Am Freitagabend wurde der Henri-Nannen-Preis verliehen - der Altkanzler bekam die begehrte Journalistenauszeichnung für sein Lebenswerk.
Hamburg. Er changiert in matten Brauntönen, ist von unregelmäßiger Struktur und schafft es, auf Journalistengesichter ein Strahlen zu legen. Der Henri. Eine Bronzeskulptur, mit der einmal im Jahr die besten journalistischen Arbeiten ausgezeichnet werden. Ihr Schöpfer ist der Berliner Maler und Bildhauer Rainer Fetting. Der Neu-Expressionist formte die Büste des Journalisten Henri Nannen, in dessen Namen am Freitagabend zum sechsten Mal die glamouröse Preisverleihung im Deutschen Schauspielhaus stattfand.
Für die Preisträger bedeutet „der Henri“ nicht nur eine punktuelle Bestätigung ihres Schaffens, sondern auch Ansehen in der Branche. Der Henri-Nannen-Preis wird vom Verlagshaus Gruner + Jahr und der Zeitschrift „Stern“ gestiftet und ist mit insgesamt 35.000 Euro dotiert.
Den Preis für sein publizistisches Lebenswerk erhielt Helmut Schmidt. „Stern“-Chefredakteur Thomas Osterkorn würdigte im Vorfeld den Altkanzler, Mitherausgeber der Wochenzeitung „Die Zeit“ und Buchautor: „Helmut Schmidt ist vom Politiker zum Erfolgsautor und Herausgeber geworden. Er kann auf ein beeindruckendes publizistisches Lebenswerk zurückblicken.“ „Zeit“-Chef Giovanni di Lorenzo, der Schmidt gut kennt und schätzt, wusste: „Ihm selbst ist es unangenehm, er kokettiert damit sicher nicht. Wir haben ihn mit vereinten Kräften überredet und meine größte Hoffnung ist, dass er am Ende des Abends sagt: ‚Ich habe es nicht bereut:"
Im Rollstuhl war Schmidt knapp vor Beginn der Verleihung von Sicherheitsleuten über den roten Teppich geschoben worden. Das nicht enden wollende Blitzlichtgewitter war ihm sichtlich unangenehm. Erst als er selbst versuchte, die Räder seines Rollstuhls in Bewegung zu setzen, wurde er ins Foyer des Schauspielhauses geschoben. Loki begleitete ihn nicht. Dafür war Gabriele Henkel gekommen – die Kunstsammlerin ist eine enge Freundin des Altkanzlers, besuchte ihn erst vor Kurzem. „Ich habe versäumt, ihm ein Glückwunsch-Fax zu schicken“, sagte sie und nahm die Sonnenbrille ab. Und den Preis, den habe er verdient, „und wie!“.
In diesem Fall ist sich auch Moderator Heiner Bremer sicher: „Schmidt bekommt diesen Preis in seiner Funktion als Publizist und Denker, weniger der Politiker wird geehrt.“ Auch unter den jüngeren Gästen war Schmidt Gesprächsthema Nummer eins. „Ich habe immer mit Genuss ‚Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt‘ gelesen“, sagte die Schauspielerin Johanna Wokalek, „den Preis hat er auf jeden Fall verdient, er ist ein großer Mann.“ Zur Verleihung kam auch ihre Schauspielkollegin Karoline Herfurth sowie Gesine Cukrowski, die in Begleitung von Leila Moysich (SterniPark) über den roten Teppich schritt. Die Begrüßung aller 1200 Gäste – mit Handschlag und Lächeln – übernahmen Bernd Buchholz, Vorstandsvorsitzender Gruner + Jahr, mit Ehefrau Inga sowie den „Stern“-Chefs Thomas Osterkorn und Andreas Petzold.
Sie empfingen Medienvertreter und Intellektuelle, Politiker und Wirtschaftsgrößen wie Produzentin Minu Barati-Fischer (Ehemann Joschka weilte außerhalb Europas), Bürgermeister Ole von Beust, Schriftstellerin Elke Heidenreich, Schauspieler Joachim Król, Moderatorin Gabi Bauer, Olli Dittrich, Kim-Eva Wempe (Juwelier Wempe) und Ulrich Wickert. Die Preisverleihung, durch die Conférencier Lars Reichow führte und die mit Musik der NDR Bigband beschwingt wurde, dauerte rund zweieinhalb Stunden. Stunden voller Freude der Ausgezeichneten und mit begeistertem Applaus des Publikums.
Den Höhepunkt bildete die Ehrung von Helmut Schmidt. Wie in „Auf eine Zigarette mit“-Zeiten führten Schmidt und di Lorenzo ein Gespräch. Der Altkanzler plädierte dafür, die Griechen in der Krise zu unterstützen. Viele Gespräche auf der After-Show-Party drehten sich um das Aus von Stefan Austs geplanter Zeitschrift „Woche“ – aber es wurden auch die Abendkleider der Damen bewundert (besonders die Frauen untereinander tauschten sich darüber aus).
Anlass gab es auch genug, denn von schulterfrei in schillerndem Lila bis klassisch Schwarz und kurz bis nudefarben und bodenlang waren alle Modelle zu sehen. Schade nur, dass die niedrigen Temperaturen alle dazu trieben, Schultertuch oder Stola umzulegen. Der geistigen Verköstigung stand auch die leibliche durch das Catering des Hotels Atlantic mit Vitello tonnato, Kräuterfrischkäse auf Salat von Avocado und grünem Spargel, Entenbrust auf Apfel-Selleriesalat sowie vegetarische Quiche Lorraine in nichts nach. Nicht nur deshalb verließen die letzten Gäste erst im Morgengrauen das Schauspielhaus.
Der Henri-Nannen-Preis war am Abend im Rahmen einer festlichen Gala im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg verliehen worden. Mit dem Henri-Nannen-Preis werden die besten journalistischen Arbeiten ausgezeichnet, die im vergangenen Jahr in deutschsprachigen Print- und Onlinemedien erschienen sind. Für den „Henri 2010“ wurden nach Angaben von Gruner + Jahr 878 Arbeiten aus 186 Print- und Online-Publikationen eingereicht. Die Kategorien umfassen Reportage, Investigation, Dokumentation, Humor und Fotoreportage.