Das Aus der Koalition wird stärker der Ahlhaus-Partei angelastet als den Grünen. Jeder dritte Unions-Anhänger würde Scholz wählen
Hamburg. Der kleine Partner geht auf die Barrikaden und kündigt die Koalition auf - aber die Verantwortung dafür sehen die Wähler hauptsächlich beim verlassenen großen Partner. Das ist die etwas überraschende Erkenntnis aus einer Umfrage des Psephos-Instituts im Auftrag des Abendblatts. Demnach sehen 25 Prozent der Befragten die Schuld für das Scheitern von Schwarz-Grün in Hamburg bei der GAL, aber 33 Prozent bei der CDU. Ebenfalls 33 Prozent der Befragten machen beide Ex-Partner gleichermaßen für das Aus verantwortlich. Zehn Prozent haben keine dezidierte Meinung.
Auch unter CDU-Wählern sehen 15 Prozent die Schuld bei der "eigenen" Partei und 37 Prozent bei beiden Parteien, während "nur" 42 Prozent dem früheren Partner die Verantwortung anlasten. Unter GAL-Anhängern ist das Meinungsbild viel deutlicher: 70 Prozent machen die CDU für das Ende der Koalition verantwortlich, nur drei Prozent die Grünen und 24 Prozent beide. Starke Unterschiede ergeben sich auch mit Blick auf Alter und die Bildung der Befragten. Tendenz: Je älter die Wähler, desto eher sehen sie die Schuld bei der GAL und nicht bei der CDU, während es sich mit steigendem Bildungsgrad der Befragten genau umgekehrt verhält - ein Indiz dafür, dass die Anhänger der Grünen überwiegend dem Bildungsbürgertum zuzurechnen sind.
Die Bewertung der Schuldfrage überrascht, weil vor allem die GAL das Bündnis zuletzt mehrfach infrage gestellt hatte. Schon nach dem verlorenen Volksentscheid um die Primarschule am 18. Juli und dem am selben Tag verkündeten Rücktritt von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hatten die Grünen lange gezaudert, ob sie die Koalition fortsetzen sollen. Ein Grund waren Vorbehalte gegenüber dem als wesentlich konservativer eingeschätzten Beust-Nachfolger Christoph Ahlhaus. Auch dessen Festhalten an dem durch ein Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zur Untreue belasteten Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) hatten die Grünen intern kritisiert, aber akzeptiert.
Als Frigge vergangene Woche seinen Rücktritt ankündigte und mit Rüdiger Kruse (CDU) ein ausgesprochen "grüner" Nachfolger präsentiert wurde, hätte dies das Bündnis sogar stabilisieren können. Doch das Gegenteil trat ein: Vor die Frage gestellt, ob sie Kruse wählen und damit auch den schwarz-grünen Senat erneut bestätigen sollte, entschied sich die GAL für den Ausstieg. Viele CDU-Politiker verstehen das nicht und verweisen auf ein bis zuletzt harmonisches Verhältnis. Die Grünen hingegen begründen das Aus damit, die Koalition habe nicht mehr funktioniert, Absprachen seien nicht eingehalten und die GAL mehrfach düpiert worden.
Bei den Wählern hatte das Bündnis auch verspielt. 60 Prozent begrüßen in der Umfrage das Aus. Nur 24 Prozent bedauern, dass das erste schwarz-grüne Bündnis auf Länderebene nach zweieinhalb Jahren geplatzt ist. Selbst unter CDU-Wählern halten es 53 Prozent der Befragten für gut, dass es nun am 20. Februar zu Neuwahlen kommt, 38 Prozent bedauern das. Bei GAL-Wählern ist das Verhältnis 60 zu 22 Prozent.
Größter Profiteur des schwarz-grünen Zerwürfnisses ist die SPD: Würde die Bürgerschaft schon am Sonntag gewählt, käme sie auf 45 Prozent - knapp elf Prozentpunkte mehr als bei der Wahl 2008. Auch die GAL würde sich stark verbessern: von 9,6 auf 14 Prozent. Verlierer wäre die CDU, die von 42,6 auf 28 Prozent absacken würde. Die Linke bleibt stabil bei sechs Prozent, die FDP würde mit drei Prozent erneut den Einzug in die Bürgerschaft verpassen. Von den 1002 repräsentativ ausgesuchten Wählern entschieden sich 81 Prozent schon für eine Partei. Lediglich 19 Prozent sagten, sie würden nicht wählen oder seien noch unentschlossen.
Bei einer Direktwahl des Bürgermeisters würden 56 Prozent für Olaf Scholz (SPD) stimmen, 21 Prozent für Amtsinhaber Christoph Ahlhaus (CDU). 23 Prozent sind unentschieden. Selbst unter CDU-Wählern liegt Ahlhaus gegenüber Scholz nur mit 40 zu 36 Prozent vorn. Immerhin: Während der SPD-Chef bei Männern mit 62 zu 19 Prozent vor Ahlhaus liegt, würden 51 Prozent der Frauen für Scholz stimmen - und 23 Prozent für Ahlhaus.