Die SPD will Projekte durchsetzen. Interview mit Michael Sachs, dem designierten Staatsrat der Hamburger Stadtentwicklungsbehörde.
Hamburg. Mehr Wohnraum hat Vorrang. Hamburgs neuer Senat will sein Wohnungsbauprogramm auch gegen Widerstände der Bürger vor Ort durchsetzen. "Wir haben eine parlamentarische, eine repräsentative Demokratie. Und die muss in der Lage sein, Entscheidungen zu treffen, die den Bürgerinnen und Bürgern manchmal nicht gefallen, aber im gesamtstädtischen Interesse sind", sagte der künftige Staatsrat der Stadtentwicklungsbehörde, Michael Sachs, dem Abendblatt.
Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte die Forcierung des Wohnungsbaus als eine der wichtigsten Aufgaben seines Senats bezeichnet. Ziel sei es, 6000 Wohnungen pro Jahr neu zu bauen. In den vergangenen Jahren waren es rund 3000 gewesen. Ein Drittel der Bauten sollen Sozialwohnungen sein.
+++ Interview mit Michael Sachs +++
Um die Ziele zu erreichen, will Sachs Bürgerbegehren "gegebenenfalls auch mal überstimmen". Gleichzeitig forderte er die Bezirke auf, das Ziel besser als bisher zu unterstützen. Viele Bezirkspolitiker hätten sich in der Vergangenheit immer den Bürgerprotesten angeschlossen, das müsse sich ändern.
Neue Proteste sind angesichts der Senatspläne programmiert. Denn es wird eine massive bauliche Verdichtung geben. "Hamburg wird in vielen Bereichen einen mehr städtischen Charakter erhalten", sagt Andy Grote, Wohnungsbauexperte der SPD-Fraktion. Baulücken sollen geschlossen, Grünflächen bebaut und Büros in Wohnungen umgewandelt werden. Dazu soll es ein "Potenzialflächen-Kataster" geben, in dem alle Areale aufgeführt werden, die theoretisch bebaut werden können.
Um mehr und preisgünstiger bauen zu können, will die SPD auch die ökologischen Standards überdenken. Der schwarz-grüne Senat wollte Wohnungsbauten nur dann fördern, wenn sie dem Passivhaus-Standard entsprechen, also besonders hohe Ansprüche an Wärmedämmung und Heiztechnik erfüllen. Damit wird Schluss sein. "Es muss aufhören, dass auf die bundesweit geltenden Anforderungen noch draufgesattelt wird", sagte Grote dem Abendblatt.
Zurzeit gibt es knapp 80 geplante Projekte mit zusammen mehr als 20.000 Wohnungen in Hamburg. Etwa 7000 davon sollen in diesem und im kommenden Jahr fertiggestellt werden. Die Widerstände der Bürger sind noch vergleichsweise gering: Drei Bürgerbegehren gibt es, gegen fünf weitere Projekte formiert sich der Protest - auch gegen das größte Vorhaben, die "Neue Mitte Altona" am Bahnhof, wo mehr als 2000 Wohnungen entstehen sollen. Die frühzeitige Beteiligung der Bürger an den Planungen wird dort eine entscheidende Rolle spielen. Gelingt sie nicht, droht wie in Stuttgart ein "Altona 21"-Protestszenario. Die Planungshoheit hat die Stadtentwicklungsbehörde an sich gezogen.
Die Bezirksamtsleiter gehen unterschiedlich mit Widerstandsaktionen vor Ort um. Markus Schreiber (Mitte) möchte erreichen, dass Bürgerbegehren gegen Wohnungsbauten gar nicht mehr möglich sein dürfen. "Wir müssen versuchen im Vorfeld Kompromisse zu finden", so Schreiber. So argumentieren auch seine Kollegen, gehen aber nicht so weit, Bürgerbegehren abschaffen zu wollen. "Die Einstellung, wir brauchen mehr Wohnungen, aber nicht bei mir, sollte es aber nicht mehr geben", sagt Wolfgang Kopitzsch, Verwaltungschef im Bezirk Nord.