Hamburg. Der deutsche Jazzer Sebastian Studnitzky mit seinem Trio und das Odesa Philharmonic Orchestra baten: Bitte vergesst den Krieg nicht.

Das Konzert beginnt mit einer Schweigeminute. Für die Opfer des Krieges in der Ukraine. Der überwiegende Teil des Publikums in der Laeiszhalle sind Menschen, die aus dem Kriegsgebiet vor Putin und seinen barbarischen Truppen nach Deutschland geflohen sind. Unter den Zuhörern sind mehr Frauen als Männer, denn diese dürfen ihr Land nicht verlassen, weil sie als Soldaten gebraucht werden. Das Gleiche gilt auch für das Odesa Philharmonic Orchestra. Unter den 20 Streichern und Streicherinnen sind nur drei männliche Musiker. Das Ensemble ist mit einem Projekt nach Deutschland gekommen, das sich der deutsche Jazzpianist Sebastian Studnitzky und die Kulturmanagerin Anstasiia Pokaz ausgedacht haben. „Memento Odesa“ heißt der musikalisch vielfältige Abend.

Am Anfang sind nur Studnitzky und der Pianist Andrii Pokaz auf der Bühne. Bei einem ukrainischen Volkslied greift Studnitzky zur Trompete, denn er beherrscht auch dieses Instrument erstklassig. Sein Ton ist verhangen, Pokaz steuert ein paar zerbrechlich klingende Töne bei, zum Ende des Stücks wird sein Anschlag kräftiger. Dann kommen die Streicherinnen aus Odessa mit ihrem Dirigenten Volodymyr Dikiy auf die Bühne. Die folgenden Kompositionen, zum Teil extra für dieses Projekt geschrieben, könnten mit ihren flächigen und schwelgerischen Geigenteppichen auch der Score für einen Film sein. Violinen, Bratschen und Celli klingen glasklar, jede der Musikerinnen ist hervorragend ausgebildet.

Konzert in Hamburg: „Memento Odesa“– bewegende Darbietung in der Laeiszhalle für die Ukraine

Man merkt ihnen an, wie befreiend es sein muss, ein Konzert in sicherer Umgebung zu geben und nicht dauernd auf die Warn-App zu schauen, wann der nächste russische Raketenangriff bevorsteht und man in die Schutzräume flüchten muss. Bei seinen Moderationen berichtet Studnitzky, dass nur wenige Tage nach den Aufnahmen in Odessa im Philharmonischen Saal die unmittelbar daneben liegende orthodoxe Kathedrale durch russische Raketen stark beschädigt wurde. Mit den Konzerten in Odessa in der vergangenen Woche und jetzt in Deutschland wolle man ein Zeichen setzen und darum bitten, die Unterstützung für die Ukraine nicht einzustellen und den Krieg nicht zu vergessen.

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Auch jazzige Elemente gehören zur Musik dieses Benefiz-Konzertes. Mit dem Bassisten Paul Kleber und dem Schlagzeuger Tim Sarhan hat Studnitzky zwei langjährige Begleiter in dieses Projekt eingebunden. Das Publikum ist begeistert von diesen Kompositionen zwischen Neo-Klassik, cineastischen Soundtracks und Cool Jazz.

Großes Gedränge gibt es nach Konzertende am Merchandise-Stand. Dutzende von CDs und Vinyl-Platten werden verkauft. Erst am Tag zuvor ist ein „Memento Odesa“-Livemitschnitt von Anfang des Jahres aus Berlin veröffentlicht worden. „Sichern Sie sich Weihnachtsgeschenke“, hat Studnitzky für den Verkauf geworben. Gesagt, getan: Das Hamburger Publikum zückt die Geldbörsen und kauft.

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