Hamburg. „#übelst_unverstärkt“ brachte Kammermusik und Talk ins Uebel & Gefährlich. Die Sitzreihen im Feldstraßenbunker waren rappelvoll.
Dunkel, stickig und die Bar geschlossen ab dem ersten Live-Ton. Na super. Das sei für ihn der „Inbegriff einer tollen Konzerterfahrung“, meinte Alan Gilbert dennoch unverdrossen, bevor es losging und er, ansonsten als NDR-Chefdirigent die sprichwörtliche erste Geige spielend, stattdessen zur Bratsche griff und sich in ein Klavierquintett einreihte.
Seit gut zweieinhalb Jahren, in etwa eine Pandemie-Dauer also, konnte das NDR-Orchester coronabedingt keine „#übelst_unverstärkt“-Abende im Uebel & Gefährlich im Feldstraßenbunker realisieren, um anderes, vor allem: jüngeres Publikum an anderen Orten als der Elbphilharmonie zu treffen.
Lokalrunde mit NDR-Chefdirigent im Uebel & Gefährlich
Das kam reichlich. Im Kartenpreis inbegriffen ist immer auch eine Runde lockermachendes Plaudern (die Moderation übernahm ein weiteres Mal NDR-Hornistin Amanda Kleinbart), ohne Werkeinführung, lieber mit Persönlichem. Was gespielt wird, ist nicht egal, wichtiger aber ist die Nähe zum Ton. Ein Herr in der ersten Reihe, weit vorgebeugt, hätte ziemlich mühelos beim Umblättern der Noten auf den vorderen Pulten behilflich sein können.
Jetzt also, wieder, schnell noch eine Lokalrunde mit César Francks Klavierquintett am späteren Abend im Medienbunker, vor der Sommerpause fürs Tutti und wer weiß welchen Infektionszahlen im Herbst. Die auf mehr als 300 Gäste ausgelegten Sitzreihen waren jedenfalls rappelvoll, alle Barhocker und auch die Sitzkissen weiter hinten gut belegt.
Und dass trotz 28 Grad draußen und obwohl Francks f-Moll-Spätwerk alles andere als leicht verdaulich ist. Eines dieser wuchtig spätromantischen Kammermusik-Schwergewichte, in denen es die Musik ständig zu Größerem drängt; obwohl ein Streichquartett und ein Klavier vorgeschrieben sind, will die Musik orchestral sein und hat das Ego einer ausgewachsenen Sinfonie. Es braucht Kraft, Nervenstärke und Kondition, um bei so viel Substanz-Forderung nicht zu schwächeln.
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NDR-Quintett im Uebel & Gefährlich: horizonterweiternde Musik
Das NDR-Quintett mit Gilbert im Mittelstimmenbereich und seinem Conductor Fellow Simon Crawford-Phillips am Flügel, nicht schon seit Jahren aufeinander eingespielt, kam aber angenehm harmonisch durch diesen dreisätzigen Stresstest. Das Einfädeln ins Stimmengeflecht und Unterordnen bereitete Gilbert keinerlei Probleme, mit dieser Spielpraxis-Erfahrung ist er schließlich groß geworden.
Ernsthaft, eindringlich und charakterlich geschlossen arbeiteten sich auch Barbara Gruszczynska, Madeleine Vaillancourt und Christopher Franzius durch ihre harmonisch komplexen und dramaturgisch fordernden Parts. Keine Musik für Nebenbei zum dritten Bier, trotzdem oder besser noch: genau deswegen ein Abend, der lieferte, was er versprach. Gut gespielte, horizonterweiternde Musik.
Nächster Termin: 29.9. Brahms’ Streichsextett op. 18 mit Gautier Capuçon (Cello)