Hamburg. Vom 18. bis zum 21. September spielen internationale Newcomer auf 70 Bühnen. Tipps, Tricks, Geheimgigs und Ticketpreise im Überblick.

„Diese Straßen waren meine Strophen, ich suchte den Refrain“, sang Olli Schulz vor zehn Jahren, und schuf damit einen von vielen inoffiziellen Soundtracks für das Reeperbahn Festival. Über die Meile und durch die Seitenstraßen tigern, vor den Clubs anstehen, in Molotow, Freiheit, Mojo und Gruenspan schwitzen, auf dem Spielbudenplatz oder auf dem Heiligengeistfeld Bands im Vorbeigehen entdecken: Das Reeperbahn Festival macht es möglich vom 18. bis zum 21. September.

50.000 Musikfans werden dieses Jahr erwartet, dazu kommen 4000 internationale Fachbesucherinnen und -besucher aus der Konzert- und Popbranche, die sich über aktuelle Trends, Chancen und Krisen auszutauschen und vielversprechende Bands für Tourneen, Platten- und Vertriebsdeals vorstellen und abchecken. Sowohl Fan- als auch Fachpublikum wissen dabei nie, was sie bekommen. Auf dem Kiez ist schließlich alles möglich, zwischen „Auf St. Pauli brennt noch Licht“ (Jan Delay) und „Wenn dir St. Pauli auf den Geist fällt“ (Die Sterne). Alles Wissenswerte zur Vorbereitung auf vier Tage Beatbummeln haben wir hier zusammengefasst. Und Olli Schulz ist dieses Jahr übrigens auch live dabei.

Reeperbahn Festival auf St. Pauli: Wer tritt auf?

Wie viele Bands kommen zum Reeperbahn Festival 2024?
Im Vergleich zu 2023 wurde das Musikprogramm dieses Jahr noch mal kräftig aufgestockt: 420 Bands, Künstlerinnen und Künstler kommen nach Hamburg, das sind 100 mehr als im Vorjahr und knapp 30 mehr als im vorpandemischen Rekordjahr 2019. Da einige mehrfach auftreten werden, sind fast 500 Konzerte im Zeitplan aufgelistet. Der weibliche Anteil im Musikprogramm liegt übrigens bei 50 Prozent.

Natürlich ist der Großteil der Bands höchstens Eingeweihten und „Ich fand die Band schon cool, als sie noch keiner kannte“-Nerds bekannt, aber so soll es ja auch sein. Dennoch finden sich auch dieses Jahr einige etablierte Acts auf den Bühnen wieder, darunter der bereits erwähnte Olli Schulz, Juli, Kate Nash, Allie Neumann, Tonbandgerät, Trentemøller, Mighty Oaks und Friska Viljor.

Was sind die Musik-Schwerpunkte beim Festival?
Einen Länderschwerpunkt wie in den Vorjahren gibt es nicht, und auch stilistisch wird wieder die ganze Tüte über die Clubs verteilt, von Indie über Elektro, Pop und Hip-Hop über Soul und R’n‘B bis Folk, Rock und Punk. Nur Fans der härteren Gangarten werden traditionell wenig finden, ihnen sei hier Battlesnake, DeVere, Múr, Plaiins und Timechild ans Herz gelegt. Lokalheldenhelden dürfen sich neben Tonbandgerät die Hamburger Namen Modular, Bangerfabrique, Willow Parlo, Lila Sovia, MC Windhund, Letters Sent Home, Jolle, Marie Curry, Preach, Abarra und Urbannino vormerken.

Ein Herzstück des Line-ups sind die diesjährigen Nominierten für den Festivalpreis „Anchor“ für die besten Newcomer. Beth McCarthy aus Großbritannien, Enji und Strongboi aus Deutschland, Kassy aus der Schweiz, Milan Ring aus Australien und Moonchild Sannelly aus Südafrika stellen sich der Fachjury mit Tim Bendzko, Emily Kokal von Warpaint, Julia Stone und Tayla Parx.

Reeperbahn Festival: Die Georg Elser Halle feiert ihre Festival-Premiere

In welchen Clubs wird gespielt?
Insgesamt gibt es 70 Spielstätten beim Reeperbahn Festival, darunter die großen Clubs Docks und Große Freiheit und Gruenspan, nicht zu vergessen Molotow, Mojo Club und Bahnhof Pauli, Headcrash und Nochtspeicher. Aber auch weniger bekannte Adressen und ungewöhnliche Orte wie der Club 25, Chikago, die Haspa-Filiale Reeperbahn, Theater wie Schmidtchen, St. Pauli Theater und Imperial Theater und die Hauptkirche St. Michaelis und die St. Pauli Kirche werden bespielt.

