Hamburg. Im Thalia Theater wurde die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung verliehen. Was Svensson dann zeigte, das muss man sich erst einmal trauen.

Äh. Da stehen also Dennis Svensson, Sebastian Doppelbauer und Luisa Krause auf der Bühne des Thalia Theaters, gewandet in aufwendige Rokoko-Kleider, und eröffnen die Verleihung des Boy-Gobert-Preises an Svensson. Stammelnd. „Also, es geht um Darstellung, es geht um Gemeinschaft, es geht um temporär, ja“, stottert Krause atemlos, kurz deutet sich ein Inhalt an, aber dann versackt der Text wieder. Äh. „Es geht ums Feiern“, ergänzt Doppelbauer, da hat er recht, immerhin gibt es einen Preis, aber irgendwie ist man bei der aktuellen Weltlage nicht in Feierlaune, oder? Äh.

Verleihung im Thalia Theater Hamburg: Das ist der Boy-Gobert-Preis

Der mit 10.000 Euro dotierte Boy-Gobert-Preis wird seit 1981 von der Körber-Stiftung an Hamburger Nachwuchsschauspieler verliehen, als Besonderheit gestalten die Preisträger die Verleihung künstlerisch selbst. Was in den vergangenen Jahren zunehmend zur Folge hatte, dass das Rahmenprogramm den tendenziell hohen Ton einer Preisverleihung zu brechen versuchte – bislang war aber kein Preisträger dabei so konsequent wie Svensson.

Einen Einstieg vor allem mit lauter um Marcus Peter Täschs Text „Patient Zero 1“ herumgespielten „Ähs“ zu bestreiten, das muss man sich erst mal trauen. Aber weil Svensson und seine Mitstreiter das mit viel Charme und Sympathie machen, sieht man auch, was für ein verdienter Preisträger der 28-Jährige ist.

„Sein Spiel leuchtet“: Boy-Gobert-Preis für Dennis Svensson

Für die Konvention sind dann ohnehin andere zuständig. Zunächst Thalia-Intendant Joachim Lux, der in seiner Begrüßung von Shakespeare über Giorgio Strehler zu George Tabori kommt, mit einem Rekurs zur Antike: „Es wird alles immer komplexer und damit auf den ersten Blick auch deprimierender“, beschreibt der Theatermacher den Kontext seiner Kunst, um schließlich mit seiner tastenden, zweifelnden Rede den Optimismus eher mühend zu beschwören.

Und zwar, indem er zu Kultursenator Carsten Brosda überleitet, in dem er einen Mitstreiter für die Relevanz von Kunst und Theater in Hamburg weiß – dass Brosdas Kulturbehörde die Zuwendungen nicht etwa wie in Berlin kürzt, sondern im Gegenteil erhöht, darf nicht unerwähnt bleiben, und Grund, nicht ausschließlich pessimistisch in die Zukunft zu schauen, ist das tatsächlich.

Boy-Gobert-Preis im Thalia Theater verliehen: Kultursenator Carsten Brosda spricht Grußwort

Brosda zitiert in seinem Grußwort die Schauspielerin Karin Neuhäuser aus dem am Vorabend zur Hamburger Premiere gekommenen „Legende“: „Was bleibt von ihrer Kunst? Nur Stimme und Geste.“ Was in ein Loblied auf Svensson mündet, der, so Brosda, seine Stimme und seine Gesten mustergültig einsetze, um Eigenwilligkeit und Selbstermächtigung auf die Bühne zu bringen.

Im Übrigen in einer für den Boy-Gobert-Preis ungewöhnlichen Arbeitspraxis: Kamen die Preisträger der Vorjahre fast ausschließlich aus den Ensembles von Schauspielhaus und Thalia, so ist Svensson ein freier Schauspieler, der in Hamburg zuletzt am St. Pauli Theater zu sehen war, in Ulrich Wallers Inszenierung „James Brown trug Lockenwickler“.

James Brown trug Lockenwickler
Ganz stark: „James Brown trug Lockenwickler“ am St. Pauli Theater mit Johanna C. Gehlen, Boy-Gobert-Preisträger Dennis Svensson, Michael Rotschopf und Nabil Pöhls (v.l.). © Stephan Wallocha | Stephan Wallocha

Waller betont in seiner Laudatio dann auch, dass Thalia-Intendant Lux den Preisträger zu Unrecht als „ureigenes Thalia-Gewächs“ ins Staatstheater eingemeinden würde – zwar war der gebürtige Hamburger Svensson als Jugendlicher im Thalia-Jugendclub aktiv, zwar spielte er während seines Schauspielstudiums an der Hochschule für Musik und Theater in der Thalia-Produktion „Die rote Zora“.

Seit einem kurzen Engagement am Berliner Ensemble ist er aber frei. Eine bewusste Entscheidung, wie Waller ausführt: „Das ,Dienen‘ in einem Ensemble ist für diese Generation nicht mehr attraktiv“, zumal der Geehrte in Berlin auch das Gefühl hatte, ungerecht behandelt worden zu sein.

Gut für einen Theatermacher wie Waller, dass jemand wie Svensson so für ihn verfügbar wird. „Sein Spiel leuchtet“, lautet die Begründung der Jury, und wenn jemand leuchtet, selbst wenn er nur „Äh“ sagt, dann ist das tatsächlich sehr sehenswert. Zumal wenn diese Begründung von jemandem wie Burghart Klaußner kommt, der nach 13 Jahren den Vorsitz der neunköpfigen Jury an Catrin Striebeck abgibt (und diese Staffelübergabe nicht ohne Sentimentalität zelebriert).

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Zum Abschied dann Musik. Doppelbauer spielt Klavier, Krause schwebt als Background-Engel vom Bühnenhimmel herab, und Svensson singt mit klarer, heller Stimme „Unter den Masken“ von der Wiener Band Buntspecht. Ganz unironisch, ungebrochen. Äh.

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