Hamburg. Das Elbphilharmonie-Konzert der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, Patricia Kopatchinskaja und Pekka Kuusisto endet mit Massenflucht.

Romeo wollte gerade an Julias Grab trauern, als die Löschanlage im Parkett zischend Wassernebel versprühte. Was als Gastspiel der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen im Großen Saal der Elbphilharmonie begonnen hatte, mit Prokofiews Vertonung des Shakespeare-Dramas als Finale, endete mit einem Feueralarm, der sich aber schnell als Fehlalarm aus noch unklaren Gründen herausstellte. Erst im August hatte es bei einem Sampha-Konzert ebenfalls Alarm gegeben.

Erstaunlich schnell, aber ohne Hektik oder gar Panik verließ das Publikum – immerhin über 2000 Menschen und nicht alle ganz jung und marathonfit – den Saal, auch die Bühne leerte sich rasant. Das Vorderhaus-Personal, bereits in gelben Westen, wies allen den kürzesten Fluchtweg ins nächste Treppenhaus. Wenige Minuten später war die Feuerwehr vor Ort, kurz darauf folgte die Entwarnung. Die Rückkehr ins Gebäude war wieder möglich, an den verwaisten Garderoben wurde entspannt Selbstbedienung praktiziert, während der Alarmton im Foyer noch lief. Die Ursache für die technische Störung werde untersucht, teilte die Pressestelle am Sonntagmorgen mit. Der Konzertbetrieb gehe weiter, der Auftritt von Plácido Domingo am Abend im Spielplan.

Feueralarm in der Elbphilharmonie bei „Romeo und Julia“

Der finnische Geiger Pekka Kuusisto ist auch als Dirigent aktiv.
Der finnische Geiger Pekka Kuusisto ist auch als Dirigent aktiv. © Maija Tammi | Maija Tammi

Bis 22.02 Uhr war es, allerdings auf ganz andere Art und Weise, ein ungewöhnlicher Konzertabend gewesen. Patricia Kopatchinskaja, geigend, und Pekka Kuusisto, zur Abwechslung dirigierend statt geigend, dazu ein für die beiden typisches Programm, das viele Haken schlug und wenig Interesse an einem roten Faden zeigte. Bei den Bremern hat Kuusisto den launigen Ehrentitel „Artistic Best Friend“ erhalten, die Wellenlängen harmonieren also.

Auch die beiden Stargäste kennen und mögen sich seit vielen Jahren, das zeigte ihre putzige kleine Zugabe vor der Pause: Kuusisto lieh sich mal eben eine Geige aus dem Orchester, für das Pizzicato-Portiönchen aus Bartóks 44 Duos für zwei Violinen.
Begonnen aber wurde mit Barbers „Adagio for Strings“, ein Schmachtstück erster Klasse, ein extra großer Trauerkloß in tränenfeucht ausgewalztem Moll – und damit der denkbar härteste Kontrast zu Schönbergs Violinkonzert, das er strikt nach seiner Zwölftonmethode durchorganisiert hatte. Derart strikt an allen spieltechnischen Gefälligkeiten für Ausführende vorbei, dass der Jahrhundertgeiger Heifetz einmal meinte, man bräuchte dafür einen sechsten Finger an der Linken. Kopatchinskaja kam auch mit den üblichen fünf bestens klar.

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Patricia Kopatchinskaja überzeugte das Elbphilharmonie-Publikum von Schönbergs zwölftonigem Violinkonzert.
Patricia Kopatchinskaja überzeugte das Elbphilharmonie-Publikum von Schönbergs zwölftonigem Violinkonzert. © Marco Borggreve | Marco Borggreve

Die technischen Ansprüche meisterte sie sprichwörtlich spielend, mit der für sie so typischen Mischung aus tänzelndem Spaß an harten Nüssen und zupackendem Drive. Ja, diese Musik macht es einem nicht ganz einfach, sie aus dem Stand zu mögen. Aber so überzeugend, wie Kopatchinskaja für sie plädierte, sie zum Brennen und Beben brachte und in Höchstspannung hielt, war Schönbergs Opus 36 aufregend wie ein Thriller.

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Wo immer Schönberg mit Anspielungen auf traditionelle kurz Entspannungsmöglichkeiten anbot, kostete die Solistin sie aus, um sich danach wieder ins Geschehen zu werfen. Und dass neben ihr ein Geiger das Orchester in der Spur hielt, der genau weiß, was wie warum in der Partitur verlangt wird und wie man dorthin gelangt, reduzierte den Stress bei der Umsetzung für alle erheblich.

Varèses ebenso kurzes wie abstraktes Querflöten-Solo „Density 21.5“ reinigte nach der Pause kurz die Luft, damit die Prokofiew-Suite den Showteil übernehmen konnte. Alles ganz schön dann, trotz Steigerungsschwächen bei Kuusisto, der manchmal eher gesellig mit- als eigenverantwortlich vordirigierte. Aber dann, kurz vor dem vertonten Fall des Vorhangs, zischte der Wassernebel dazwischen. Und es gab Wichtigeres.

Nächster Kuusisto-Termin: 31.12.24/1.1.25 NDR Elbphilharmonie Orchester, Silvester-/Neujahrs-Konzert, mit Esa-Pekka Salonen (Dirigent) und Werken von Strauss, Dessner und Ravel. CD: Schönberg „Pierrot Lunaire“ Patricia Kopatchinskaja (alpha, CD ca. 19 Euro)