Harburg. „Mobilitäts- und Parkierungskonzept“ liegt nach zwei Jahren vor. Nach zunächst radikalen Ideen blieben kaum konkrete Vorschläge.

Es endet so überraschend, wie es begonnen hat: Die lange erwartete Endfassung des „Mobilitätskonzepts Heimfeld/Eißendorf“ liegt vor. Ein Jahr lang sammelten Verkehrsplaner Daten, Meinungen und Wünsche in den Quartieren rund um die Technische Universität (TUHH) in Harburg, ein weiteres Jahr zogen sie daraus Schlüsse. Der Bezirkspolitik war im Vorwege nicht Bescheid gegeben worden und auch, dass die Endfassung vorliegt, erfuhren die Abgeordneten durch Zufall. Nach Durchsicht des Konzepts überwiegt bei ihnen die Skepsis: Nicht nur, dass sie die Ergebnisse je nach politischer Couleur unterschiedlich bewerten. Insgesamt bleiben ihnen auch zu viele Fragen unbeantwortet.

Heimfeld: Aufgabe war es, Lösungen und Kompromisse zu finden

Die Verkehrsprobleme in den Quartieren, um die es geht, kennen alle Anwohner und jeder ist genervt. Ein hoher Parkdruck, Hauptverkehrsachsen, die die Lebensqualität derer beeinträchtigen, die nicht hauptsächlich mit dem Auto unterwegs sind, zu wenige attraktive öffentliche Flächen, kaum Radwege. Jedes dieser Probleme hat sich mehrfach in der Abendblatt-Berichterstattung wiedergefunden.

Der Platz auf den Straßen ist endlich. Manche der Wohnstraßen im Gebiet sind so schmal, dass man; wollte man normgerechte Fuß- und Radwege bauen, alle Parkplätze streichen müsste und bei einigen sogar die Fahrbahn. Aufgabe der Verkehrsplaner vom Büro „Mociety“ war es, Lösungen und Kompromisse zu finden.

Bei Rundgängen im Gebiet haben die Planer Eindrücke und Anregungen gesammelt.
Bei Rundgängen im Gebiet haben die Planer Eindrücke und Anregungen gesammelt. © HA | Lars Hansen

Vorschläge gab es einige: Quartiersgaragen, Anwohnerparken, Verkleinerung des Fahrbahnraums zugunsten von Rad- und Fußverkehr und zugunsten von Anwohnern, die sich einfach auch mal vor ihrer Tür aufhalten und wohlfühlen wollen. Dafür gab es auch die Idee, problematische Kreuzungen zu „Quartiersplätzen“ umzugestalten.

Kreuzungen, die entweder vom Durchgangsverkehr dominiert werden und den Anwohnern kaum Platz lassen oder solche, die durch wild parkende Autos so vollgestellt sind, dass Fußgänger keinen Überblick mehr haben und nicht sicher durchkommen. Sie sollen so verändert werden, dass man hier spielen und spazieren kann, aber nicht mehr parken oder hindurchrasen. Der Irrgarten ist da im Visier, oder das untere Ende der Hastedtstraße und ganz besonders der Bereich um die S-Bahn-Station Heimfeld.

Sieben Lösungen für den „Heimfelder Platz“ vorgestellt und fünf verworfen

Der Kreuzungsbereich Heimfelder Straße/Alter Postweg/Nobleestraße an dem alle Verkehrsformen und -mittel gleichermaßen vorkommen und der derzeit vom Durchgangs-Kraftverkehr dominiert wird, könnte umgestaltet werden, damit auch Menschen ohne Motorfahrzeug sich hier frei bewegen können. Einen Namen dafür gibt es auch schon: „Heimfelder Platz“

Nur ein Konzept gibt es noch nicht. In der Finalfassung werden sieben mögliche Lösungen für den „Heimfelder Platz“ vorgestellt, fünf davon verworfen und zwei für durchführbar gehalten: Zum einen Diagonalsperren, die die Durchfahrt vom südlichen Teil des Alten Postwegs zum nördlichen Teil und zur Nobleestraße versperren und auch das Abbiegen vom Alten Postweg in die Meyerstraße verwehren. So würde Verkehren aus den Nebenstraßen verschwinden, aber auch Durchgangsverkehre noch stärker auf der Kreuzung gebündelt werden.

Zum Anderen eine radikalere Sperrung der Kreuzung, die es nur noch erlaubt, aus den Wohnquartieren herauszufahren, aber nicht mehr über die bisherigen Hauptstraßen auf die Kreuzung zu. Nachteil: Die Rechenmodelle lassen starke Ausweichverkehre auf den Nebenstraßen befürchten.

