Hamburg. Orchestre de Paris, Gastdirigent Manfred Honeck und Pianist Igor Levit spielen Ravel, Gershwin und Bartók in der Elbphilharmonie.

Ein renommiertes Orchester aus der französischen Hauptstadt, das Ravels „La Valse“ spielt – das ist schon ein bisschen wie Croissants nach Paris tragen. Das muss wie im Schlaf klappen, das sollte als Tour-Bravourstück ohne das kleinste si und mais eine funkelnde Visitenkarte sein. Unwiderstehlich charmant und von enormer Leichtigkeit Richtung Schlusstakt getragen, ist dieses Stück doch eine der raffiniertesten Walzer-Doppelbödigkeiten diesseits von Johann Strauß & Co.

Das Orchestre de Paris hatte sich für sein Hamburg-Gastspiel neben dem aus Österreich stammenden Gastdirigenten Manfred Honeck, im früheren Leben Bratscher bei den Wiener Philharmonikern, gerade diesen Klassiker des frühen 20. Jahrhunderts ausgesucht. Und es hielt, auch durch Honecks energisch tätige Mithilfe, was die Vorhoffnung versprach.

Levit in der Elbphilharmonie: Akustik des Großen Saals überzeugt

Die nötige Tiefenschärfe zum Auskosten der Details lieferte zuverlässig der Große Saal der Elbphilharmonie, so dass der Einstiegs-Dialog der Kontrabässe rechts und der Harfen links nicht nur zu ahnen, sondern auch zu hören war. Danach realisierte Honeck die Walzer-Maxime, man soll die Eins im Dreiertakt fühlen, aber bloß nicht wie einbetoniert wegdirigieren. Das Tutti spielte sich formschön in Rage, mit vielen tollen Einzelleistungen, Honeck trat mit energischem Körpereinsatz mehr als Vor-Choreograf und weniger als Ton-Techniker auf.

In Gershwins „Concerto in F“ hatte Igor Levit zwar pianistisch gut zu tun, wirkte aber dennoch seltsam, ja was eigentlich: unterfordert, leicht fehl am Platz, im nicht ganz richtigen Stück für seine Stärken und Vorlieben, die ja durchaus auch jazz-affin sind? Doch weil dieses klassisch spätromantisch strukturierte Konzert mit seinen oft gewollten Jazz-Anspielungen nicht mehr Rachmaninow, aber eben auch noch nicht Ellington ist, wurde Levit von innen heraus ausgebremst. Man spürte und hörte oft sehr, dass Gershwin beim Schreiben um des Effekts willen mit Stil-Floskeln jongliert hatte. Und dass jeder Solist oder jede Solistin das ausbaden musste.

Elbphilharmonie: Levit ganz bescheiden

Szenenapplaus nach dem ersten Satz, temperamentvoll erspielt, bis dann im zweiten Satz der Pariser Solo-Trompeter die Chance nutzte, sich mit einigen dezent anzubluesenden Soli ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu bringen. Levit war dann eher der begleitende Sidekick und nicht der Star. Störte ihn aber nicht weiter, der dritte Satz machte dieses kleine Defizit ja rasant wieder wett. Seine Zugabe, eine fröhlich dahinplänkelnde Version von „’S Wonderful“, wurde aber dennoch eindeutig der interessantere Gershwin des Abends.

In der Pause hatte sich Honeck offenbar grundsätzlich neu gepolt: Aus dem aufgedrehten Dompteur bei Ravel wurde für Bartòks „Konzert für Orchester“ zunächst der klare Analytiker, der weiß, dass sich dieses Meisterwerk beileibe nicht von selbst spielt, sondern eine architektonisch ausgebildete Zielstrebigkeit und straff durchgezogene Signale ins Tutti benötigt, um den Bauplan der Partitur zu Musik werden zu lassen. Gefühligkeiten haben in dieser Klang-Welt nichts zu suchen, es ging Honeck erfreulicherweise einzig um Ursachen und ihre Wirkungen, nicht ums Effektheischen.

Leicht anstrengende Musik, für alle auf der Bühne und ebenso im Saal. Honecks Zugriff sorgte aber dafür, dass die Begeisterung für Bartòk so groß ausfiel, als wäre man gerade mit einem Publikumsliebling beglückt worden. Die Zugabe allerdings – etwas „Rosenkavalier“-Walzerei als Genre-Rückblende zum Beginn des Konzerts – hätte derart brachial auf Show heruntergerumpelt wirklich nicht sein müssen.