Ernst-August Landschulze besitzt Dutzende Wohnungen. Mindestens 22 lässt er unvermietet, viele andere verkommen. Verwaltung wird oft verklagt.
Hamburg. Die Klingeln neben der Haustür sind alle beschriftet. In drei Stockwerken des Altbaus öffnet dennoch niemand die Tür. Aus den Briefkästen im Hausflur quellen Werbebroschüren hervor. Auf Speisekarten preist ein Pizza-Lieferservice seinen Sommer-Salat an. Die Stromzähler hinter den zerstörten Plastikfenstern stehen still. Jeder Schritt in dem düsteren Treppenhaus hallt an den Graffiti-beschmierten Wänden wider. Die nackte Glühbirne an der Decke ist kaputt. Nur durch das schmutzige Fenster an der Treppe kämpft sich ein wenig Licht. Im dritten Stock sind die Fensterscheiben zerschlagen. Die Klinke an einer Wohnungstür fehlt. An der vergilbten Tür kleben Spinnweben. Niemand öffnet.
Vier Wohnungen stehen in dem Eckhaus Susannenstraße 43 leer. Seit drei, zum Teil sogar seit fünf Jahren. Dabei steht der Altbau mitten im Schanzenviertel, in dem potenzielle Mieter bei Besichtigungen bis auf den Bürgersteig Schlange stehen und bereit sind, horrende Preise zu zahlen.
Ein Mieter, der seinen Namen nicht nennen möchte, lebt seit drei Jahrzehnten in der Susannenstraße 43. Seine Klingel ist kaputt. Schon seit über einem Jahr. Der Vermieter kümmere sich nicht darum, sagt der Mittsechziger. Genauso wenig scheint es den Hauseigentümer zu interessieren, dass die etwa 60 Quadratmeter große Wohnung des Mieters von Schimmel befallen ist und der Rentner deshalb seit zehn Jahren die Miete um rund 40 Prozent mindert. "Vor drei, vier Jahren waren mal die Handwerker da.
Aber nach zwei Wochen waren meine Wände wieder schwarz." Seitdem unternimmt der Hauseigentümer nichts. Weder beseitigt er den Schimmel noch geht er gegen die Mietminderung vor. "An Geld mangelt es ihm wohl nicht", sagt der Mann. Dennoch habe der Vermieter das Haus jahrelang verkommen lassen. "Er kümmert sich nur um das Nötigste." Und auch die Sanierungsarbeiten in den leer stehenden Wohnungen kämen nur schleppend voran. Ausziehen kommt für ihn trotzdem nicht infrage. "Wo soll ich denn hin mit meiner kleinen Rente?" Vor allem will der Mittsechziger nirgends woandershin. Er ist verwachsen mit dem Viertel. Hier ist sein Zuhause.
Auch der Eigentümer der Susannenstraße 43 hat eine besondere Verbindung zur Schanze. Denn das Haus an der Ecke Susannenstraße/Schulterblatt ist nicht das einzige Objekt, das er besitzt. Nach Informationen des Abendblatts gehören seiner Immobilienfirma allein in der Schanze und Umgebung 24 Häuser, in denen einige Wohnungen noch mit Kohleöfen ausgestattet sind. Sein Name ist Ernst-August Landschulze. Er ist bekannt in dem Eins-a-Lage-Quartier, in dem er Häuser vernachlässigt und trotz akuter Wohnungsnot 22 Wohnungen zum Teil seit Jahren leer stehen lässt.
Das Abendblatt hat sich auf Spurensuche begeben, um mit dem Vermieter zu sprechen. Beim ersten Versuch trafen wir Ernst-August Landschulze vor seinem Privathaus an, zusammen mit seinem Sohn. Das Angebot, sich für ein persönliches Gespräch zu verabreden, lehnte der Sohn harsch mit den Worten "Wir sagen nichts dazu" ab. Ernst-August Landschulze äußerte sich gar nicht. Anschließend schickte das Abendblatt einen Brief mit 13 konkreten Fragen an die Privatadresse von Ernst-August Landschulze. Das Schreiben ging zeitgleich an seinen Anwalt und an die Grundstücksverwaltung Landschulze. Wir gaben ihm für eine Stellungnahme drei Tage Zeit. Sein Anwalt teilte mit, dass sein Mandant mehr Zeit benötigte. Das Abendblatt gewährte vier zusätzliche Tage. Ernst-August Landschulze äußerte sich dennoch nicht.
