Hamburg. Elfjähriger mit Kohlenmonoxid-Intoxikation in Klinik. Absage der Monstertruck-Shows führt zu Tumulten und scharfer Kritik von Besuchern.
Kohlenmonoxid, kurz CO, ist ein tückisches Atemgift: Man riecht es nicht, man sieht es nicht, man schmeckt es nicht. Aber schon nach relativ kurzer Zeit wirkt es lebensbedrohlich. Ausgerechnet beim gut besuchten Monstertruck-Jam in der Barclays Arena sind am Sonnabend derart hohe CO-Konzentrationen entstanden, dass ein elf Jahre alter Junge mit Verdacht auf eine schwere Kohlenmonoxid-Vergiftung in ein Krankenhaus eingeliefert und das Mammut-Event abgesagt werden musste.
Beim Monster Jam, einer durch die Welt tourenden Fahrzeugshow aus den USA, lassen die Fahrer in riesigen Trucks die Motoren röhren und die Kolben glühen. Wirklich monstermäßige Riesentrucks mit Namen wie Megalodon oder Grave Digger und bis zu 1500 PS duellieren sich, machen die verrücktesten Stunts, Überschläge und Katapult-Starts und so weiter. Die Karten in Hamburg – allein für die geplante Show am Sonnabendabend rechnete der Veranstalter nach Angaben der Polizei mit 2500 Besuchern – kosteten zwischen 40 und 100 Euro. Umweltschutz beim abgasträchtigen Spektakel? Wen interessiert’s.
Junge bei Monster Jam vergiftet: Erste Messung zeigte schon erhöhte Werte
Gegen 13 Uhr wurden bei einem Routine-Check auf das Atemgift erhöhte Kohlenmonoxid-Werte gemessen. Die Feuerwehr rückte aus, maß selbst und bestätigte die Ergebnisse. Daraufhin legte der Veranstalter eine Pause ein und lüftete durch, so die Feuerwehr – gute 20 Minuten später gaben die Monstertrucks erneut Gas. Und damit entstand auch wieder jede Menge Abgas.
Gegen 17 Uhr wurde die Feuerwehr abermals zur Sylvesterallee gerufen. Grund: Ein Elfjähriger zeigte akute Vergiftungssymptome. Welcher Art diese genau waren, konnte Feuerwehrsprecher Philipp Baumann auf Anfrage nicht sagen. Üblicherweise leiden Betroffene bei einer CO-Intoxikation unter starken Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel.
Nach Abendblatt-Informationen bestand bei dem Jungen der Verdacht einer schweren Kohlenmonoxid-Vergiftung. Vom Notarzt begleitet wurde er in ein nahe gelegenes Krankenhaus gebracht. Wenige Stunden später soll es dem Elfjährigen wieder besser gegangen sein. Noch am Abend habe er wieder nach Hause gehen können, gab die Polizei gegen 21.20 Uhr an. Es sei eine Strafanzeige wegen Körperverletzung gestellt worden.
Monster Jam in Hamburg abgesagt: Barclays Arena äußert sich
Der Veranstalter sagte nach dem Zwischenfall die restlichen Monster-Jam-Shows ab, die ursprünglich für Sonnabend um 19 Uhr sowie am Sonntag um 13 Uhr geplant waren. Die Absage führte nach Augenzeugenberichten zu Tumulten – in der Arena sollen Teller, Becher und Flaschen geflogen sein.
Nachdem der Veranstalter bezüglich der aus Sicht vieler Besucher und Ticketinhaber unzureichenden Kommunikation und ausbleibender Genesungswünsche an den verletzten Jungen kritisiert wurde, verbreitete der Betreiber der Barclays Arena am Sonntagabend schließlich eine eigene Stellungnahme zu den Vorfällen von Sonnabend.
„Im Zusammenhang mit der Veranstaltung Monster Jam musste am 6. April aufgrund einer Kohlenmonoxid-Vergiftung ein Kind im Krankenhaus ärztlich versorgt werden“, teilte die Anschutz Entertainment Group (AEG) mit. „Wir bedauern diesen Vorfall zutiefst und hoffen auf eine schnelle Genesung des Betroffenen.“
Hallenbetreiber verspricht Ermittlung der Ursachen
Sicherheit und Wohlbefinden von Gästen, Mitarbeitern und aller Beteiligten „haben für uns höchste Priorität“, hieß es weiter. „Während der Veranstaltung wurden ungewöhnliche Kohlenmonoxid-Werte festgestellt, auf die wir sofort reagiert haben.“ Daraufhin sei „in enger Abstimmung mit der zuständigen Feuerwehr und den Veranstaltern von Monster Jam die notwendige Entscheidung“ getroffen worden, die Veranstaltung erst zu unterbrechen und letztlich abzubrechen, um Risiken aller Anwesenden zu vermeiden, so AEG weiter.
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„Wir verstehen, dass alle Gäste sich auf ein unterhaltsames Erlebnis gefreut hatten und bedauern, dass der Nachmittag mit Sorge und Enttäuschung endete.“ Nun werde „in enger Zusammenarbeit“ mit den zuständigen Behörden und den Veranstaltern daran gearbeitet, die Ursachen zu ermitteln und „alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um ähnliche Vorfälle in der Zukunft zu verhindern“.
Monster Jam: „Solltet euch schämen“ – Besucher kritisieren Veranstalter scharf
Auf der Internetseite von Monster Jam hieß es zuvor, dass die zwei geplanten Shows „aufgrund operativer Einschränkungen“ gestrichen worden seien und sich Betroffene an die Ticketverkaufsstelle wenden könnten. „Sie wird Ihnen umgehend bei der Rückerstattung behilflich sein. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis und entschuldigen uns für etwaige Unannehmlichkeiten“, hieß es weiter.
Den verletzten Jungen hingegen erwähnte der Veranstalter zunächst weder auf seiner Homepage noch in den sozialen Medien. Zum Unmut einiger User. „Um die Scheiße von gestern in Hamburg zu vertuschen, postet ihr einen Haufen neue Videos – nur um die schlechten Kommentare nach unten zu schieben“, hieß es in einem Instagram-Kommentar zu einem Monster-Jam-Video. „Ihr solltet euch schämen!“
Andere Besucher der Monstertruck-Show reagierten enttäuscht und zum Teil auch verärgert, dass die Vorstellungen in Hamburg abgesagt wurden – und kritisierten die Kommunikation seitens des Veranstalters. „Sind extra nach Hamburg, und am Eingang wurde es dann mitgeteilt“, schrieb eine Frau. Der Kommentar eines Vaters, dessen Sohn die Tickets zum Geburtstag bekam, lautete: „Heartbroken for my son“. Er sprach von einer „mangelnden Kommunikation“.
Kohlenmonoxid: 60 Prozent gelten als lebensbedrohlich
Kohlenmonoxid entsteht bei der unvollständigen Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Stoffen, etwa wenn in geschlossenen Räumen gegrillt wird oder Kohle weiterglüht. Eine vierköpfige Familie wäre deshalb in Hamburg vor fünf Jahren beinahe ums Leben gekommen.
Kohlenmonoxid heftet sich an die roten Blutkörperchen und blockiert so die Aufnahme von Sauerstoff. Ab einem Wert von 50 Prozent CO-gebundener Blutkörperchen tritt Bewusstlosigkeit ein. 60 Prozent gelten als lebensbedrohlich. Bei schweren Intoxikationen kommen Betroffene in eine Druckkammer, wo sie bei Überdruck mit reinem Sauerstoff versorgt werden, um den Anteil des Sauerstoffs im Blut zu erhöhen und das CO zu verdrängen.