Hamburg. „Ich sehe was, was du nicht siehst“, das Kunstspiel zum Mitmachen. Diese Woche: „Waldinneres bei Mondschein“ von C. D. Friedrich.
Bei Caspar David Friedrichs „Watzmann“ (1824/25) und dem von Alex Grein geschaffenen Bild „Terra I“ (2010) konnte man sehr schön ablesen, wie die Düsseldorfer Medienkünstlerin sich bei Bildkomposition und Farbigkeit am Romantik-Maler orientiert hat. Dieses Mal geht das Kunstspiel in eine Richtung, die sich bei „Ich sehe was, was du nicht siehst“ zuletzt schon beim „Gespensterwald“ (2014/15) des Berliner Künstlers Andreas Mühe zeigte: In der großformatigen Fotografie werden Mond und Wald, zentrale Motive der Romantik, aufgegriffen. Außerdem ist eine winzige Männergestalt nackt dastehend zu sehen – als Verweis darauf, wie klein und unbedeutend der Mensch in der übermächtigen Natur ist und wie groß dessen Sehnsucht nach dieser ist.
Nun folgt das Werk, das Mühe offensichtlich als Vorbild diente: „Waldinneres bei Mondschein“. Das 70,5 mal 49 Zentimeter große Ölgemälde, das zwischen 1823 und 1830 entstand, ist eine Leihgabe aus der Berliner Nationalgalerie für die Ausstellung „Caspar David Friedrich. Kunst für eine neue Zeit“ (noch bis 1. April in der Galerie der Gegenwart). Viele Bilder Friedrichs haben eine bewegte Vergangenheit und abenteuerliche Reise hinter sich. Darüber schreibt der Autor Florian Illies sehr unterhaltsam und spannend in seinem Buch „Zauber der Stille“. Auch „Waldinneres bei Mondschein“ gehört dazu. Bis es 1992 im Kunsthandel auftauchte, war es der Forschung gänzlich unbekannt. Das Gemälde gehörte einst dem Berliner Verleger und Kunstsammler Georg Andreas Reimer und wurde für die Nationalgalerie erworben.
Gemälde von Caspar David Friedrich: Wie deutsch ist der Wald?
Die Atmosphäre in beiden Bildern ist vergleichbar: Ebenso wie im „Gespensterwald“ scheint auch hier ein kühler Vollmond durch die hoch aufragenden Kiefern (bei Mühe waren die Äste allerdings kahler). Gerodete Berghänge, links und rechts im Bild, gibt es aber auch schon beim großen Romantiker. „In dieser gebirgigen Waldlandschaft ist das wunderbar strahlende Blau des nächtlichen Himmels der bildbeherrschende Klang“, schreibt Birgit Verwiebe im Ausstellungskatalog und verweist auf die Reisen, die der Maler in die Sächsische Schweiz, den Harz und das Riesengebirge unternahm und ihn zu zahlreichen Küsten- und Gebirgslandschaften inspirierten. Für die Kunsthistorikerin hat der Wald eine „nahezu immaterielle Qualität“ und erscheint als „entrückter Bereich, der im intensiv leuchtenden Blau des Nachthimmels einen gesteigerten Ausdruck findet und die Unermesslichkeit des Universums spürbar werden lässt“.
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Umso mehr im Hinblick auf die beiden Figuren im Bildvordergrund: Dort haben eine Frau und ein Mann ihr Lager in einer Felsenhöhle aufgeschlagen und ein Feuer entzündet, auf dem sie sich ein Essen erwärmen. Baumwurzeln ragen von oben aus dem Boden in ihre Zuflucht. Wie so oft bei Friedrich, sehen wir nur ihre Rückenansicht. Ob sich die beiden im Wald verirrt haben und sich nun von ihrer Erschöpfung ausruhen und warum sie überhaupt des Nachts im Wald unterwegs sind, darauf gibt das Bild keine Antwort. Der Wald, als Inbegriff deutscher Landschaft, wirkt hier ebenso übermächtig wie im Bild von Andreas Mühe und gewährt dem Mensch doch Schutz. Beide Bilder könnten für die existentielle Frage stehen: Aber wer weiß, wie lange noch?