Hamburg. Arena-Chef Steve Schwenkglenks über die abgebrochene „Monster Jam“, den verschwundenen Videowürfel, Hallenkonkurrenz und Neid auf die USA.
Volles Haus bei Bushido, Scooter, Alligatoah und vielen weiteren Events: Der Laden läuft nach der Pandemie wieder in der 2002 eröffneten Barclays Arena gegenüber vom Volksparkstadion. Seit der Auflösung der Eishockeycracks der Freezers 2016 und der Insolvenz der HSV Handball GmbH im selben Jahr ist die 12.000 Zuschauer fassende Multifunktionshalle mehr denn je auf Konzerte und Shows für eine dauerhafte Auslastung angewiesen.
Arena-Manager Steve Schwenkglenks blickt zufrieden auf das Jahr 2023 zurück und verspricht für dieses Jahr mehr Entertainment als im Rekordjahr 2019 und entsprechende Modernisierungsmaßnahmen – auch wenn die Kosten für die Durchführung exorbitant gestiegen sind: „Unsere größte Herausforderung bleibt es, dass wir alles ermöglichen und vernünftige Angebote präsentieren wollen.“
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Barclays Arena: „Unser Hauptaugenmerk liegt auf Konzerten und Shows“
Hamburger Abendblatt: Die Barclays Arena ist technisch gesehen eine Multifunktionshalle. Aber bei der Truck-Stuntshow „Monster Jam“ vor wenigen Tagen zeigte sich, dass nicht alles dort machbar ist.
Steve Schwenkglenks: Ich glaube nicht, dass wir an den Grenzen des Machbaren waren. Aber wir hatten während der Show festgestellt, dass es Anzeichen für eine erhöhte CO-Konzentration im Saal gab und die Feuerwehr gebeten, da genauer hinzuschauen. Im gemeinsamen Gespräch mit der Feuerwehr und uns hat der Veranstalter dann die Veranstaltung erst unterbrochen und später dann abgebrochen, was meiner Meinung nach die absolut richtige Entscheidung war und ein Zeichen für schnelles, verantwortungsvolles Risikomanagement.
Eröffnet wurde die Halle 2002 als Color Line Arena und Veranstaltungsort für Erstliga-Eishockey und -Handball, zwischen den Spieltagen blieben Zeitfenster für Konzerte und Shows. Jetzt hat die Barclays Arena schon seit 2016 keine festen Heimteams mehr. Ist sie damit eine reine Kultur- und Unterhaltungsbühne?
Schwenkglenks: Wir haben keine klassischen Hometeams mehr, das ist richtig. Aber dieses Jahr hatten wir hier die Handball-Europameisterschaft mit zwölf Spielen, ein sensationelles Basketball-Spiel der Hamburg Towers gegen den FC Bayern, im Mai begrüßen wir die EHF European League Final Four und auch der HSV Handball trägt hier Spitzenspiele aus. Aber es ist vollkommen richtig, dass unser Hauptaugenmerk auf Konzerten und Shows liegt.
Wo ist eigentlich der Videowürfel geblieben?
Schwenkglenks: Da wir nur noch wenig Sportveranstaltungen haben, sein Gewicht die Lichtinstallationen an der Decke reduzierte und er nach 20 Jahren auch technisch nicht mehr mithalten konnte, ist er Geschichte. Für Sportevents mieten wir temporär moderne LED-Würfel an.
Steve Schwenkglenks: „Die Arena wäre alt, würde man nicht jedes Jahr etwas tun“
Nach der Kölner Lanxess Arena 1998 war die Barclays Arena 2002 die zweite Großarena nach US-amerikanischem Vorbild in Deutschland. In den USA wäre sie jetzt schon bereits veraltet.
