in Blankenese zur Stadtteilschule. Auch die Polizei zeigt am Donnerstagmorgen Präsenz. © Jule Bleyer | Jule Bleyer

Eine Fünftklässlerin, die mit ihrer Mutter kommt, erzählt, dass sie sich gut fühle. „Das war schon sehr aufregend gestern, aber wir hatten die ganze Zeit Kontakt und wussten, dass es unserem Kind gut geht, darum war es auszuhalten“, sagt die Mutter. Dass sich heute alle wieder in der Schule treffen, finden beide gut. „Es muss ja jetzt weitergehen.“

Großalarm in Blankenese: Mit „komischem Gefühl“ zurück zur Schule

Anders sieht das eine Gruppe von Zehntklässlern, die vor der Einfahrt zur Schule stehen, um noch eine zu rauchen. „Ich verstehe nicht, warum wir heute hierherkommen müssen“, sagt eine Schülerin.

Für sie sei es schon ein komisches Gefühl, auch wenn alles gut ausgegangen ist. „Wir werden da schon ein bisschen länger mitzutun haben“, sagen sie. Dann umarmen sie sich und gehen gemeinsam Richtung Klassenräume.

Großalarm in Blankenese: Schulsenator Ties Rabe kommt

Im Laufe des Tages wollte auch Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) die Schule besuchen, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Das Gespräch aber sei nicht öffentlich, auch eine Teilnahme von Eltern nicht vorgesehen, hieß es aus der Schulbehörde. Es gehe zunächst einmal um die interne Information und Aufarbeitung.

Am Mittwoch hatte stundenlang Ausnahmezustand in Blankenese geherrscht. Die Polizei war mit 400 Einsatzkräften vor Ort, evakuierte und durchkämmte stundenlang die Gebäude an der Frahmstraße, bis um kurz nach 15 Uhr endlich Entwarnung gegeben werden konnte.

Großalarm in Blankenese: Lehrkraft auch in Bahrenfeld bedroht

Die Täter waren nicht mehr in der Schule. Zunächst war unklar, wo sie sich aufhielten. Bis es am Nachmittag zu einer neuen Bedrohungslage, diesmal an der Grundschule Mendelssohnstraße in Bahrenfeld kam. Dort waren gleich mehrere Kinder und Jugendliche aufgetaucht, die gegen 14.50 Uhr eine weitere Lehrkraft mit einer Schusswaffe bedrohten.

Bedrohungslage auch in Grundschule Mendelssohnstraße
Auch in der Grundschule an der Mendelssohnstraße sollen die Heranwachsenden eine Lehrkraft mit einer augenscheinlichen Waffe bedroht haben. © Jakob Drechsler | Jakob Drechsler

Doch Zivilfahndern gelang es, zunächst vier der mutmaßliche Täter zu schnappen. Neben einem Zwölfjährigen, der auch an dem Vorfall in Blankenese beteiligt gewesen sein könnte, waren dies noch ein weiterer Zwölfjähriger, ein 14-Jähriger sowie ein Elfjähriger. Alle wurden vorläufig festgenommen. Hierbei stellten die Beamten auch zwei Spielzeugwaffen sicher.

Polizisten in Schutzkleidung drangen in die Stadtteilschule Blankenese vor.
Polizisten in Schutzkleidung drangen in die Stadtteilschule Blankenese vor. © Michael Arning | Michael Arning

Großalarm in Blankenese: Täter festgenommen und dann wieder frei

Während der weiteren Ermittlungen tauchte im Visier der Fahnder dann noch ein 13-Jähriger auf, der ebenfalls an zumindest einer der Taten beteiligt gewesen sein könnte. Bei ihm erließ die Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung seiner Eltern, der noch am Abend vollstreckt wurde. Dabei fanden die Ermittler noch eine weitere Spielzeugwaffe.

Alle fünf Festgenommen wurden erkennungsdienstlich behandelt und dann wieder in die Obhut ihrer Eltern entlassen. Sie sollen nach Abendblatt-Informationen einen syrischen, russischen, spanischen, polnischen und deutschen Migrationshintergrund haben. Wie mit den Kindern und Jugendlichen weiter verfahren werden soll, ist unklar. Strafmündig sind die meisten nicht.

