“Hat er im Wahlkampf die Unwahrheit gesagt?“ Diese Frage will die Opposition dem Senatschef im Untersuchungsausschuss stellen.
Hamburg. Mehr als ein Jahr lang hatte Ole von Beust sich beim Fall HSH Nordbank im Hintergrund gehalten, hatte sein Finanzsenator Michael Freytag (beide CDU) alle Kritik auf sich gezogen und dem Bürgermeister quasi als Schutzschild gedient. Damit ist nun Schluss. Die SPD wird Ole von Beust in den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) als Zeuge vorladen. Das sagte Fraktionschef Michael Neumann dem Abendblatt.
"Hat der Bürgermeister im Wahlkampf die Unwahrheit gesagt?" Diese Frage stelle sich nach den Aussagen von Ex-Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) und HSH-Chef Dirk Jens Nonnenmacher, sagte Neumann: "Und diese Frage sollte nicht zu lange im Raum stehen. Ole von Beust sollte sie sobald wie möglich beantworten." Der SPD-Fraktionschef hatte den Bürgermeister bereits am 11. Januar in einem Brief auf vermeintliche Ungereimtheiten in seinen Aussagen verwiesen. Er habe den Eindruck, schrieb Neumann, "dass die Öffentlichkeit über die Lage der HSH Nordbank zeitweilig nicht korrekt - nicht zutreffend oder nicht umfassend - informiert wurde und dabei der Termin der Bürgerschaftswahl eine Rolle spielte." Er befürchte einen "Vertrauensverlust in staatliches Handeln seitens der Öffentlichkeit", wenn sich der Bürgermeister nicht erkläre.
Beust antwortete nicht persönlich, sondern ließ Neumann über eine Mitarbeiterin der Senatskanzlei einen Fünfzeiler zukommen, wonach "sich der Erste Bürgermeister ganz generell und somit auch in diesem Fall vorbehält, die Entscheidung über Zeitpunkt, Form und Inhalt politischer Stellungnahmen selbst zu treffen". Diese Entscheidung wird ihm nun abgenommen, denn einer Ladung vor den PUA wird er sich kaum entziehen. Im Juni 2007 hatte Beust zum ersten und bislang letzten Mal vor einem Untersuchungsausschuss ausgesagt, damals ging es um das geschlossene Heim Feuerbergstraße.
In Bedrängnis bringen könnten den Bürgermeister die Ereignisse vor der Wahl am 24. Februar 2008. Sein Herausforderer Michael Naumann (SPD) hatte in Wahlkampf hartnäckig versucht, mögliche Verluste der HSH Nordbank zu thematisieren - Beust war jedoch stets ausgewichen. So hatte Naumann den Bürgermeister im TV-Duell am 17. Februar gefragt: "Sind Sie sicher, dass ausgerechnet diese Landesbank die einzige ist, die nicht tief verschuldet ist durch die Geschäfte mit Immobilienderivaten aus den Vereinigten Staaten?" Antwort Beust: "Es gibt im Moment ein Wertermittlungsverfahren, wo geguckt wird, welche Werte sind gefährdet mit welchem Risikograd." Die Verschiebung der HSH-Bilanzpressekonferenz auf April habe mit dem Wahltermin "nicht das Allergeringste zu tun". Da Beust sich stets nur vage zur Lage der Bank, die für 2008 schließlich 2,8 Milliarden Euro Verlust auswies, geäußert hatte, dürfte ihm wohl schwerlich nachzuweisen sein, dass er die "Unwahrheit" gesagt hat, wie Neumann unkt. Realistischer erscheint nach den jüngsten Vorgängen im PUA der Ansatz, ob der Bürgermeister von der "Wahrheit" möglicherweise etwas weggelassen hat.
Die Frage drängte sich zumindest nach dem vierstündigen PUA-Auftritt des HSH-Chefs am Freitagabend auf. Nonnenmacher hatte ausgesagt, was laut SPD auch aus einem Aufsichtsratsprotokoll hervorgeht: Demnach wurde bereits am 10. Dezember 2007 über eine Kapitalerhöhung durch die Anteilseigner - Hamburg, Schleswig-Holstein, den US-Investor J.C. Flowers sowie die schleswig-holsteinischen Sparkassen - beraten. Kapitalbedarf: etwa 1,7 bis 1,8 Milliarden Euro. Auch den Anlass nannte Nonnenmacher: Die Bank brauchte frisches Geld, um ihr Rating zu halten - das ist eine internationale Klassifizierung für Banken und Finanzprodukte. Da aber inzwischen unsicher war, ob der für 2008 geplante Börsengang stattfinden könne, sollten die Eigner das Geld geben. Mit anderen Worten: Die Lage der Bank war ernst.
Aufsichtsratsvorsitzender war damals der frühere Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU). Der hatte bei seiner eigenen Vernehmung im PUA freimütig eingeräumt, mit Ole von Beust befreundet zu sein und sich regelmäßig mit ihm auszutauschen. Auch Michael Freytag, Peiners Nachfolger als Finanzsenator, saß damals im Aufsichtsrat. "Und es ist kaum vorstellbar, dass der Finanzsenator den Bürgermeister darüber nicht informiert hat", sagt Thomas Völsch, SPD-Obmann im PUA. Um über die Lage informiert zu sein, genügte Anfang 2008 im Übrigen die Lektüre des Abendblatts und anderer Hamburger Zeitungen. Am 7. Februar hieß es: "Börsengang der HSH Nordbank unsicher - Kapitalerhöhung geplant". Wann Ole von Beust Gelegenheit bekommt, sich dazu im Untersuchungsausschuss zu erklären, ist noch offen. Am 19. Februar wird zunächst die Befragung von Dirk Jens Nonnenmacher fortgesetzt.