Neu dabei ist auch die im Juli eröffnete Georg Elser Halle mit Platz für 2000 Fans auf dem aufgestockten Feldstraßen-Bunker. Damit hat der Feldstraßen-Abschnitt des Festivals mit Knust, Uebel & Gefährlich, Resonanzraum und Grüner Jäger noch mehr zu bieten, die Lücke zwischen Reeperbahn, Spielbudenplatz und Feldstraße schließt auch dieses Jahr wieder das Festival Village mit mehreren Bühnen und weiteren Attraktionen auf dem Heiligengeistfeld.

Olli Schulz
Olli Schulz, hier im März in der Inselpark Arena, spielt beim Reeperbahn Festival am Festival-Freitag (20. September) in der Hauptkirche St. Michaelis. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Auch die Elbphilharmonie wird dieses Jahr wieder zur Reeperbühne, allerdings nur mit zwei Konzerten am Festival-Freitag: Allie Neumann präsentiert ihr Spezialprogramm „In Flagranti“ mit Gästen, und der dänische Elektro-Guru Trentemøller reist durch verschiedene Klangkosmen. Für diese Konzerte mussten sich Ticketkäufer vorab registrieren (nur ein Konzert war erlaubt), um sich beim Festival am Konzerttag spätestens zwei Stunden vor Konzertbeginn am Ticketschalter im Festival Village auf dem Heiligengeistfeld Hardtickets (freie Platzwahl) abzuholen. Derzeit sind die Kontingente vergriffen, ob noch Plätze frei werden, meldet die Festival-Leitung am Festival-Freitag kurzfristig über die Reeperbahn-Festival-App.

Reeperbahn Festival: Mit Überraschungskonzerten darf gerechnet werden

Wird es beim Festival Geheimkonzerte geben?
In der Rückschau kann dazu nur gesagt werden: Ja. Mal gibt es Geheim- und Überraschungskonzerte im Rahmen des Festivals wie in der Vergangenheit von Muse, Beatsteaks oder James Blunt, und fast schon eine Tradition sind nicht zum Festival gehörende, aber im Kiez-Umfeld wildernde Shows von dicken Dingern wie in den Vorjahren von Deichkind am Millerntor-Stadion, Kraftklub vor dem Mojo Club oder K.I.Z auf dem Heiligengeistfeld. Dieses Jahr wurde Ski Aggu („Friesenjung“) als offizieller Secret-Headliner zwei Tage vor Festivalstart vom Festival-Orgateam auf Instagram bestätigt, er tritt am Festival-Donnerstag (sprich in der Nacht zu Freitag) um 0.10 Uhr im Docks (Spielbudenplatz 19) auf. Aber ob das schon alles ist? Einfach auf der Reeperbahn und im Netz Augen und Ohren offen halten.

Das Berliner Hip-Hop-Trio K.I.Z beim Überraschungskonzert 2023 auf dem Heiligengeistfeld.
Das Berliner Hip-Hop-Trio K.I.Z beim Überraschungskonzert 2023 auf dem Heiligengeistfeld. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Was gibt es außer Konzerten noch zu erleben?
Zum Festival gehört auch ein umfangreiches Begleitprogramm aus allen Kultursparten wie Filme von Musik-Underground bis Sexperiment am Festival-Sonnabend im 3001-Kino mit den Filmen „Szene Report“, „This Town“ und „30 Tage Lust“ und Lesungen wie „Row Zero – Gewalt und Machtmissbrauch in der Musikindustrie“ am Festival-Donnerstag im Schmidtchen. Kunst und Performance ist an allen Tagen im Festival Village zu erleben, von Skateaction über Performance bis zu Kunstausstellungen und der beliebten Konzertposter-Convention „Flatstock“.

Der Podcast-Trend ist auch auf dem Reeperbahn-Festival angekommen, so werden im Imperial Theater zahlreiche Live-Podcasts von „Goldstückli Ahoi“ bis „Kollektiv Studio Rot“ präsentiert. Auch das Abendblatt produziert im Festival Village zahlreiche Podcasts, die sich thematisch mit dem Reeperbahn Festival, aber auch dem aktuellen Weltgeschehen beschäftigen.

Braucht man für alle Festival-Programmpunkte ein Ticket?
Einige Programmpunkte des Reeperbahn Festivals sind auch ohne Festival-Bändchen kostenlos zu erleben. Zum Beispiel im Trubel auf dem Spielbudenplatz: auf der Spielbude XL, am HVV-Bus, auf der Kleinkunstbühne sowie am NJOY-Reeperbus.