Großalarm: Schusswaffe an der Stadtteilschule Blankenese

In Blankenese gingen die jungen Täter ungewöhnlich dreist vor: So sollen die zwei Kinder hier die Lehrerin direkt in einem Klassenraum bedroht haben, vor den Augen etwa 20 entsetzter Schüler. Die Lehrerin unterrichtete gerade eine achte Klasse.

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Kurz nach der vierten Stunde gab es eine Durchsage, wonach alle Lehrer mit ihren Schülern in den Klassenräumen bleiben und sich verbarrikadieren sollten. Bilder, die dem Abendblatt vorliegen, zeigen, wie Schülerinnen und Schüler eine Tür mit einem Tisch und Büchern verstellt haben, um sich vor einem möglichen Angreifer zu schützen.

Bedrohungslage an der Stadtteilschule Blankenese
Schüler schauen aus dem Fenster eines Klassenraums der Stadtteilschule. © Jule Bleyer/FMG | Jule Bleyer/FMG

Der Bereich um die Schule wurde großräumig bis zur Schenefelder Landstraße und der Simrockstraße abgesperrt, wie die Polizei via X (vormals Twitter) mitteilte. Beamte in Schutzkleidung betraten schwer bewaffnet das Gebäude, um nach den Tätern zu suchen und die Schülerinnen und Schüler ins Freie zu bringen. Über der Einsatzstelle kreiste stundenlang ein Helikopter.

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Großalarm: Stadtteilschule Blankenese wird evakuiert

Amok
Dieses Bild zeigt Polizisten im Innenhof der Schule. © privat | Privat

Vor den Absperrungen zur Stadtteilschule versammelten sich zahlreiche besorgte Eltern. Nach Abendblatt-Informationen sollen mehr als 1300 Schülerinnen und Schüler auf dem Schulgelände gewesen sein.

Die Beamten arbeiteten sich systematisch Raum für Raum vor. „Es ist eine sehr große Schule, dementsprechend dauert es, diese zu durchsuchen“, hatte Polizeisprecher Holger Vehren während der stundenlangen Aktion erklärt. Gegen 14.30 Uhr waren noch immer Schüler zu sehen, die aus den Fenstern des Gebäudes schauten. Einige winkten und machten Fotos mit ihren Smartphones.

Bedrohungslage an Stadtteilschule Blankenese
Das Schulgebäude wird Stück für Stück von der Polizei Hamburg geräumt. © TV News Kontor | TV News Kontor

Die Schülerinnen und Schüler wurden zur Reichspräsident-Ebert-Kaserne an der Osdorfer Landstraße 365 gebracht. Dort konnten sich auch ihre besorgten Eltern einfinden und sie wieder in die Arme nehmen. Schulpsychologen sollen sich um die Betroffenen kümmern.

Eine Mutter aus Osdorf sprach nach dem glücklichen Ende am Mittwochabend von einem „komischen Gefühl“, das sie jetzt nachträglich habe. Mitbekommen hatte sie von dem Drama nämlich nichts, weil sie arbeiten musste. Erst am Nachmittag erhielt sie einen Anruf von ihrer 16-jährigen Tochter, ob sie diese in der Kaserne abholen könne. Sie habe nicht ängstlich gewirkt. Am Kaserneneingang mussten sich alle Eltern ausweisen. Eine gewisse Anspannung war allen anzumerken, aber auch große Erleichterung.

Amok
Amokalarm an der Stadtteilschule Blankenese: So verbarrikadierten sich die Schüler im Klassenraum. © privat | Privat

Für den Einsatz wurde der Führungsstab im Polizeipräsidium einberufen. Die Polizei bat Autofahrer, die Schule weiträumig zu umfahren. Auch der S-Bahn-Verkehr zwischen Sülldorf und Klein Flottbek wurde unterbrochen wegen des Großeinsatzes.

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Unterdessen mussten sich die Schulleiter anderer Schulen im Westen Hamburg ebenfalls darum kümmern, besorgte Eltern zu beruhigen. „Liebe Eltern, angesichts der Ereignisse an der Stadtteilschule Blankenese haben wir soeben mit der Polizei telefoniert“, schrieb etwa der Leiter des Gymnasiums Hochrad in einer Mail. „Laut Aussage der Polizei besteht für das Gymnasium Hochrad keine Gefahrenlage, und unsere Schülerinnen und Schüler können nach Unterrichtsende wie gewohnt ihren Heimweg antreten.“

Bedrohungslage an Hamburger Schule: Eltern warten seit Mittag auf ihre Kinder

In der Reichspräsident-Ebert-Kaserne warteten Eltern am Abend vor der Turnhalle auf die Busse mit ihren Kindern. Viele von ihnen waren schon seit dem Mittag hier, sagte eine Sprecherin der Bundeswehr Hamburg. Man hatte einen Teppich in der Halle ausgelegt, Bänke aufgestellt und Essen und Trinken bereitgestellt. Über Durchsagen wurden die Eltern regelmäßig über das Geschehen in der Schule informiert.

