Die rückwirkende Sicherungsverwahrung verstößt gegen Menschenrechtskonventionen. Beschwerden Inhaftierter häufen sich.
Hannover. Drei inhaftierte Sexualstraftäter in Niedersachsen haben ihre Entlassung aus der Sicherungsverwahrung beantragt. Ein weiterer Inhaftierter habe seinen Antrag auf Freilassung zudem bereits angekündigt, sagte ein Sprecher des niedersächsischen Justizministeriums am Mittwoch in Hannover. Das Oberlandesgericht Celle habe einen Antrag jedoch bereits abgelehnt.Die Antragsteller beziehen sich in ihren Forderungen auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Demzufolge verstößt Deutschland mit der rückwirkenden Sicherungsverwahrung eines Gewaltverbrechers gegen die Menschenrechtskonventionen. Insgesamt fallen zehn Sicherungsverwahrte in Niedersachsen unter die Entscheidung der EU-Richter.
Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann (CDU) hatte die Staatsanwaltschaften im Land unmittelbar nach der EGMR-Entscheidung per Erlass angewiesen, Beschwerden gegen anstehende Freilassungen einzulegen. Sofern eine Strafvollstreckungskammer dem Antrag eines Sicherungsverwahrten in erster Instanz stattgegeben hat, liegt die letzte Entscheidung bei den Oberlandesgerichten. Trotz des Urteils aus Straßburg müsse niemand freigelassen werden, der als weiterhin gefährlich eingestuft werde, betonte Busemann.
Seit November 2007 gibt es laut Justizministerium ein spezielles Programm zum Umgang mit gefährlichen Straftätern nach ihrer Entlassung aus der Haft. Dabei werden die Gewaltverbrecher in drei Kategorien eingeteilt. Die Entlassenen mit dem höchsten Risikopotenzial in der Kategorie „A“ haben in der Folge die höchsten Auflagen zu erfüllen, wobei eine Beobachtung rund um die Uhr die intensivste Betreuungsform ist.
Der in der vergangenen Woche aus Baden-Württemberg nach Bad Pyrmont entlassene Sicherungsverwahrte zählte laut Innenministerium auch zur Kategorie „A“. Genaue Zahlen zu den Straftätern in den einzelnen Kategorien wollte das Innenministerium zunächst jedoch nicht nennen. „Es gibt aber durchaus vergleichbare Fälle im Land“, sagte ein Sprecher.