Hamburg. Das „Kosmos Bartók“-Festival in der Elbphilharmonie endete mit dem 3. Klavierkonzert mit Igor Levit und der Oper „Blaubarts Burg“.
Eine hochdramatische, wundersam verrätselte, zudem handlich kurze Zwei-Personen-Oper, in einer verwunschenen Burg mit sieben Türen, hinter denen sich schönste und schrecklichste Dinge befinden, die eindringlich durch Musik und Text beschrieben werden. Schreit nach einer Menge Bühnenzauber-Würze, nach Deutung und Personen-Regie, sollte man meinen. Doch dann, zum Finale des ehrgeizigen „Kosmos Bartók“-Festivals des NDR-Orchesters, wird „Blaubarts Burg“ in den Großen Saal der Elbphilharmonie gestellt, einfach so, so konzertant und konzentriert, wie Bartóks Meisterwerk nun mal ist – ein finsteres, klammes Kammerspiel für zwei übel traumatisierte Seelen, um die es todesdunkel wird.
Und es brauchte dort letztlich nur ein Dutzend Neonröhren rund ums Orchester, die variabel steuerbare Saalbeleuchtung, die dröhnende Orgel und acht Extra-Blechbläser im Rang-Himmel, um aus dem Abend eine erhellende Aufführung zu machen, bei der man klassischere, erzählendere Regie-Zutaten absolut nicht vermissen musste.
Elbphilharmonie Hamburg: Bartók, Gilbert, Levit – finsteres Kammerspiel, großes Vergnügen
NDR-Chefdirigent Alan Gilbert kann auch Musiktheater Oper, in seiner Wahlheimat Stockholm hat er immerhin den GMD-Posten am Opernhaus, er kommt hier aber nur so selten dazu, zu zeigen, dass und wie gut er Sänger begleiten und stützend durch ein so anspruchsstarkes Stück bringen kann. Michelle DeYoungs Judith gelang es zwar nicht immer, sich mit allen Feinheiten stimmlich gegen den Orchesterapparat durchzusetzen, dafür war Gerald Finley – bei aller kalten Niedertracht seiner Rolle – ein betörend feinfühlig auftretender Gentleman-Blaubart.
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Elbphilharmonie Hamburg: Ein mit Sinnlichkeit ausgemalter Abend
Die beklemmende Schauerroman-Atmosphäre hatte das Orchester schon zur Einleitung schnell aufgebaut, von dort aus eskalierte die Spannung, abgestimmt auf die jeweiligen Klangfarben. Blaubarts Folterkammer wurde blutrot illuminiert, sein traumhafter Garten in sattes Grün getaucht, bei der Schatzkammer flackerten die Saallampen, als würden sie Diamanten beleuchten. Als das Ländereien-Panorama aufgezogen wurde, holte auch die Orgel dröhnend aus, für den Tränensee vor dem Unhappy End kolorierte das Tutti mit leisem Schauern auch diese Szene, in fahlem Blau. Ein packender, mit großer Sinnlichkeit ausgemalter und ausgereizter Abend.
Vorgruppe dafür war der mittlerweile dritte Durchgang von Bartóks kapriziösem 3. Klavierkonzert. Eine Woche zuvor hatte Igor Levit, bei der Premiere, sich noch mit geschickt portionierter Virtuosität durch seinen Part gearbeitet. Jetzt aber, mit drei Aufführungen hinter sich, spielte er ihn auch tatsächlich. Wäre aber auch verwunderlich, wenn drei Konzertabende keinen Unterscheid machen würden. Was damals oft noch wie buchstabiert wirkte, um auch ja nichts falsch zu machen, hatte nun mehr Fluss und Farbe. Die Selbstverständlichkeit, mit der Solist und Tutti aufeinander reagierten, war gelassener und inspirierter. Im langsamen Satz gönnte sich Levit noch mehr Ruhe, in den Showelementen des Finales drehte er nach wie vor nicht so weit auf, wie es möglich gewesen wäre. Dennoch: Dieser Bartók hatte jetzt Format und bewies Charakter.
Dieses Programm wurde am 10.2., 20 Uhr, im Großen Saal der Elbphilharmonie wiederholt. In der Elbphilharmonie-Mediathek ist der Mitschnitt des ersten „Kosmos Bartók“-Konzerts vom 2.2. abrufbar, ebenfalls mit dem 3. Klavierkonzert und Levit sowie dem „Konzert für Orchester“. Aktuelle Levit-Einspielungen: „Mendelssohn: Lieder ohne Worte“ (Sony Classical, CD ca. 18 Euro). „Fantasia“ Musik von J.S. Bach, Liszt, Berg und Busoni (Sony Classical, 2 CDs ca. 15 Euro).