Obwohl die Täter als gefährlich gelten, dürfen sie aus der Sicherungsverwahrung. Einer von ihnen will nach Niedersachsen ziehen.
Schleswig/Karlsruhe. Vier gefährliche Sexualstraftäter werden in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg aus der Sicherungsverwahrung entlassen. Entsprechende Entscheidungen trafen die Oberlandesgerichte (OLG) in Karlsruhe und Schleswig am Donnerstag. Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wonach die Sicherungsverwahrung nicht rückwirkend verlängert werden darf.
Das schleswig-holsteinische OLG setzte zwei als gefährlich geltende Sexualstraftäter auf freien Fuß. Als die beiden heute 70 und 66 Jahre alten Straftäter verurteilt wurden, war die Sicherungsverwahrung noch auf zehn Jahre begrenzt. 1998 entfiel die Frist. Das traf auch die beiden Männer: Sie saßen bis Donnerstag in Sicherungsverwahrung – und damit länger als zehn Jahre. (Az: 1 OJs 2/10 (1 Ws 267/10) und 1 OJs 3/10 (1 Ws 268/10)) Ob die Täter noch am Tag der OLG-Entscheidung die Justizvollzugsanstalt Lübeck verlassen würden, war zunächst unklar. Nach Ansicht von Generalstaatsanwalt Erhard Rex geht von den beiden Männern aber weiter Gefahr aus. Die Männer stehen künftig unter Führungsaufsicht.
Das OLG Karlsruhe entließ ebenfalls zwei Männer aus Sicherungsverwahrung, die 1981 und 1984 wegen Vergewaltigung und Körperverletzung verurteilt worden waren. Die beiden Männer kämen umgehend frei, danach stünden beide unter Führungsaufsicht, hieß es. Dabei werden sie überwacht und müssen bestimmte Meldeauflagen erfüllen. Beide Männer saßen bereits mehr als zehn Jahre in Sicherungsverwahrung (Az: 2 Ws 458/09 und 2 Ws 44/10).
Einer von ihnen will nach seiner Haftentlassung nach Niedersachsen ziehen. Das teilte das niedersächsische Innenministerium mit. „Der Freigelassene muss notfalls rund um die Uhr bewacht werden“, sagte Justizminister Bernd Busemann (CDU). Dem Mann seien zwar bestimmte Verhaltensregeln auferlegt worden. Da jedoch noch kein gerichtlicher Beschluss vorliege, seien die Polizei- und Justizbehörden in Niedersachsen gefordert. Busemann betonte, die nachträglich angeordnete Sicherungsverwahrung sei ein unverzichtbares Instrument, um die Bevölkerung vor gefährlichen Sexualstraftätern zu schützen. „Ich halte es für eine Zumutung, dass sich seit der Rechtskraft der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) auf Bundesebene noch nichts Weiterführendes getan hat.“ Er wolle an der niedersächsischen Rechtsauffassung festhalten. „Trotz des EGMR-Urteils muss niemand freigelassen werden, der als weiterhin gefährlich eingestuft ist“.