Hamburg. Nach der Aktion auf der Bühne nahm das Konzert seinen Lauf: Pierre-Laurent Aimard und das NDR Elbphilharmonie Orchester begeisterten.
Die Frage, was beim Besuch des aktuellen NDR-Abo-Konzerts in der Elbphilharmonie wohl den Ausschlag fürs Hingehen gab, ließe sich so oder so beantworten: Jene drei Stücke von insgesamt vier Werken, die nicht von Schönberg waren – oder doch das eine von ihm, sein straff zwölftönig organisiertes Opus 42? Konsens dürfte aber gewesen sein, dass Schönbergs Klavierkonzert mit Pierre-Laurent Aimard zu hören war. Wenn ein Pianist für souveränen Umgang mit Klassikern der Moderne steht, dann Aimard.
Dass mit David Robertson ein Gast-Dirigent zugegen war, der ebenfalls viele Fleißsterne gerade in diesem Repertoire-Bereich vorweisen kann, war auch kein Nachteil. Jedenfalls nicht für das zentrale Stück dieses Abends, der ungewöhnlich begann: Mit gelben Warn-Westen und Bannern der Orchester-Gewerkschaft „unisono“, auf Stühle und Pulte drapiert, wurde auf die Tarif-Auseinandersetzung beim NDR verwiesen. Zeitgleich gab es in München bei einem Konzert des BR-Orchesters Flugblätter, die zu mehrtägigem Streik aufriefen. Hier aber blieb es beim unaufgeregten Registrieren dieser Aktion durch das Publikum.
Elbphilharmonie: Erst die Streik-Westen, dann der Schönberg
Im beginnenden Herbst, bei fallenden Temperaturen und Blättern, mit den sonnenlichtumschwärmten Klängen von Debussys „Prélude à l‘après-midi d’un faune“ aufzuwarten, ist nicht ganz fair. War aber ein angenehmer Auftakt, weil Robertson alle feinstofflichen Bedürfnisse in der Abstimmung gut im Griff hatte. Diese Musik ist ja nicht mehr als ein wärmender Hauch aus Sehnsucht und Eleganz, das kam gut hin. Und an.
Mahlers 10., genauer gesagt: das Adagio-Fragment, sein unvollendet gebliebener Anlauf in die Abgründe des Daseins – dabei fehlte es Robertsons Meinung zu dieser Musik an Haltung und Intensität. Das schmerzhafte Aufbäumen gegen das Schicksal und die Endlichkeit, das Glühen und Hadern? Alles eher nüchtern und sachdienlich abgehandelt, eher verwaltet als verzweifelt.
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Beeindruckend, aber nicht überraschend, mit welcher konsequenten, gespannten Selbstverständlichkeit Aimard danach diesen Schönberg zum Klingen brachte. Dem leicht weichgezeichneten Einstieg, der auch deutlich werden ließ, dass Schönberg keine Abrissbirne für romantische Traditionen, sondern ein zielstrebiger Weiterdenker war, folgte eine Interpretation, die Hand und Fuß hatte, und keinerlei Angst. Toll hingelegte Kadenzen, eine klare Linie.
Amüsante Bonus-Runde mit biografischem Hintergrund waren Gershwins Variationen über seinen Musical-Hit „I Got Rhythm“. Der Broadway-Star und der Zwölftöner, sie waren best buddies in Los Angeles, Tennis-Partner und Fachsimpler auf einer Wellenlänge. Dirigent, Orchester und Solist lehnten sich zurück und gönnten sich den kleinen, aber nicht unschweren Spaß. Scott Joplins „Weeping Willow Rag“ als Aimards Zugabe passte da bestens.
Das Konzert wird am heutigen Freitag, 27.9., 20 Uhr, wiederholt. Evtl. Restkarten an der Abendkasse.