Dem Verein "Mieter helfen Mietern" ist der Hauseigentümer gut bekannt. Er hat die Bezirksämter Altona und Mitte über 21 der leer stehenden Wohnungen informiert, Leerstands- und Zweckentfremdungsanzeige erstattet. Konsequenzen hat Ernst-August Landschulze noch nicht zu spüren bekommen. Bei Wohnungen, zu denen er sich gegenüber der Verwaltung äußern musste, hat er bislang angegeben, dass die Sanierungsarbeiten noch nicht abgeschlossen seien. In einem Schreiben zu den vier Wohnungen in der Susannenstraße 43, das dem Abendblatt vorliegt, gibt er an, dass eine "umfangreiche Neuverlegung von Frisch- und Abwasserleitungen" erforderlich sei. Rechtlich ist das in Ordnung. Nur wenn es länger als ein Jahr keine Bautätigkeit gibt, würde er gegen geltendes Recht verstoßen.
Warum aber verschleppt Ernst-August Landschulze - ein Diplom-Ingenieur - Sanierungen und lässt Wohnungen über Jahre leer stehen? Ökonomisch gesehen ist das nicht nachvollziehbar. Geht man pro leer stehender Wohnung von einer Mieteinnahme von nur 300 Euro im Monat aus, verzichtet der Hauseigentümer jedes Jahr auf rund 79 000 Euro.
Auch die Bezeichnung Immobilien-Hai trifft auf den älteren Herrn nicht zu. Er scheint nicht die Absicht zu haben, die Bewohner zu vertreiben, um die Immobilien zu verkaufen oder luxuriös zu sanieren. Und so macht er den Mietern auch keine Abfindungsangebote.
Merkwürdiger Kauz. Distanziert. Grantig. Unzugänglich. Diese Begriffe fallen häufig, wenn andere Menschen Ernst-August Landschulze beschreiben sollen. Der kleine Mann mit dem akkurat gestutzten weißen Henri-Quatre-Bart und der Schiebermütze ist vielen Bewohnern der Schanze ein Begriff. Wie ein Großgrundbesitzer laufe er mit seinem patriarchalischen Auftreten durch die Straßen. "Er grüßt nie als Erster, er grüßt nur zurück", sagt eine Mieterin. Ein Mann der großen Worte ist Ernst-August Landschulze ohnehin nicht. Eher einsilbig. Reserviert.
Und offenbar dickköpfig. "Ernst-August Landschulze ist bekannt für Sanierungsstaus", sagt Marc Meyer von "Mieter helfen Mietern". Wohnungsmängel würden nur nach gerichtlichen Klagen beseitigt.
Vor rund 15 Jahren sei Landschulze im Schanzenviertel aufgetaucht, sagt Wolfgang Meins. Der Rechtsanwalt hatte seitdem gut zu klagen. "Herr Landschulze hat damals auf einen Schlag eine Menge Häuser von Conle gekauft. Altbau. Alles nicht besonders gut in Schuss. Seitdem gab es für mich immer was zu tun", erinnert sich Meins. Conle, damit meint er den Duisburger Immobilien-Mogul Henning Conle, der jahrelang negative Schlagzeilen machte. Der Grund: Der Vermieter ließ Reparaturen nur selten erledigen, Instandsetzungen gingen nie über ein Minimum hinaus.
Ernst-August Landschulze setzte diesen Stil fort. "Er hat Häuser verkommen lassen, sie mit den billigsten Mitteln geflickt", sagt Meins. "In den vergangenen Jahren habe ich rund 15 Mieter vertreten, einige mehrfach." Neben Ernst-August Landschulze traten auch sein Sohn und seine Tochter vor Gericht auf, die ebenfalls über die Grundstücksverwaltung Landschulze aktiv sind. In 80 bis 90 Prozent der Fälle hat er gewonnen, sagt Meins. "Gute Quote."
Nachvollziehen kann Wolfgang Meins das Verhalten der Grundstücksverwaltung Landschulze nicht - wie so viele. "Es ist verschenktes Geld, dass er Wohnungen für so lange Zeit leer stehen lässt", sagt der Anwalt. Wie auch die aussichtslosen Prozesse, die er führe.
