Harburg. Spannende Themen, neueste Technik: Im Hamburger Süden entwickeln sich Ausstellungen immer mehr zu Besuchermagneten. Wer dahintersteckt.

„Wir können voll und ganz mithalten mit den besten Einrichtungen.“ Das sagt Museumsdirektor Rainer-Maria Weiss über sein Doppelmuseum in Harburg und misst sich mit Schwergewichten wie Deichtorhallen oder Bucerius Kunstforum. Das Archäologische Museum Hamburg (AMH) am Harburger Rathausplatz und das Stadtmuseum Harburg mit seinen Sonderausstellungen am Museumsplatz 2 freuen sich über steigendes Besucherinteresse.

Jährlich besuchen rund 68.000 Menschen die beiden Museen im Zentrum Harburgs. Oftmals werden Ausstellungen aufgrund des Zuspruchs verlängert, so auch die aktuell laufende Schau „Lost Places – Archäologie der Gegenwart“. Sie sollte bis zum 23. März laufen und wird nun bis zum 27. April (einen Tag nach der langen Nacht der Museen) gezeigt.

Museum Hamburg: Besucherzahlen in Harburg steigen um gut 60 Prozent

Während die durchschnittliche Besucherzahl in den Jahren 2000 bis 2003 bei 42.771 lag, sind es aktuell jährlich 68.422 Schaulustige (2022–2024). Das liegt nicht nur an den gewählten Themen: „Natürlich überlegen wir uns, welche Inhalte die Leute interessieren. Aber zu unserem Profil als stadthistorisches Heimatmuseum gehört es auch, Jubiläumsausstellungen zu machen oder monografische Ausstellungen zu Künstlern mit regionalem Bezug, wie zuletzt die Retrospektive des Schaffens von Brigitte Nolde.“

Ein Blick ins Archiv des Stadtmuseums: Jens Brauer zeigt den jeweils letzten in den Phoenix-Werken produzierten Gummistiefel und Reifen. Vorn rechts steht einer der beiden eisernen Adler von den Portalen der Alten Harburger Elbbrücke.
Ein Blick ins Archiv des Stadtmuseums: Jens Brauer zeigt den jeweils letzten in den Phoenix-Werken produzierten Gummistiefel und Reifen. Vorn rechts steht einer der beiden eisernen Adler von den Portalen der Alten Harburger Elbbrücke. © HA | Angelika Hillmer

Bei Themen mit starkem Harburg-Bezug sei der Fankreis begrenzt, sagt Weiss und nennt ein Beispiel aus der Vergangenheit: Die Ausstellung zur ersten großen Grabung an der Harburger Schloßstraße (2012–2014) zog kaum Hamburger Besucher aus anderen Bezirken an, „aber in Harburg hat sie voll eingeschlagen“.

Hammaburg-Ausgrabung macht Harburger Museen bekannter

Der historisch gewachsene Standort des Doppelmuseums ist für den Hamburger Landesarchäologen ein Gewinn: „Wir sind DAS Museum im Hamburger Süden“, sagt er. „Ich freue mich, wenn mit dem Hafenmuseum und dem Naturkundemuseum im Elbtower die Hamburger Museumslandschaft nach Süden quillt. Wir sind schon da!“

Während das AMH formal ein Museum für 1,9 Millionen Hamburger und rund 600.000 Einwohner der Metropolregion sei, wende sich das Stadtmuseum Harburg vor allem an die 180.000 Einwohner des Bezirks plus Umland. Doch inzwischen strahlen die Harburger Ausstellungen über die Elbe hinaus. Dazu haben die Ausgrabungen der Hammaburg auf dem Domplatz beigetragen, durchgeführt von den Archäologen aus Harburg. Viele Geschichtsinteressierte besuchten anschließend, im Winter 2021/22, die Sonderausstellung „Burgen in Hamburg“ im Museum an der Knoopstraße.

Hamburgs Anfänge: Etwa 200 Menschen lebten in der frühen Hammaburg, geschützt von einem Holzpalisadenzaun und Wassergraben.
Hamburgs Anfänge: Etwa 200 Menschen lebten in der frühen Hammaburg, geschützt von einem Holzpalisadenzaun und Wassergraben. © Archäologisches Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg | Archäologisches Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg

Raumfüllende Installationen dank LED-Lichttechnik

Ein weiterer Erfolgsfaktor: „Wir sind ausstellungstechnisch immer besser geworden“, sagt der Museumsdirektor. „Früher haben wir ein iPad mit schwarzem Passepartout versehen und auf ihm Details präsentiert. Dann haben wir in riesigen Leuchtkästen Bilder hinterlegt. Heute können wir mithilfe der LED-Technik raumhohe Installationen machen oder Motive über ganze Wände leuchten lassen, wie aktuell bei der Ausstellung zu Lost Places.“

Mit dem Stadthistoriker Jens Brauer habe sich das Museum vor sieben Jahren einen professionellen Ausstellungsgestalter ins Haus geholt, so Weiss. „Bei uns hat der Kurator nicht nur die wissenschaftlichen Aspekte im Blick, sondern denkt die Gestaltung gleich mit. Andere Häuser leiden unter dem Dauerkampf zwischen Kurator und Gestalter.“ Zusätzlich gebe es eine enge Kooperation mit dem Berliner Ausstellungsmacher Caspar Pichner: „Er lässt neue Ideen einfließen. Dadurch schmoren wir nicht im eigenen Saft.“

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Bei der Themenfindung helfe es, sich als Archäologe nicht zu ernst zu nehmen, sagt der studierte Archäologe und Kunsthistoriker. Beispiel: die Ausstellung „Hot Stuff“ (2019/20). Hier fanden die Ausgrabungen in häuslichen Kellern und Dachgeschossen statt. „Erforscht“ und gezeigt wurde „der heiße Scheiß“, die Verkaufsschlager der letzten Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts. Weiss schwärmt für die Archäologie des Alltags: „Von der Herangehensweise war das Archäologie, aber nicht mit Scherben und Trümmern.“

Ausstellung „Hot Stuff“: Ein Schreibtisch aus dem vergangenen Jahrhundert, mit Faxgerät, Computer mit Modem und grünem Tastentelefon (hinten rechts).
Ausstellung „Hot Stuff“: Ein Schreibtisch aus dem vergangenen Jahrhundert, mit Faxgerät, Computer mit Modem und grünem Tastentelefon (hinten rechts). © HA | Angelika Hillmer

Ausstellung in Harburg: Demnächst werden vergrabene Bilder gezeigt

Passend zu den Ausstellungsthemen wechselt auch die räumliche Gestaltung. Mal werden die zwei Ebenen der Präsentationsfläche miteinander verbunden, mal die Ausstellung kleinteilig mit Stellwänden unterteilt. „Selbst unsere Stammbesucher finden sich erst einmal nicht zurecht“, so Weiss. Auch das mache eine Ausstellung interessant.

Die nächste Schau wird bereits geplant, unter dem Arbeitstitel „Bildvergrabungen“: Ein Künstler hat Gemälde auf Leinwand erschaffen, sie anschließend zerschnitten und die Einzelteile an sehr unterschiedlichen Orten der Welt vergraben lassen. Nach einigen Jahren wurden sie wieder ausgegraben, aufgearbeitet und zum Ursprungsbild zusammengefügt. So wie es auch Archäologen machen: (Scherben) ausgraben und die Fragmente möglichst so gut zusammenbringen, dass sich aus ihnen ein Bild der Vergangenheit ergibt.