Neue Serie, 1. Teil: Ausblick auf geplante oder im Bau befindliche Wohnungen im Bezirk Mitte
Die Aula in der Pestalozzi-Schule in St. Pauli ist fast bis auf den letzten Platz besetzt. Der Bezirk Mitte hat zur öffentlichen Plandiskussion "Pestalozzi-Quartier" geladen. Die Gelegenheit für die Anwohner, zu erfahren, was in ihrer Nachbarschaft gebaut werden soll, und Fragen zum Projekt zu stellen. Geplant ist, dass auf dem ehemaligen Schulgelände 85 neue Wohnungen entstehen. "Als im Jahre 2005 klar war, dass die Schule geschlossen wird, hatten wir zunächst an den Bau von mehr als 100 Wohnungen gedacht", erklärt Michael Mathe, der Leiter des Fachamtes für Stadt- und Landschaftsplanung im Bezirk. Man habe sich letztlich aber für eine lockerere Bebauung entschieden, da das nicht nur den künftigen Bewohnern, sondern dem gesamten Quartier zugute kommen werde. Befürchtungen der in der Aula versammelten Anwohner, hier würden Luxuswohnungen für wohlhabende Hamburger entstehen, die die Gentrifizierung (Prozess der Aufwertung) St. Paulis weiter vorantreiben, kann Mathe zerstreuen.
Mit Protest ist nicht zu rechnen, da bezahlbarer Wohnraum entsteht
Das "Pestalozzi-Quartier" gehört zum Sanierungsgebiet Wohlwillstraße. Hier werden ein privater Investor und eine Baugenossenschaft "bezahlbaren Wohnraum für Familien, Senioren und für eine Baugemeinschaft" schaffen, so Mathe. Protest wie gegen das geplante Bernhard-Nocht-Quartier in St. Pauli Süd ist hier nicht zu befürchten.
Das Bauvorhaben "Pestalozzi-Quartier" ist nur eines von vielen, die rund um die City verwirklicht werden. In St. Pauli, St. Georg - in beiden Vierteln baut Gesa Bau - und im Portugiesenviertel suchen insbesondere junge Menschen händeringend nach Wohnungen. Bei großer Nachfrage und knappem Angebot steigen die Preise - selbst in Straßenzügen, auf die noch vor einigen Jahren kein Investor gesetzt hätte. Joachim Wernst von Wernst-Immobilien ist erstaunt: "Ich habe meine Lehre Mitte der 60er-Jahre in St. Georg gemacht. Hätte damals jemand behauptet, man könne dort Eigentumswohnungen für 4000 Euro pro Quadratmeter verkaufen, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Das gleiche gilt für St. Pauli."
Die Menschen in den Quartieren sollen nicht verdrängt werden
Für neue und aufwendig renovierte Mietwohnungen werden in den Szenequartieren bis zu 13 Euro kalt pro Quadratmeter verlangt. Das ist fast das Doppelte des Durchschnittswerts aller Mittelwerte im Mietenspiegel, der bei 6,76 Euro kalt liegt. Ein Trend, den die Politiker mit Sorge beobachten. "Wir wollen die Aufwertung dieser Quartiere. Aber die Menschen, die dort wohnen, dürfen nicht verdrängt werden", sagt Bezirksamtsleiter Markus Schreiber. Mit dem Instrument der "Sozialen Erhaltensverordnung" will er den Gentrifizierungsprozess steuern. "Den Lauf der Welt wird man damit aber nicht aufhalten", weiß auch Schreiber. Vorantreiben will er dagegen das Wohnen in der Stadt. "Wir wollen durchsetzen, dass Wohnen in der City selbst wieder möglich ist."
Im Fokus steht die Neustadt. Hier entstehen unter anderem 200 neue Wohnungen in den Wallhöfen. "Die Vermietung läuft unwahrscheinlich gut", freut sich Christoph Kleiner, geschäftsführender Gesellschafter beim Projektentwickler Hamburg Team, der in der Projektgesellschaft "Neuer Steinweg" für die Wohnbauten zuständig ist. Fünf Monate vor Fertigstellung haben 40 Prozent der 50 bis 140 Quadratmeter großen Wohnungen bereits Mieter gefunden - und das bei Quadratmeterpreisen von 11,50 bis 15 Euro. Noch näher an der City werden die Bewohner der 38 Wohnungen leben, die zur Randbebauung des Emporios (ehemaliges Unileverhaus) gehören. Sie werden von der Firma Wulff Hanseatische Bauträger bis Mitte 2011 realisiert werden. Auch im geplanten Katharinenquartier sollen Wohnungen entstehen. Weitere 300 Einheiten werden derzeit im Übersee-Quartier der HafenCity gebaut.
Die Klammer, die all diese Bauprojekte verbindet, heißt "hochwertiges" und damit auch hochpreisiges Wohnen. Für Markus Schreiber ist es deshalb wichtig, dass in der Neustadt auch öffentlich geförderter Wohnungsbau stattfinden wird. Nach den Querelen um das Gängeviertel zeichnet sich ab, dass hier auch sozialer Wohnungsbau stattfinden wird. Auch die Saga wird am Bäckerbreitengang in der Neustadt ein Haus mit 28 öffentlich geförderten Wohnungen bauen. Die Miete beträgt 5,70 Euro pro Quadtratmeter. In der Marktstraße im Karolinenviertel, wo die Saga neun freifinanzierte Wohnungen baut, liegt die Miete bei zehn Euro. Selbst in der HafenCity, wo derzeit im Überseequartier 300 neue Wohnungen entstehen, werden im Bauabschnitt Lohsepark 70 der geplanten 350 Wohnungen öffentlich gefördert sein.
Ein Thema, das der Bezirk Mitte unterstützt, ist das Wohnen am Wasser. Das gilt nicht nur für die HafenCity und die Elbinsel Wilhelmsburg, wo im Rahmen der IBA Internationale Bauausstellung kürzlich der erste Spatenstich für die Neuen Hamburger Terrassen mit 60 teilweise geförderten Wohnungen fiel. Das gilt auch für das im Osten liegende Stadtquartier Hamm-Süd, das sich entlang des Billebeckens und einiger Kanäle hinzieht. Dazu Markus Schreiber: "Wir wünschen uns mehr Möglichkeiten am und auf dem Wasser."
Hausboote werden von den Investoren in Hamm-Süd angedacht
Doch "Wohnen auf dem Wasser" hat sich als sehr teuer erwiesen - auch für Interessenten wie die Baugenossenschaft freier Gewerkschafter (BGFG). "Wir können uns dennoch schwimmende Häuser an einer Bundeswasserstraße vorstellen", sagt Vorstandsmitglied Peter Kay. Am Thema "Schwimmende Häuser" ist auch Hamburg-Team interessiert. Dazu Christoph Kleiner: "Wir haben in Hamm-Süd die Hansaburg gekauft, zu der eine Freifläche gehört, auf der wir mindestens 80 Mietwohnungen bauen werden." Das Baufeld ist an zwei Seiten von Wasser umgeben. Grund genug, über Hausboote nachzudenken. Ginge es nach dem Bezirksamtsleiter Schreiber, würde an den Kanälen noch mehr Wohnungsbau stattfinden. Nur sind viele Flächen in den Bebauungsplänen als Gewerbegebiete ausgewiesen. "Leider weigert sich die Wirtschaftsbehörde, anzuerkennen, dass es eigentlich keine funktionierenden Gewerbegebiete mehr sind."
Nächste Woche: Neubauprojekte in Eimsbüttel