Hamburg. Der Kirmes-Techno war ein Riesenspaß. Und der Frontmann der Band Scooter war an Ostern ein Duracell-Hase im Powermodus.

Mensch, ist das laut. Das föhnt dir die Haare nach hinten. Hämmert ins Hirn. Zwei Biere helfen, für jedes Ohr eines: So musste man dann wohl sein erstes Konzert der großen deutschen Techno-Dada-Unternehmung Scooter angehen. Sonnabendabend, Ortstermin in der Barclays Arena. Dezibel-Delirium für alle!

„Thirty Rough And Dirty“ heißt die Tour zum neuen Album „Open Your Mind And Trousers“, Hamburg war der dritte Termin der fröhlichen Party-Rundreise, die nur verkniffene Ignoranten einen höllischen Trip des Pop-Schrotts nennen würden. 21 Uhr, los ging‘s: Scooter-Connaisseure wussten vorher, hier würde die Trickkiste der Jahrmarkt-Gaukler sofort geöffnet werden. Das musste unbedingt schon vorm ersten Song-Geballer mit amtlicher Pyro-Action losgehen. Dazu gab‘s dann übrigens aus der Extrem-Beschallungs-Anlage in der Barclays Arena Scooter-Philosophie nach Art des Hauses, Slogans für den avancierten Hedonismus. Oder so ähnlich. Also merkt euch, liebe Leute: „Three decades ago/We realised that drinking water is a waste of volume/We created a vibe that no-one had ever seen before/Now that we have almost reached our zenith/We take you to another dimension/Thirty, rough and dirty“.

Scooter in Hamburg: Zeremonienmeister des Kirmestechno

Und dann betrat unweigerlich der Zeremonienmeister des Kirmestechno die Bühne, die Hamburger Euphoriemaschine, der Ballermann-Animateur der Massen, der tiefgründige Dichterfürst H. P. Baxxter („The Question Is What Is the Question“). Umringt von Tänzerinnen, kloppte der ewige Shouter des schlechten Geschmacks sofort seine Fäuste ins Publikum.

Ein deutsches Phänomen: Wie Rammstein neigt auch Scooter zum Spiel mit dem Feuer.
Ein deutsches Phänomen: Wie Rammstein neigt auch Scooter zum Spiel mit dem Feuer. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Den Faden nahmen die geschätzt 11.000 Raverinnen und Raver gerne auf. Der „Döp-Döp-Döp“-Song kam fix, auch „We Love Hardcore“ und „Fuck 2020“. H. P. Baxxter, das Duracell-Osterhäschen aus Duvenstedt, tat das, wofür er gebucht war: Er sprang im Powermodus und wie aufgezogen über die Bühne. Ein inzwischen 60-jähriger Mann, der es immer noch mag, wenn die Bässe hart drauflos dreschen.

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Hans Peter Geerdes aus Leer in Ostfriesland ist längst eine Art Gesamtkunstwerk

Als barrierefreie mobile Dorfdisco ist Scooter längst ein Exportschlager made in Germany, wohl oder übel, und auch zu Hause ist der Exzess-Soundtrack überaus wohlgelitten. Beim Heimspiel feierte die Arena, man kann es nicht anders sagen, jedenfalls gut ab. Ohne jede österliche Besinnlichkeit, versteht sich. „Zu leise“ nannte H. P. Baxxter die Menge in der Barclays Arena am Anfang. Na, so ein Schlingel. Er wusste natürlich genau, dass er das humane Eskalationsmaterial, das da vor ihm versammelt war, gerade in seiner Stadt mit Gassenhauern wie „Ramp! The Logical Song“ hardcore hochpegeln konnte. Stimmung erzeugen als Lebenskonzept: Natürlich ist Hans Peter Geerdes aus Leer in Ostfriesland längst eine Art Gesamtkunstwerk. Ach, was soll‘s, hauen wir einen raus, der Mann ist eine Ikone der Tanzmusik. Wer würde bestreiten wollen, dass dieser schrecklich tolldreiste Lärm für die Massen eine unterhaltsame Sache ist?

Scooter und H. P. Baxxter in Hamburg: Alarm auch in der letzten Reihe

Middle-Ager mit „Always Hardcore“-Shirts zappelten, als wäre es nicht 2024, sondern 1994. Love Parade, Alter. „Waste Your Youth“ gab‘s auch, „Nessaja“ – und immer Stimmung bis in die allerletzte Reihe. Kriegt in der Barclays Arena auch nicht jeder hin.

Die Front Row bei Scooter: Vollgas in der Großraumdisco Barclays Arena
Die Front Row bei Scooter: Vollgas in der Großraumdisco Barclays Arena © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Gute Visuals auf den Leinwänden, energiegeladene Tänzerinnen (keine Tänzer) und eine „Band“ (derzeit heißen die Baxxter-Sidekicks Jay Frog und Marc Blou), die augenscheinlich ihren peinlich geilen Scheiß immer noch mit Hingabe und Spaß durchzieht: Wie Baxxter bei „Fire“ seine E-Gitarre Funken ins Publikum schießen ließ, hatte etwas, nun denn, Ansteckendes. Die Party-Flammen des Happy-Hardcore-Showmans, der immer aus allen Nebelkanonen feuert. Nix ist wirklich originell, aber alles wahnsinnig effektiv.

H. P. Baxxter mit Tänzerinnen: Es war eine runde Show in der Barclays Arena.
H. P. Baxxter mit Tänzerinnen: Es war eine runde Show in der Barclays Arena. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Scooter in Hamburg: Ein Mann, der jede Spaßbremse löst

Und „How Much Is the Fish“ in seinem Mitgröl-Nonsense ein Riesenspaß. Nennen wir H. P. Baxxter den Mann, der theoretisch jede Spaßbremse löst. Bei „God Save the Rave“ war die Barclays Arena dann endgültig das größte Schützenfestzelt der Stadt. Oder halt die am meisten brummende Großraumdisco der Republik, in der der sein Publikum beharrlich auch oft auf Englisch ansprechende („Fantastic crowd tonight!“) Baxxter zur Zufriedenheit aller die richtige Musikauswahl traf. Es waren viele 90er-Jahre-Kids da, einige von ihnen mit ihren Kindern: Ey, das habt ihr damals gehört, derbe! Und sogar fast cool!

Zum Schluss die Scooter-Oldies „Hyper, Hyper“ und „Move Your Ass!“ in einem Medley, totaler Scooter-Rums und Baxxter-Bums. Leute, die abgehen wollen, lieben so was, egal, wie alt sie sind.

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