Die Stadtbahn ist das Prestigeprojekt der GAL. Doch die erste Kostenschätzung wird die Diskussion weiter anheizen.
Hamburg. Die geplante Stadtbahn bleibt für die Grünen eine Herzensangelegenheit. "Die Stadtbahn muss kommen. Es wäre nicht klug, dieses wichtige Vorhaben auf Eis zu legen", sagt die GAL-Verkehrsexpertin Martina Gregersen - wohl wissend, dass das Lieblingsprojekt ihrer Partei angesichts der desaströsen Haushaltslage zur Disposition steht. Auch Enno Isermann, Sprecher der zuständigen Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, beteuert tapfer: "Dieses Verkehrsmittel ist für die Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs zwingend erforderlich."
+++ Mehrheit der Hamburger lehnt Bau der Stadtbahn ab +++
Die jetzt vorliegende erste Kostenschätzung dürfte die Diskussion um das neue Verkehrsmittel dagegen weiter anheizen. Noch sind die Zahlen, die die Planer der Hochbahn errechnet haben, streng geheim und werden derzeit von den Fachleuten in der BSU geprüft. Nach Abendblatt-Informationen wird der erste rund 7,7 Kilometer lange Streckenabschnitt zwischen dem Bramfelder Dorfplatz und der Kellinghusenstraße mindestens 138 Millionen Euro kosten.
Dazu kommen noch rund 60 Millionen Euro für einen neuen Betriebshof und die Anschaffung der Fahrzeuge. Eine Straßenbahn wird gut drei Millionen Euro kosten. Bislang hieß es nur, dass ein Kilometer mit 15 bis 20 Millionen Euro zu Buche schlagen würde. Nun ist klar: Es werden mindestens 18 Millionen sein. SPD-Verkehrsexpertin Martina Koeppen kündigte bereits an: "Wir sind sehr gespannt auf die offizielle Bekanntgabe der Zahlen und werden diese genau unter die Lupe nehmen." Aber Koeppen sagt auch: "Die Stadtbahn an sich ist ein wichtiges Projekt für die Stadt."
Bis 2020 könnte das Stadtbahnnetz mehr als 30 Kilometer umfassen. Erst dann rechnet es sich auch: "Wie bei allen Infrastrukturprojekten gilt auch bei der Stadtbahn, dass erst ab einer bestimmten Strecke der Betrieb wirtschaftlich ist", sagt Sprecher Christoph Kreienbaum. Bis dahin wird es also alljährliche Defizite geben.
Was es für die Befürworter angesichts der Haushaltslage nicht einfacher macht. Im Betriebshaushalt klafft eine Lücke von einer halben Milliarde Euro. Deshalb hatte Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) angekündigt, dass 94 Projekte auf den Prüfstand gestellt werden sollen. Dazu zählt auch die Stadtbahn. Dass diese auf keinen Fall verwirklicht werden darf, fordert der Bund der Steuerzahler Hamburg: "Wir haben in Zeiten leerer Kassen kein Geld für einen solchen Leuchtturm auf der Straße. Das wäre purer Luxus, denn es besteht kein dringender Bedarf für ein solches Verkehrsmittel", sagt Geschäftsführer Marcel Schweitzer. Der Senat müsse nun zunächst seine Finanzen in Ordnung bringen und deshalb mutig Projekte streichen, so Schweitzer weiter. Auch Jan Meyer, Landesvorsitzender der Jungen Union, sagt: "Der Senat muss in diesen schwierigen Zeiten überlegen, ob er an einem solchen Prestigeprojekt noch länger festhalten will."
Auf ihrer Landesmitgliederversammlung verabschiedeten die JU-Delegierten am Wochenende einen Antrag zur Haushaltskonsolidierung mit zehn Sparvorschlägen. Darin geht es auch um die Verschiebung der Stadtbahn. Der Forderung der Jungen Union will sich CDU-Verkehrsexperte Klaus-Peter Hesse nicht anschließen, sagt aber: "Natürlich kann die Stadtbahn nur dann gebaut werden, wenn das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt. Alles andere wäre verantwortungslos." Das Projekt sei Teil des Koalitionsvertrags und wäre ein Gewinn für den öffentlichen Personennahverkehr, so Hesse weiter.
GAL-Verkehrsexpertin Gregersen ist von den Vorteilen überzeugt: "Durch die Stadtbahn würden endlich die Stadtteile Steilshoop und Bramfeld an die Schiene angebunden." Außerdem sei dieses Verkehrsmittel barrierefrei, umweltfreundlicher als Busse und vor allem leise, schneller und bequemer.
Der bisherige Zeitplan sieht vor, dass in Kürze das Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden soll. Der erste Spatenstich soll 2012 erfolgen und der Streckenabschnitt zwischen Bramfelder Dorfplatz und Kellinghusenstraße 2014 eröffnet werden. Dieser soll dann bis Altona weitergeführt werden. Wenn es nach Hochbahnchef Günter Elste geht, könnte das bis 2016 realisiert werden, sofern das Tempo angezogen wird und die Planungen parallel zum ersten Abschnitt erfolgen. Die Einhaltung optimistischer Zeitpläne bei Großprojekten gehörte in der Vergangenheit allerdings nicht zu Hamburgs Stärken.