Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat sich unterdessen auf eine neue Form der Unterbringung für entlassene Straftäter geeinigt.
Berlin. Hamburgs CDU-Fraktion hat eine Kostenerstattung für die Überwachung und Betreuung entlassener Sicherungsverwahrter aus anderen Bundesländer verlangt. „Die Anonymität der Großstadt zieht an“, sagte die CDU-Rechtsexpertin Viviane Spethmann am Donnerstag in einer Aktuellen Stunde der Hamburger Bürgerschaft. Es sei naheliegend, dass gefährliche Sexualstraftäter, die wegen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden sind, möglichst unbehelligt in einer Großstadt leben wollen. Das dürfe aber nicht bedeuten, dass Hamburg dann alle Kosten, etwa für die Überwachung durch die Polizei, tragen müsse, betonte sie.
Hintergrund der Debatte ist ein 53-jähriger Mann, der fast 30 Jahre in Baden-Württemberg eingesperrt war, und sich nach seiner Entlassung infolge des Straßburger Gerichtsurteils nun in Hamburg niedergelassen hat. Wegen Anwohnerprotesten musste er auf Kosten der Hansestadt inzwischen dreimal die Unterkunft wechseln . Außerdem muss der Mann rund um die Uhr von Polizisten überwacht werden .
Justizsenator Till Steffen (GAL) wies Vorwürfe der Opposition zurück, Hamburg sei nicht vorbereitet auf die Entlassung gefährlicher Straftäter aus der Sicherungsverwahrung. Aber wenn Baden-Württemberg mit zwölf Stunden Vorlauf mitteile, dass ein als gefährlich eingestufter entlassener Sexualstraftäter auf dem Weg nach Hamburg sei, könne Hamburg unmöglich sofort sämtliche Maßnahmen wie Therapien oder Unterkunft vorhalten. Insgesamt forderte Steffen die Verabschiedung eindeutiger Gesetze im Bund. „Es ist dringend erforderlich, dass wir möglichst schnell eine stabile, rechtssichere Grundlage für unser Handeln als Justiz und als Polizei und als beteiligte soziale Dienst bekommen.“
Die schwarz-gelbe Koalition in Berlin hat sich nach mehrwöchigem Streit auf ein neues Gesetz zur Sicherungsverwahrung geeinigt: Für Täter, die nach einem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes möglicherweise entlassen werden müssten, soll eine neue Form der sicheren Unterbringung geschaffen werden, wie Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am Donnerstag mitteilten.
Es werde für psychisch gestörte Gewalttäter „etwas anderes als Strafhaft, aber auch etwas anderes als die Unterbringung psychisch Kranker“ geschaffen, sagte de Maizière. „Der Schwerpunkt liegt auf der Therapierung“, fügte Leutheusser-Schnarrenberger hinzu. Mit der Neuregelung reagiert die Koalition auf eine Entscheidung des Straßburger Gerichtshofes, der eine Reihe nachträglich verlängerter Sicherungsverwahrungen beanstandet hatte.
In dem von Union und FDP ausgehandelten Eckpunktepapier heißt es, in den neuen Einrichtungen solle die Lebensführung der Betroffenen nur soweit eingeschränkt werden, „wie dies für die Durchführung der Therapie in einer geschlossenen Einrichtung unverzichtbar ist“. Geklärt werden müsse noch, inwieweit das neue Gesetz auch auf jene 15 Täter angewandt werden soll, die nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bereits auf freien Fuß gesetzt wurden.
Angeordnet werden muss die Unterbringung durch eine Zivilkammer des Landgerichts mit drei Berufsrichtern auf Grundlage zweier externer Gutachten. Für aus der Sicherungsverwahrung Entlassene soll es künftig eine elektronische Aufenthaltsüberwachung etwa mit einer Fußfessel geben.
Die Koalition einigte sich zudem auf eine Neuregelung der Sicherungsverwahrung bei künftigen Fällen. Demnach soll es die von Leutheusser-Schnarrenberger kritisierte nachträgliche Sicherungsverwahrung künftig nicht mehr geben. Die Sicherungsverwahrung solle mit dem Urteil direkt oder vorbehaltlich verhängt werden und auf Gewaltdelikte beschränkt bleiben.
Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast kritisierte Kompromiss dim Abendblatt. „Schwarz-gelb unternimmt erst gar nichts, dann wird ordentlich gestritten und plötzlich zaubert de Maizière eine neue Form der Unterbringung hervor - kein Wort, wie die organisiert werden soll, kein Wort über Therapie und Resozialisierung, die im Mittelpunkt stehen müssen“, sagte sie. Verfassungsrechtlich seien zudem „Zweifel angebracht, ob bereits freigelassene Personen überhaupt in diese ominöse neue Form der Unterbringung gebracht werden können“. Künast Fazit: „Dieser Kompromiss ist mit heißer Nadel gestrickt und lässt weiter viele Fragen offen. Wiedervorlage im Herbst.“