Altkanzler Helmut Schmidt diskutierte in der Helmut-Schmidt-Universität mit dem Verteidigungsminister - und gab sich pessimistisch.
Hamburg. „Das ist eine tolle Veranstaltung!“, schwärmte Karen Johnson, Generalkonsulin der USA in Hamburg. „Da bin ich natürlich dabei“. In der Tat: Eine öffentliche Debatte zwischen Bundes- verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg und seinem Amtsvorgänger von 1972-74, Altbundeskanzler Helmut Schmidt, über das heikle Thema Afghanistan-Einsatz, ist schon ein besonderes Ereignis.
Es fand auf Einladung der 1952 gegründeten Atlantik-Brücke, die das deutsch-amerikanische Verhältnis fördert. in der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Wandsbek statt. Als Moderator fungierte der Vorsitzende des Vereins – der frühere CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz. Rund 1000 Zuschauer, darunter viel Prominenz aus Politik, Kultur, Kirche und Kultur, verfolgten das hochkarätige Duell auf dem „Roten Platz“ dem zentralen Raum der Universität.
Helmut Schmidt begann gleich mit einem Paukenschlag, indem er den von US-Präsident Barack Obama präzisierten Kriegszielen eine „weitgehende Aussichtlosigkeit“ bescheinigte, „Inzwischen zeichne sich in Afghanistan „eine Tragödie klassisch-griechischen“ Ausmasses ab, sagte Schmidt. Der frühere Bundeskanzler, der sich gegenüber Merz dagegen verwahrte, als Bundeskanzler bezeichnet zu werden – ein Titel, der ihm zusteht - warnte die deutsche Politik aber eindringlich davor, ohne Abstimmung mit Nato und EU isoliert abzuziehen.
Guttenberg entgegnete: „Wenn man Obama Aussichtslosigkeit vorhalten wollte, muss man sich fragen, ob das auch für uns gilt“.
Helmut Schmidt sagte: „Ich glaube, es wird langsam Zeit, dass wir mit der Eventualität rechnen, dass wir – der Westen insgesamt - diesen Krieg eines Tages abbrechen werden. Wenn man einen Krieg nicht gewinnen kann, muss man verhandeln." Das bezog sich offensichtlich auf die radikalislamischen Taliban.
Guttenberg räumte ein, dass „der Traum, aus Afghanistan eine Vorzeigedemokratie zu machen, nicht darstellbar ist“. Der Minister formulierte statt dessen das Ziel, eine „Übergabe in Verantwortung“ an eine afghanische Regierung zu ermöglichen.
Merz stellte die Frage, ob verstärkter Druck auf die Regierung Karsai sinnvoll sei. Schmidt konterte, dass es in der Geschichte noch nie einem Staat gelungen sei, Afghanistan zu erobern und dauerhaft zu besetzen. „Und es hat noch nie eine afghanische Regierung länger als eine Generation funktioniert.“ Ohne zumindest die Hilfe Russlands sei das Problem ohnehin nicht lösbar. Schmidt fragte, was der Westen eigentlich unternommen habe, um Russland, China, Indien oder die islamischen Welt für eine Lösung zu gewinnen. „Das muss ich verschlafen haben“.
Guttenberg bezweifelte „die Vermittlungslust“ der Großmächte wie China, Russland oder Indien. Afghanistan reflektiere zwar das Problem des Westens, aber es sei weit größer. Terroristen würden unabhängig von Afghanistan weltweit immer rasanter aktiv werden. Der Westen müsse sich in Afghanistan Zielmarken setzen, sonst gebe es zum Abbruch kaum noch eine Alternative. Guttenberg beklagte mit Blick auf das Afghanistan-Engagement Europas, dass „wir von einer gemeinsamen europäischen Außen- und Verteidigungspolitik noch weit entfernt sind“.
Schmidt, der als einziger Mensch im riesigen Saal rauchen durfte und das heftig ausnutzte, wies darauf hin, das es kein Land in Europa gebe, das ein größeres Interesse an einem gemeinsamen Europa haben müsse als Deutschland. „Niemand hat so viele Nachbarn wie wir“. Deutschland könne nicht für seine geopolitische Lage, müsse aber endlich die Konsequenzen daraus ziehen. Und er zweifelte im Übrigen, ob es die „aufgeblähte, bürokratische Nato“ in der Zukunft in dieser Form noch geben werde.
Helmut Schmidt ist einsame Spitze", sagte Bischöfin Maria Jepsen dem Abendblatt. "Er vertritt klare politische Ansichten, aber er drängt sich nicht auf, bleit immer dezent". Auf die Frage, ob er dieses Amt heute auch noch ausüben würde, angesichts von Afghanistan, sagte der frühere Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping dem Abendblatt: "Ich dränge mich nicht danach. Aber warum sollte ich diese Frage verneinen?"