Schwenkglenks: Die Arena wäre alt, würde man nicht jedes Jahr etwas tun. Wir investieren jährlich sehr viel Geld nicht nur in Wartung und Instandhaltung, sondern modernisieren auch stetig in Bereichen, die man auf dem ersten Blick nicht wahrnimmt, vor allem im Bereich der Digitalisierung. Bereits seit zehn Jahren kann man bei uns überall kontaktlos bezahlen. Während Corona wurde die Belüftung massiv verbessert. Dieses Jahr haben wir sehr viel in die Verbesserung der Akustik gesteckt mit neuen Akustik-Panels ringsum im Innenraum und Bass-Fallen unterhalb der Tribünen, wir haben das Spot-Licht komplett auf LEDs umgerüstet und schließen gerade die Erneuerung des Arena-Lichts ab, das farblich variabel ist und mit in die Lichtkonzepte der Shows integriert werden kann. Die Künstlerbereiche backstage, Garderoben und Crew-Catering wurden komplett erneuert. Als nächstes werden Umlauf-Licht und -Displays überarbeitet.
Was man da durchhört, ist der weiter betriebene Wandel von der Sport- zur Kultur- und Event-Arena.
Schwenkglenks: Unsere größte Herausforderung bleibt es, dass wir alles ermöglichen und vernünftige Angebote präsentieren wollen. Sich nur auf Sport zu beschränken oder auf Sport komplett zu verzichten, würde zwar vieles einfacher machen, unsere Philosophie ist jedoch, dass wir der richtige Ort für jeder Art von Veranstaltung sein wollen.
Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit der Arena aus, ein sehr wichtiges Thema auch bei Clubs und Festivals?
Schwenkglenks: Dieses Thema beschäftigt uns schon sehr lange. Wir fangen zum Beispiel das komplette Regenwasser um die Arena auf und nutzen es für alle WC-Spülungen. Seit zehn Jahren nutzen wir Hundert Prozent zertifiziert grüne Energie, wir haben eine eigene Waschstraße für unser Pfandbechersystem und betreiben unser Fame Forest Projekt in Schnelsen, wo für jeden Künstler, jede Künstlerin, jeden Verein, der bei uns Auftritt, ein Baum gepflanzt wird. Bald sind es 13.000. Ende Mai werden wir auch in Berlin für die Uber Arena einen Fame Forest einweihen.
Barclays Arena: Miteinander, kein Gegeneinander mit Sporthalle und Inselpark Arena
Die Barclays Arena bietet ja mehrere Raumkonfigurationen an, Halbhaus- und Theatervarianten. Steht sie damit nicht auch in Konkurrenz zur Sporthalle, zur Inselpark Arena und zu weiteren geplanten oder zumindest fantasierten Hallenprojekten?
Schwenkglenks: In unserer maximal realisierbaren Größenordnung sind wir in Hamburg natürlich alternativlos. Andere Großprojekte können wir mal aufgreifen, wenn der erste Spatenstich erfolgt ist, das dauert in Hamburg ja gern, wenn ich mich so umblicke. In den niederen Kategorien bis zu 7000 Besuchenden ist die Sporthalle natürlich ein Mitbewerber, aber ich sehe das nicht als Konkurrenz. Alle haben ihre Berechtigung, und ich finde es absolut sinnvoll, dass zum Beispiel der HSV Handball seine Spitzenspiele bei uns austrägt und die anderen in der Sporthalle. Und für aufstrebende, bereits sehr populäre Bands ist die Sporthalle ein passender Zwischenschritt auf dem Weg zu uns.
Also ist ein Miteinander, kein Gegeneinander?
Schwenkglenks: Das ist ein Miteinander. Wir wollen hier nationale und internationale Stars haben und die Arena ausverkaufen, klar. Aber dem voraus geht ja eine Entwicklung, dafür braucht es Räume, um sich zu zeigen, sich auszuprobieren, eine Fangemeinde aufzubauen. Dazu gehören auch die Clubs auf dem Kiez, die sind unglaublich wichtig. Wenn Newcomer sich von Docks und Gruenspan hoch in die Inselpark Arena, in die Sporthalle und dann in die Barclays Arena spielen, haben wir doch alle etwas davon.
Barclays Arena: Kosten für Transport, Energie, Technik und Unterbringung massiv gestiegen
Der Weg, den Bosse, Johannes Oerding und viele weitere gegangen sind. Wie sieht die wirtschaftliche Bilanz der Barclays Arena nach Corona aus?
