Bürgermeister Christoph Ahlhaus fordert nach der Beratung über den umstrittenen Chef der HSH Nordbank, weitere Infos bei der Bank an.
Hamburg/Kiel. Hamburgs schwarz-grünem Senat reicht das Dementi der Führung der HSH Nordbank zur angeblichen Bespitzelung von Politikern nicht aus. „Wir wollen nicht nur ein Dementi, dass es das nicht gegeben hat, sondern wir wollen genaue Informationen, welcher Auftrag tatsächlich gegeben worden ist“, sagte Hamburgs Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) am Dienstag. Der Senat wolle deshalb „entsprechende Unterlagen einsehen, die uns bisher nicht zur Verfügung stehen“. Das Sicherheitsunternehmen Prevent AG hatte im Juli 2009 einen Mitarbeiter für eine Podiumsdiskussion zur HSH Nordbank mit Politikern abgestellt. Unklar ist bislang, ob es dies im Auftrag der Bank getan hat.
Ahlhaus betonte, zwar habe HSH Nordbankchef Dirk Jens Nonnenmacher beim schleswig-holsteinischen Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU) jegliche Verstrickung in die Angelegenheit zurückgewiesen, und der Aufsichtsratsvorsitzende Hilmar Kopper habe sich in einem Schreiben an den Hamburger Senat dieser Auffassung angeschlossen. Gleichwohl hätten die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen von CDU und GAL weiteren Klärungsbedarf. „Es gab in keinem einzigen Punkt der sehr intensiven Erörterung in irgendeiner Weise in der Bewertung einen Dissens“, sagte Ahlhaus im Anschluss an eine Senatssitzung mit den Fraktionsspitzen.
Ahlhaus schloss sich der Bewertung des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU) an, dass das Vertrauen in den Bankvorstand erheblich strapaziert sei. Er anerkenne zwar die bislang erfolgreichen Bemühungen der Bank um die Sanierung der Geschäfte. Gleichwohl wolle Hamburg als Anteilseigner möglichst rasch mit dem Aufsichtsrat klärende Gespräche über die grundsätzliche Zusammenarbeit führen. Außerdem sei Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) beauftragt, mit Schleswig-Holstein rasch zu klären, welche konkreten Unterlagen und Informationen die Bank vorlegen solle. „Ich habe die Hoffnung, dass wir eine abschließende Bewertung deutlich vor Ende des Jahres vornehmen können“, sagte Ahlhaus.
Dem Vorstandsvorsitzenden der HSH Nordbank wollte Ahlhaus weder das Vertrauen aussprechen noch von ihm abrücken. Es sei nicht klar, ob Nonnenmacher selbst gehandelt habe oder ob möglicherweise Dritte ohne sein Wissen tätig geworden seien. „Wir haben zwar ein Dementi, aber wir haben weiter Klärungsbedarf, um genau zu überprüfen, welche konkrete persönliche Mitverantwortung an den Vorfällen der Vorstandsvorsitzende beziehungsweise Vorstandsmitglieder haben“, sagte Ahlhaus. Die Vorgänge in der Bank seien zwar nicht in Ordnung gewesen. Das bisher vorliegende Dementi sei aber „von uns justiziabel nicht widerlegbar“.
Ahlhaus fügte an: „Deswegen können wir zum jetzigen Zeitpunkt weder sagen „ok alles ausgeräumt, alles geklärt, wir stehen voll hinter diesem Vorstand“, noch können wir sagen „das geht so gar nicht und wir müssen zu Konsequenzen kommen“.“ Gleichwohl betonte der Bürgermeister: „Die Tatsache, dass wir weiteren Klärungsbedarf haben, zeigt ja ganz deutlich, dass wir allein mit einem Brief 'ne, ne ich habe damit nichts zu tun' es nicht bewenden lassen wollen.“ Das bedeute aber nicht, dass er Nonnenmacher unterstelle, die Unwahrheit gesagt zu haben. „Dafür habe ich keinen Anlass“, sagte Ahlhaus.
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Wie geht es weiter für HSH-Chef Nonnenmacher?
Die Entscheidung über die Zukunft von Dirk Jens Nonnenmacher rückt näher. In Hamburg und Kiel stehen die Vorwürfe gegen die HSH Nordbank und ihren umstrittenen Vorstandsvorsitzenden heute auf der Tagesordnung der Kabinettssitzungen. In beiden Ländern, die zusammen 85,5 Prozent an der früheren Landesbank halten, dringen jeweils die kleineren Regierungspartner auf eine Ablösung Nonnenmachers - in Hamburg die GAL, in Kiel die FDP.