Auch das Herz des Festivals, das an allen Tagen von 9 Uhr bis 22 Uhr geöffnete Festival Village auf dem Heiligengeistfeld, bietet mit zwei Bühnen, Arts Playground, Flatstock, Skatepark, Gaming Area und mehr ein großes, kostenloses Erlebnispaket von Musik über Kunst bis Talk, Tanz und Performance.

Reeperbahn Festival: Der beste Plan ist, keinen Plan zu haben

Was empfehlen Festival-Profis noch?
Die Zeiten des „Clubhoppings“, in denen man sich von Club zu Club treiben lassen konnte, hier und da in drei Songs reinhören („three songs, no flash“) und bei Nichtgefallen weiterziehen, sind leider seit vielen Jahren vorbei. Es wird wahrscheinlich wieder voll am Festival-Donnerstag und sehr, sehr voll am Festival-Freitag und -Sonnabend. Es ist zwar hilfreich, sich mit der Festival-App auf dem Smartphone (die Festival-Homepage ist weiterhin nicht sehr intuitiv) vorab ein Programm zusammenzustellen (man kann Favoriten markieren, und die App informiert relativ gut in Echtzeit über Einlassstopps und Verspätungen), aber das hält zumeist nur bis zum ersten Einlassstop.

Je bekannter die Band und populärer der Club (Molotow bleibt!), desto illusorischer der Einlass. Generell sollte man immer mindestens eine Stunde vor Beginn eines Konzerts an der jeweiligen Bühne aufschlagen. Ein Plan B mit Alternativen, mit unbekannteren Bands in kleineren Clubs in der Peripherie wie zum Beispiel Indra oder Nochtwache kann ungeahnte positive Überraschungen parat haben.

Beim ersten Reeperbahn Festival 2006 kamen 9000 Besucher. 2023 waren es 49.000.
Beim ersten Reeperbahn Festival 2006 kamen 9000 Besucher. 2023 waren es 49.000. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Wer unangenehme Begegnungen oder Erfahrungen beim Festival-Besuch erleben muss, findet Unterstützung beim Personal der Clubs, beim mit Jeanswesten und großen Regenschirmaufnähern gekennzeichneten Awareness-Team und am Awareness-Point am Eingang vom Festival Village. Taschen und Rucksäcke sind nur bis zu einer Größe eines DIN-A4-Blatts erlaubt. Im Festival Village gibt es eine Koffergarderobe gegen Gebühr. Am Freitag und Sonnabend herrscht ab 22 Uhr bis 6 Uhr Glasflaschenverbot auf St. Pauli. Nicht alle Clubs sind barrierefrei/barrierearm, eine Übersicht gibt es im Geländeplan.

Reeperbahn Festival: Wo feiern nach den Konzerten?

Der Spielbudenplatz mit dem Clubhaus St. Pauli, Heimat der Reeperbahn-Festival-Clubs und -Bühnen Schmidtchen, Uwe, Häkken und Bahnhof Pauli.
Der Spielbudenplatz mit dem Clubhaus St. Pauli, Heimat der Reeperbahn-Festival-Clubs und -Bühnen Schmidtchen, Uwe, Häkken und Bahnhof Pauli. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Die Konzerte sind vorbei, was geht noch danach?
St. Pauli, die Schanze und die umliegenden Gemarkungen bieten eine Unzahl an Bars, Kneipen und Discos, um zumindest am Freitag und Sonnabend durchzumachen. Wobei einige der angesagten Elektro-Clubs der Stadt nicht auf dem Kiez zu finden sind: Südpol und Fundbureau liegen ein paar Öffi-Stationen entfernt, aber auch fußläufig im Festival-Dreieck wird für Raver einiges geboten, im DOT oder im Golden Pudel Club, im Tranzit (Sonnabend im Bahnhof Pauli) oder für die Kinky-Gemeinde im La Cova. In den Festival-Clubs gibt es mit Bändchen und ohne Extraeintritt im Molotow alles für jeden Indie-Geschmack und Elektronisches im Uebel & Gefährlich.

Mehr zum Thema

Wo gibt es Tickets und was kosten die?
Tagestickets ab 59 Euro (Mi) bis 85 Euro (Sa), 2-Tagestickets für 119 Euro (Fr+Sa), 3-Tagestickets für 139 Euro (Do–Sa) und 4-Tagestickets für 159 Euro gibt es im Vorverkauf unter www.reeperbahnfestival.com. Vor Ort müssen die Tickets am Ticket-Desk im Festival Village auf dem Heiligengeistfeld (U St. Pauli) gegen Bändchen umgetauscht werden.