Schwenkglenks: 2023 war noch nicht wieder das Rekordniveau der Zahl der Veranstaltungen von 2019 erreicht. Dieses Jahr werden wir es übertreffen. Aber in diesen fünf Jahren hat sich die Kostenstruktur der Veranstaltung mit Transport, Energie, Technik und Unterbringung massiv verteuert, und das ist ein großes Problem für die ganze Branche, ebenso die bestehenden Personal- und Logistikfragen. Die Fans sehen vier Künstler auf der Bühne, aber nicht die 80 Menschen, die mitreisen und die 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hier bei vollem Haus anpacken. Gut ausgebildete Fachkräfte, die abends, nachts, an Wochenenden und Feiertagen arbeiten wollen, sind schwer zu finden mittlerweile. Die Quantität der Belegschaft konnten wir nach Corona wieder herstellen, jetzt gilt es, die Qualität durch Schulungen und Trainings noch weiter zu verbessern.
Wie sieht es im übertragenen Sinn mit der Qualität der Konzerte und Shows aus, was waren ihre persönlichen Höhepunkte in den vergangenen Monaten?
Schwenkglenks: Ich bin bei sehr vielen der Konzerte in der Arena, und freue mich immer, meinen Horizont erweitern zu können und Shows zu erleben, die besser sind als ich vorher vielleicht gedacht habe. Aber klar, eine meiner Lieblingsbands, seit ich denken kann, ist Depeche Mode. Das Konzert im Februar war wieder ein sensationelles Erlebnis. Ich habe übrigens früher auch mal andere Jobs gemacht, unter anderem war ich mal Fahrer von Dave Gahan, Kistenschieber und Springer. Und wenn man einen Elton John vor sich auf der Bühne sieht und weiß, dass es sein letztes Mal in Hamburg ist, das trifft einen schon ins Herz.
Barclays Arena: Der Vertrag mit dem Namenssponsor läuft noch bis 2027
Für manche wird die Barclays Arena immer die Color Line Arena, O2 World oder Barclaycard Arena bleiben. Der aktuelle Name hat noch eine Weile Bestand?
Schwenkglenks: Ja, der Vertrag mit dem aktuellen Namenssponsor läuft noch bis 2027.
In Nordamerika, aber auch in China oder in den Golfstaaten werden immer spektakulärere Stadien und Arenen eingeweiht. Blicken Sie neidisch nach Las Vegas auf The Sphere, diesen unfassbaren, außen wie innen mit Millionen von LEDs verkleideten Entertainment-Kugelbau für 19.000 Gäste?
Schwenkglenks: Neidisch wäre das falsche Wort. Man verfolgt die weltweite Entwicklung natürlich mit Interesse. Aber das sind Leuchtturmprojekte, die eigentlich mit der Realität nicht viel zu tun haben. The Sphere hat über zwei Milliarden US-Dollar gekostet, da würde mich interessieren, wie der Business-Plan dahinter aussieht. In Manchester hat die erste neue Multifunktionsarena in Europa nach der Pandemie eröffnet, die hat 365 Millionen Britische Pfund gekostet. Ich finde es beeindruckend, was technisch möglich ist, aber ich glaube nicht, dass in fünf Jahren in jedem Land fünf The Sphere stehen werden.
Steve Schwenkglenks: Die Elbphilharmonie ist die bessere Postkarte
Welches ist denn der Hamburger Kultur-Leuchtturm, die Barclays Arena oder die Elbphilharmonie?
Schwenkglenks: Mit dem heutigen finanziellen Wissen würde man die Elbphilharmonie vielleicht auch nicht mehr bauen wollen, das lief bei uns entspannter. Spaß beiseite, beide haben ihre absolute Berechtigung. Visuell hat die Elbphilharmonie natürlich das Bild der Stadt sehr geprägt, sie ist ein Wahrzeichen geworden und eignet sich besser als Postkarte. Wir wären auch falsch beraten, wenn wir jetzt hier in der Arena hochrangige klassische Konzerte veranstalten wollen würden, für die es den perfekt spezialisierten Ort gibt. Ich glaube aber, dass im Bewusstsein der jüngeren Generation eher die Barclays Arena im Vordergrund steht – weil dort die „coolen“ Konzerte stattfinden.