"Die Handelnden in Senat und Bürgerschaft werden aufgefordert, alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um Nonnenmacher ohne Abfindung zu entlassen", haben die Altonaer Grünen ohne Gegenstimme auf ihrer Kreismitgliederversammlung beschlossen. Dem massiven Druck der Basis kann sich die Parteispitze kaum entziehen. "Der Beschluss des Kreisverbandes Altona zeigt deutlich, wie groß das Unverständnis und die Wut der Parteimitglieder und der Öffentlichkeit über die Skandale um die HSH Nordbank sind", sagte die GAL-Landesvorsitzende Katharina Fegebank dem Abendblatt.
Während sie noch abwarten will, ob sich die Vorwürfe bestätigen, ist GAL-Fraktionschef Jens Kerstan schon weiter. "Für uns war seit der Sonderzahlung von 2,9 Millionen Euro, die wir nur unter Bedenken mitgetragen haben, klar, dass Nonnenmacher irgendwann gehen muss", sagte er dem Abendblatt. Das sei nur eine Frage des Zeitpunkts, so Kerstan: "Angesichts der Fülle der Vorwürfe stellt sich die Frage, ob dieser Zeitpunkt jetzt schon gekommen ist."
Die CDU ist in der Frage zurückhaltender. Finanzexperte Thies Goldberg warnte vor einer "auf Gerüchten basierenden Vorverurteilung". Personalentscheidungen seien im Übrigen Sache des Aufsichtsrats, nicht der Politik. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Kruse, der dem Beirat der Bank angehört, verweist auf die Erfolge Nonnenmachers bei der Sanierung - das sei das entscheidende Kriterium.
Gegen Nonnenmacher und andere HSH-Verantwortliche ermitteln drei Staatsanwaltschaften. Es geht um Untreue, Bilanzfälschung und fingierte Vorwürfe wie Geheimnisverrat und Kinderporno-Spuren, die gelegt worden sein sollen, um unliebsame Manager loszuwerden. Die politische Debatte nahm aber erst Fahrt auf, als der Vordacht aufkam, die von der HSH beauftragte Sicherheitsfirma Prevent habe Politiker bespitzelt. Nonnenmacher und Aufsichtsratschef Hilmar Kopper haben alle Vorwürfe dementiert, zuletzt in einem Brief an Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU). Darin räumte Nonnenmacher aber auch ein, dass Prevent 2009 eine FDP-Diskussion "besucht" habe.
Hamburgs Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) hatte den Vorstandschef gestern im Abendblatt erstmals als "Belastung" bezeichnet und seine Zukunft infrage gestellt. "Natürlich bereiten wir uns auf den Fall vor, dass es Beweise für die Vorwürfe gegen Herrn Nonnenmacher gibt." Frigges Bitte an Kopper, die Vorgänge aufzuklären, wurde mittlerweile entsprochen. Nach Abendblatt-Informationen hat Kopper ihm Nonnenmachers Brief an de Jager geschickt - mit dem Hinweis, dem habe er nichts hinzuzufügen. Kerstan, der den HSH-Chef zu einem "glasklaren Dementi" bis heute aufgefordert hatte, liegt das Schreiben ebenfalls vor. Bewerten wollte er es gestern noch nicht.
Auch in Schleswig-Holstein gilt Nonnenmacher als Auslaufmodell. Das schwarz-gelbe Kabinett wird heute beraten, ob es den Bankchef weiter stützt oder dem Aufsichtsrat eine Entlassung Nonnenmachers nahelegt. Auf einen Neuanfang dringt vor allem die FDP. Nonnenmacher habe die Vorwürfe in der Spitzelaffäre bisher nicht entkräften können, hieß es in Fraktionskreisen.
Bei der Kieler CDU hat Nonnenmacher ebenfalls Kredit verspielt. Die Fraktion stehe zu dem HSH-Beschluss des Landtags, sagte ein Sprecher. Darin wird eine schnelle Aufklärung des angeblichen Spitzelskandals gefordert. "Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, ist dafür Sorge zu tragen, dass die erforderlichen personellen und organisatorischen Konsequenzen gezogen werden." Gestern Abend befasste sich der HSH-Lenkungsausschuss der Kieler Regierung mit Nonnenmachers Erklärung zur Spitzelaffäre - schließlich hatte an der FDP-Diskussion auch der frühere Wirtschaftsminister Werner Marnette (CDU) teilgenommen.
Dass heute bereits die Ablösung des HSH-Chefs beschlossen wird, gilt als unwahrscheinlich. Erwartet wird, dass die Regierungen versuchen, Zeit zu gewinnen - bis ein Vorwurf bewiesen ist und Nonnenmacher ohne Abfindung entlassen werden kann oder zumindest bis ein Nachfolger gefunden ist.