Hamburg. Der „König für immer“ machte in der Barclays Arena Station, holte seine halbe Familie auf die Bühne – und ließ die Stadt irritierend oft hochleben.
Hat der Straßenrap-Gigant Bushido den Konzertgängern gefehlt? Fast ein Jahrzehnt war Anis Ferchichi, so der bürgerliche Name des wortmetzelnden Streetfighters, nicht auf Tour. Jetzt läuft mal wieder einer. Titel: „König für immer“. So muss das, ist Rap-Standard: die Behauptung des eigenen Status über allen andern.
Dass Bushido, der um die Jahrtausendwende von der Hauptstadt aus („Aggro Berlin“) zu einem der erfolgreichsten Rapper deutscher Sprache wurde, könnten manche Nachgeborene unter Umständen aber eher für ein Gerücht halten. Sie kennen den Mann zwar, aber eher als notorischen Streithansel, der gegen dubiose Menschen aus seiner Heimatstadt Berlin eine Ewigkeit vor Gericht stand. Oder als angeblich mal megaharten Gossenpoeten, der in der Gegenwart längst gezähmt ist: von Octomum Anna-Maria, der Schwester Sarah Connors und Mutter seiner sieben Kinder (ein achtes brachte sie mit in die Ehe mit dem Nun-auch-Pantoffelhelden).
Bushido in Hamburg: der Papa des Gangster-Raps, oder wie?
Seinen Platz müsste er sich eigentlich also wieder erkämpfen. Die Fans haben jedoch auf ihn gewartet, das merkte man in der Barclays Arena, die mit 12.000 Menschen gefüllt war. Ausverkauft. Die ganz jungen Leute hören anderes Hip-Hop-Zeug, Disarstar und so.
Das heißt aber nicht, dass niemand von denen da gewesen wäre, die Bushido sicher erst verspätet wahrgenommen haben: Es waren also auch etliche Ü-30-Leute im Publikum. Und viele dicke Karren aufm Parkplatz, Kennzeichen CUX, DEL, PI, IZ – sie kamen aus allen entlegensten Gebieten, um den Herrscher der Lines in Hamburg zu erleben. Oder so.
- Scooter: Hyper, Hyper! Euphorie-Maschine H. P. Baxxter pegelte Hamburg hoch
- Ami-Band DIIV in Hamburg: Ist das der Schatten Donald Trumps?
- Beach Fossils im Knust Hamburg: Schnurrbärte und Lässigkeit
Sein Co-Rapper Animus ließ den König hochleben („Bushido ist der beste deutsche Rapper aller Zeiten“) und rappte professionell mit, da gab es keine verpassten Einsätze. Hasch-Schwaden, Schwenkarme, Bushidos („Ey Hamburg, ihr seid so geil“) permanente, natürlich irgendwann redundante und zum Schluss fast irritierend häufige geografisch gepolte Ansprachen, Beats, ordinäre Rap-Klischees („Ich ficke eure Mütter und eure Schwiegermütter auch“) – und dann rappte Jenny aus Norderstedt mit dem Hauptdarsteller „Sonnenbank Flavour“; Bushido gab den volksnahen, tatsächlich nicht mal unsympathischen Conferencier der eigenen Show. Auf den Leinwänden pflegte das ehemalige Gettokid seinen Mythos, da flimmerte die Berliner Härte drüber.
Bushido in Hamburg: Lauter als Berlin, gut gebrüllt
Die Freude des „Herrn Bushido“, wie Ex-Manager und Jetzt-Intimfeind Arafat Abou-Chaker seinen Prozessgegner in einem gerade angekündigten angeblichen Enthüllungsbuch zu nennen pflegt (die Saga von zweien, die sich nur noch feind sind, geht also weiter), der Spaß des Rappers am Auftritt mit Harter-Junge-Attitüde und Battle-Bock war in Hamburg spürbar. Auf seiner Tour lässt Bushido seine Fans jeweils um die Wette brüllen. Hamburg war sogar lauter als Berlin. Endlich mal Erster.
Wobei eigentlich eh nur zwei Fragen interessieren: Kann ein geläuterter (oder was auch immer) Skandal-Texter und als von der Bundesprüfstelle als „jugendgefährdend“ eingestufter Provokateur mit billigsten Mitteln – Schwulen- und Frauenverachtung waren da so immer die Themen – sein Zeug so eigentlich immer noch rappen? Und können die Bushido-Fans, auch sie sind ja gereift, sie so immer noch hören?
Können sie, man ist trotz gut hingelegter Show geneigt zu sagen: bedauerlicherweise. Bushido spielte ein langes Set mit den Klassikern, also Songs wie „Nie wieder“, „Tempelhofer Junge“, „Zeiten ändern dich“, „Alles wird gut“ – „Du bist ein Hurensohn“ und „Ich fick’ deine Freunde“ sind da Lines mit großer Straßen-Kredibilität. Wird hingebungsvoll mitgerappt, so was.
Bushido in der Barclays Arena: Die Familie reist mit ihm durch die Lande
Aus der Wahlheimat Dubai ist übrigens die Familie mitgereist. Bei seinen derzeitigen Konzerten holt der mittlerweile Papa-weiche Bushido gern einige seiner Kids auf die Bühne. So auch in Hamburg. Anna-Maria Ferchichi kam dann auch: Bushido zeigt, was er hat. Süß, berechnend, die Fortsetzung der in „Bild“ und Bushidos Podcast sattsam erzählten Familiengeschichte. Wobei auch die Aufsteigergeschichte des Gettokids ja schon immer nah am Kitsch gebaut war. Was ist der einstige Gangsta-Rap-Pate jetzt im Kern, etwa der Papa des Gangsta-Rap? In Hamburg goutierte man die private Selbstinszenierung.
„Für immer jung“, der Rap-Schlager mit Karel Gott: Stimmt nicht, ist keiner. 45 ist Bushido jetzt, er hat mittlerweile Songs wie „Familie“ in petto. Der Spießer in uns hört Zeilen wie diese ganz unspöttisch: „Ich war mein ganzes Leben ganz allein auf mich gestellt/Und auf einmal da erblicktet ihr das Licht der Welt/Ich hab‘ der Frau aus meinen Träumen einen Ring gegeben/Sie hat meinem Leben durch euch wieder einen Sinn gegeben.“
Der Nachwuchs kann auf der gegenwärtigen Konzertreise begutachten, wie gut Vater Ferchichi noch in Form ist: Mit Begleit-Rapper Animus und seinem DJ Marvin California spielte Bushido ein mehr als zweieinhalbstündiges Konzert, das allerdings manchmal Längen hatte. Wobei der ausdauernde Kampfmodus, mit dem Bushido gegen eine Welt voller Gegner anrappt, die, die ihn gut finden, nie langweilt. Der Underdog, der zum König wird; damit können sich viele identifizieren.