Zwei Mütter, die an der Kaserne gewartet haben, berichten, dass ihre Söhne sie um kurz nach zwölf angerufen und von der Situation an der Schule berichtet hätten. Dazu hatten die Lehrer die Schüler aufgerufen. Danach hatten die Mütter per WhatsApp Kontakt zu ihren Kindern, die in die achte und die zwölfte Klasse der Stadtteilschule gehen.

Die Kinder hätten sich in den Klassenräumen, in denen sich die Klassen eingeschlossen hatten, sicher gefühlt, berichten die Mütter. Sie hätten auch unter Begleitung auf Toilette gehen dürfen.

An der Blankeneser  Schule kehrt Ruhe ein
An der Blankeneser Stadtteilschule kehrt Ruhe ein. Und Eltern schließen ihre Kinder in die Arme. © Jule Bleyer | Jule Bleyer

Schüler in Schule sollen am Donnerstag von Kriseninterventionsteam betreut werden

Ein Vater kommt mit seinem Sohn aus der Schule, beide lächeln, die Erleichterung ist ihnen anzusehen. Sie möchten jetzt einfach nur schnell nach Hause, sagen sie. Es sei aber alles perfekt organisiert gewesen, betont der Vater.
Das berichtet auch eine Mutter, die ihre Tochter, eine Sechstklässlerin, abholt.

Da die Familie in der Frahmstraße wohnt, konnten sie den Tag über nicht in ihre Wohnung. Die Mutter hatte deshalb in der Ebert-Kaserne gewartet. Dort seien sie regelmäßig über die Lage informiert worden. „Ich neige nicht dazu, schnell in Panik zu verfallen, vor allem, wenn so viel Polizei direkt vor Ort ist“, sagt sie, ein bisschen Angst habe sie zwischenzeitlich aber natürlich schon gehabt.

Ihre Tochter erzählt, dass viele in ihrer Klasse geweint hätten. Doch die Lehrerin habe sie beruhigt, und sie hätten sich damit abgelenkt, Filme zu gucken. Am morgigen Donnerstag sollen die Schüler nach Auskunft mehrerer Eltern um zehn in der Schule sein und sich ganz normal zunächst in ihren Klassen sammeln. Mitarbeiter vom Kriseninterventionsteam und Schulpsychologen sollen dann vor Ort sein, hieß es.

Unverständnis der Eltern: Wieso durften nicht alle Schüler ihre Eltern kontaktieren?

Zwei Lehrkräfte stehen noch vor der Schule, sprechen über das Erlebte. Eine war mit ihrer Klasse die ganze Zeit in der Turnhalle der Schule, es sei nicht leicht gewesen, die lange Zeit zu überbrücken. Zumindest seien alle beruhigt gewesen, nachdem das SEK die Halle durchsucht – und dabei auch Türen und Schränke eingetreten hatte. Danach hätten sich alle auf Bänke und Matten gesetzt, geredet und Ball gespielt. Die andere Lehrkraft sei mit ihrer Klasse rausgeholt und in mehreren Kasernen in der Umgebung untergebracht worden.

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Nicht alle Schüler durften anscheinend ihre Eltern über die Lage in der Schule informieren. Eine Familie berichtet, dass die Lehrkraft ihrem großen Sohn, der in die zehnte Klasse geht, verboten habe, seinen Eltern zu schreiben. Ihr jüngerer Sohn, der die fünfte Klasse besucht, habe sich dagegen melden dürfen. Zudem habe dessen Lehrerin regelmäßig Rundmails an die Eltern geschickt.

„Wir verstehen nicht, dass sich unserer Großer nicht melden durfte“, sagt der Vater. „Der ist ständig am Handy – wenn man dann nichts von ihm hört, macht man sich erst recht Sorgen.“ Er wolle dieses Thema auf jeden Fall in der Schule ansprechen. Aber jetzt möchten sie alle erst mal nach Hause und durchatmen.