Hamburg. Mehr Party geht nicht: Der Trend-Rapper mit der Skibrille will Kanzler werden. Große Party zu Atzen-Beats im Moshpit.

Oma und Opa an Weihnachten die neue Lieblingsmusik zeigen: Warum auch nicht – schließlich verrät der Musikgeschmack ja einiges über einen selbst. Wie aber würde wohl die Reaktion der Großeltern ausfallen, wenn der aktuelle Lieblingskünstler Ski Aggu heißt? Tja, im schlimmsten Fall würde wohl still und heimlich die Enterbung im Testament festgehalten werden. Im Normalfall würde freundlich-verwirrt die Stirn gerunzelt und ein „Die Jugend...“ geseufzt werden. Und im besten Fall setzt Oma die Skibrille auf und setzt zum Moshpit an.

Der Rapper Ski Aggu spielte Freitag ein Konzert im Uebel & Gefährlich – obwohl die Bezeichnung „Konzert“ viel zu harmlos klingt für das, was da an diesem Abend passiert ist. Im Rahmen seiner „Wahlkampftour 2023“ trat der Musiker zweimal in Hamburg auf, am Donnerstag war er bereits in der edel-optics.de Arena zu sehen. Beide Shows waren komplett ausverkauft.

Ski Aggu in Hamburg: Freund & Rapper Ritter Lean als Support-Act dabei

Freitagabend auf St. Pauli, 19.30 Uhr: Junge Menschen mit Sonnenbrillen auf dem Kopf stehen vor dem Baugerüst-Durchgang des Feldstraßenbunkers und leeren ihre Dosengetränke. Nebenan funkeln die Dom-Lichter in Rot und Grün, der Geruch von gebrannten Mandeln zieht herüber. Aber jetzt heißt es weder Wilde Maus XXL noch Riesenrad für die Anwesenden. Nein, jetzt ist Pogo und Ausrasten im Bunker angesagt.

Als Support-Act hat Ski Aggu seinen guten Freund und Rapper Ritter Lean mitgebracht: Wie der Name schon verrät – mutmaßlich eine Anspielung auf das Medikament Ritalin – geht es in den Texten des Filmschauspielers, der mit bürgerlichem Namen Adrian Julius Tillmann heißt, viel um Drogen und Partyexzesse. Aber auch um Liebe, Kummer und Sinnkrisen – also all das, was (nicht nur) junge Menschen so bewegt. Ritter Lean springt auf der Bühne umher, fuchtelt mit den Armen, zieht witzige Grimassen: Wer ihn davor noch nicht kannte, wird ihm wohl spätestens jetzt auf der Musik-Streaming-App seiner Wahl folgen.

Ritter Lean: „Dann sagt mein Papa doch noch: Ich bin stolz auf dich“

Am 23. März wird Ritter Lean im Mojo Club in Hamburg auftreten: „Wenn ihr zu meiner Tour kommt, muss ich nicht mehr in der Gastro arbeiten – und dann komm ich vielleicht groß raus, und dann sagt mein Papa doch noch: Ich bin stolz auf dich“, so sympathisch-verletzlich zeigt sich der Newcomer-Rapper dem Hamburger Publikum. Anschließend folgt noch eine kleine Pause – in welcher unter anderem der Song „All I Want For Christmas Is You“ von Mariah Carey aus den Boxen tönt. Die ganze Halle feiert es und kreischt mit. Wer es bisher noch nicht ahnte: Der Abend wird atzig, der Abend wird trashy.

Es ist 20.30 Uhr, ein donnerndes Lichtgewitter und ein harter Techno-Beat mit Minimum 150 bpm (beats per minute) kündigen Ski Aggu an: Und dann steht er da, rappt den Song „Broker“ im Anzug mit Winnie-Puuh-Krawatte, Vokuhila und seinem einzigartigen Markenzeichen: der Skibrille. Wie kann man so bescheuert und cool zugleich aussehen? „Ich will, dass wir diesen Laden abreißen. Die Rohre an der Decke sollen wackeln!“, begrüßt der Musiker seine Anhängerschaft. Bei der Energie, die im Saal herrscht, ist man eher froh, wenn die Rohre nicht herunterknallen.