Logisch klingt höchstens eine Erklärung: Ernst-August Landschulze ist ein Sturkopf. Vielleicht geht es ihm ums Prinzip. Sich etwas vorschreiben zu lassen scheint ihm zuwider zu sein. Das gilt, wenn man den Aussagen einiger Mieter glauben darf, auch für seinen Sohn. Der habe nichts zu melden.
Gefürchtet wird Landschulze junior dennoch. "Der Sohn hat nur die Dollarzeichen in den Augen", sagt eine Bewohnerin aus dem Landschulze-Haus Susannenstraße 6. "Wenn sein Vater stirbt, wird er doch alles sofort verkaufen. Wer weiß, was dann kommt?" Auch sie mindert die Miete seit Jahren. "Wenn etwas kaputt ist, behauptet er oft, das sei schon vorher so gewesen. Oder ich solle mich nicht so anstellen." Und wenn er mal Handwerker vorbeischicke, seien das meistens keine Fachleute. "Dann kommt etwa ein Pole mit zwei Plastiktüten statt einem Werkzeugkoffer in der Hand vorbei."
Ernst-August Landschulze kann aber auch durchaus ein Mann der Tat sein. Bis vor Kurzem ist er sogar noch auf Baugerüsten kletternd gesichtet worden. Um seine Angestellten im Auge zu behalten. Oder auch, um zu demonstrieren, wer das Sagen hat.
Momentan kraxelt er sicher nicht auf Gerüsten rum. Ernst-August Landschulze wirkt gebrechlich. Der Familienvater mit den wachen hellblauen Augen geht gebückt, lässt sich von seinem Sohn fahren. Ansonsten ist sein Auftreten eher schlicht und bescheiden. Er legt Wert auf ein gepflegtes Äußeres. Aber auffallen will er nicht. Kein Protzen. Er lebt mit seiner Frau auch nicht in einer schneeweißen Villa an der Elbchaussee, sondern an einer viel befahrenen Straße in Wandsbek. Die Fassade könnte einen neuen Anstrich vertragen.
Einen hübscheren Anblick bietet das Haus Juliusstraße 40. 2006 ließ die Grundstücksverwaltung Landschulze die zweite Haushälfte, die im Krieg ausgebrannt war, nach Originalvorlagen wieder aufbauen. Mit anmutigem Stuck an der Fassade und kleinen verspielten Giebeln. Selbst in dem Imbiss, der im Mai 2010 ins Erdgeschoss einzog, hat Landschulze mit viel Liebe zum Detail die Fliesen ausgesucht. Schön ist es, das Haus. An Miet-Interessenten würde es sicher nicht mangeln. Trotzdem sind zwei der drei Wohnungen in dem Gebäude leer, das im Oktober von sieben Aktivisten kurzzeitig besetzt wurde, aus Protest gegen den Leerstand. "Diese Zustände müssen von der Öffentlichkeit geradezu als Provokation verstanden werden", sagt Rüdiger Dohrendorf. Er ist Sprecher der Stadterneuerungsgesellschaft (Steg).
Charlotte Schmidt, die ihren richtigen Namen nicht nennen möchte, ist die einzige Mieterin in dem Eckhaus. "Alle anderen Bewohner hat der Vermieter rausgeklagt. Bei mir hat er es auch versucht", sagt die alleinerziehende Mutter, deren Wohnung 477 Euro kalt kostet. Aber mit den zwei Räumungsklagen sei er nicht erfolgreich gewesen. Von außen sehe das Haus seit der 2008 abgeschlossenen Sanierung schön aus. "Aber innen gehen die Arbeiten im Schneckentempo voran."
Aber nicht alle Mieter liegen im Clinch mit Ernst-August Landschulze. Manche mögen den sturen alten Mann sogar. "Er setzt sich dafür ein, dass alte Bausubstanz erhalten bleibt", sagt ein Gastronom, der in einem Landschulze-Haus seine Kneipe betreibt. Das sei bewundernswert. "Und nicht jeder wäre bereit gewesen, das Haus an der Juliusstraße nach Originalplänen wieder aufzubauen. Das ist doch großartig." Mit seinem Lob für Ernst-August Landschulze steht er recht allein da. Für die meisten Mieter bleibt Landschulze eine undurchsichtige Person. Ein Herr Leerstand.