Ski Aggu hat mit dem Song „Party Sahne“ seinen Druchbruch geschafft

August Jean Diederich, so lautet der im wahrsten Sinne des Wortes bürgerliche Name des 26-jährigen Musikers aus Berlin-Wilmersdorf. Ski Aggu hat eine Karriere so steil wie eine schwarze Piste hingelegt: Während der Corona-Pandemie hat er angefangen zu rappen, im Jahr 2022 hatte er mit dem Song „Party Sahne“ seinen Durchbruch – das Lied hat auf Spotify knapp 70 (!) Millionen Streams. Neben dem extravaganten Auftreten ist er bekannt für seine heftigen Punchlines, technolastige Bässe und seinen Party-Abriss-Modus.

Ski-Aggu-Fans in der ersten Reihe: Das Publikum hatte bei dem Konzert des Rappers sichtlich Spaß. Seine Anhängerschaft ist zum Teil sehr jung.
Ski-Aggu-Fans in der ersten Reihe: Das Publikum hatte bei dem Konzert des Rappers sichtlich Spaß. Seine Anhängerschaft ist zum Teil sehr jung. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Doch er kann auch anders: Kaum zu glauben, aber an diesem Freitagabend wird es zwischendurch auch mal gefühlvoll, ja wenn nicht gar romantisch. Der Sänger geht durchs Publikum und steht nun mittig im Raum. „Ihr kennt das bestimmt auch, wenn man Liebeskummer hat, eine Person einfach nicht vergessen kann“, setzt er an und performt seinen Song „mietfrei“. Die Fans schwenken ihre Handy-Taschenlampen hin und her, sie singen zusammen die Zeilen: „Bubu, du lebst mietfrei in mei‘m Kopf/Hab gehofft, Erinnerung ist weg, doch sie bleibt immer noch“.

Ski Aggu in Hamburg: Leider wenig Rücksicht in den Moshpits

Der Moment der Ruhe hält nicht lange an, danach heißt es wieder: Back to Business, Back to Baller-Beats. Schade ist, dass nicht alle, die sich einen Platz vorne ergattert haben, auf ihre Art und Weise feiern können. Die Moshpits sind hart, eng, schwitzig und – leider – rücksichtslos. Junge Macker drücken und drängeln. Diejenigen, die vorsichtshalber am Rand stehen, bleiben nicht verschont: „Oh mein Gott“, hört man eine junge Frau mit entsetztem Gesichtsausdruck sagen. Klar, Moshpits gehören dazu und machen Spaß – aber zu guten Moshpits gehört gegenseitige Rücksicht dazu, egal, wie hoch der Alkoholpegel einzelner Konzertgänger ist.

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Nicht ohne Grund heißt die aktuelle Tour von Ski Aggu „Wahlkampftour 2023“: Der Atze mit der Skibrille will im Jahr 2025 für das Amt des Bundeskanzlers kandidieren. Neben politischen Forderungen wie der „Dönerpreisbremse“ und „Freibier für alle“ wird seine politische Richtung auf dem Konzert deutlich: Er leitet „Nazis raus“-Rufe an und teilt seine Sorgen über die immer größer werdende Wählerschaft der AfD. „Es darf nicht passieren, dass eine Nazi-Partei die Mehrheit in Deutschland hat!“, ruft er ins lautstark zustimmende Publikum.

Ski Aggu in Hamburg: Am Ende tropft Schweiß von der Decke

Die Anwesenden werden kurzerhand alle offiziell zu Mitgliedern der „Ski Aggu Partei“ erklärt. Eigene Ideen und Gesetzesentwürfe kann man dem Musiker einfach per Instagram schicken. „So funktioniert direkte Demokratie heute“, konstatiert er. Nun gut. Gegen 22.15 Uhr spielt er seinen letzten Song „Friesenjung“, ein Cover von Otto Waalkes zur Melodie von „English Men In New York“. Die Fans rasten noch mal richtig aus, zum Schluss verteilt Ski Aggu Umarmungen und eine Menge verbale Liebe.

Ob die Fans, die ihn berührt haben, ihre Hände je wieder waschen werden? Ski Aggu zeigt sich auf seinem Konzert in Hamburg nahbar – das Publikum liebt ihn dafür.
Ob die Fans, die ihn berührt haben, ihre Hände je wieder waschen werden? Ski Aggu zeigt sich auf seinem Konzert in Hamburg nahbar – das Publikum liebt ihn dafür. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Alle Klamotten sind nass, die Getränkebecher sind durch die Moshpits wahllos im Raum verteilt, Körperausdünstungen tropfen von der Decke: Und Ski Aggu hat seine Skibirlle an diesem Abend nicht einmal abgesetzt. Man, muss der schwitzen.