Uwe Schneider (CDU)

„Sicherlich ist es für manchen wünschenswert, weniger Autoverkehr zu haben, nur wird die Bequemlichkeit der Verkehrsteilnehmer immer siegen.“

Uwe Schneider (CDU)
Vorsitzender des Mobilitätsausschusses

Beide Möglichkeiten hängen stark von der Leistungsfähigkeit der Nobleestraße ab. Die möchte das Bezirksamt jetzt noch einmal genauer untersuchen lassen. Dauer: ungewiss. Und auch bei vielen anderen Themen des Abschlussberichts sind noch weitere Untersuchungen erforderlich oder zumindest geplant.

Hochschultiefgarage unter der TUHH könnte für die Anwohner geöffnet werden

Die untergenutzte Hochschultiefgarage unter der TUHH könnte beispielsweise für die Anwohner als Quartiersparkhaus geöffnet werden und auch in anderen Bereichen könne man sich auf die Suche nach Standorten für Quartiersgaragen machen. Allein: Die Idee mit der TUHH-Garage ist schon älter, als der Untersuchungsauftrag. Nur zu einer überzeugenden Umsetzung ist es bis heute nicht gekommen. Hinter allen anderen möglichen Standorten für Quartiersgaragen stehen im Endbericht große Fragezeichen.

Thema Parken

Fragezeichen stehen auch hinter allen Vorschlägen zum Anwohnerparken. Zum einen, weil die Hamburger Verkehrsbehörde ihr Anwohnerparkkonzept für die gesamte Stadt gerade überdenkt. Zum anderen, weil die Planer nicht sehen, dass Anwohnerparken das Hauptproblem der autofahrenden Bewohner des Gebiets lösen würde. Nämlich, dass es zu wenig Parkplätze gibt, und dass zugunsten anderer Verkehrsteilnehmer sogar noch welche abgebaut werden müssten

Abgeordneter enttäuscht: „Kaum echte Lösungsvorschläge!“

„Gut an dem Bericht finde ich die Forschungsergebnisse“, sagt der Grünen-Bezirksabgeordnete Michael Sander, der in der vergangenen Legislaturperiode dem Mobilitätsausschuss vorsaß und dort den Bericht mit Spannung erwartete. „Es ist hilfreich, fundierte Daten zu haben, mit denen man planen kann. Enttäuscht hingegen bin ich davon, dass es für die meisten erkannten Probleme kaum echte Lösungsvorschläge gibt.“

Rund um die TUHH - hier: Kasernenstraße - sind alle Straßen zugeparkt.
Rund um die TUHH - hier: Kasernenstraße - sind alle Straßen zugeparkt. © xl | Lars Hansen

Sander und sein Ausschuss waren seinerzeit überrascht worden, als das Bezirksamt vor gut zwei Jahren bekanntgab, dass es das Konzept erstellen lasse und die Bürgerbeteiligung in Kürze beginne. Nicht einmal im Bezirksamt wusste jeder Bescheid. Das Fachamt „Management des öffentlichen Raums“ (MR), das für den Straßenbau zuständig ist, gab sich ebenso überrascht und brüskiert, wie die Verkehrspolitiker. Ein anderes Amt im selben Dezernat, das Fachamt „Stadt- und Landschaftsplanung“ (SL) hatte das Gutachten angeschoben, ohne dies zu kommunizieren.

Das setzte sich bis zum Ende so fort: Noch am 17. Oktober hatte der neue Mobilitätsausschussvorsitzende Uwe Schneider (CDU) in der Ausschusssitzung beim Referenten des MR nach dem Stand des Mobilitätskonzepts gefragt und zur Antwort nur ein Schulterzucken erhalten: Dies wüsste wohl nur das Stadtplanungsamt.

Abschlussbericht geliefert und im Transparenzportal versteckt

Eine Woche später lag der Abschlussbericht vor. Er taucht seitdem als Link auf der Homepage der Bürgerbeteiligung auf und ist als einer von rund 170.000 Datensätzen im Transparenzportal der Freien und Hansestadt Hamburg abrufbar. Damit gilt er als veröffentlicht. Darüber informiert wurden aber weder Harburgs Verkehrspolitiker, noch die Teilnehmer der Online-Bürgerbeteiligung.

Michael Sander stolperte kurz nach der Veröffentlichung zufällig über die Endfassung des Konzepts. Uwe Schneider erfuhr erst vom Abendblatt, dass die Endfassung vorliegt. Ähnlich ging es dem SPD-Verkehrspolitiker Michael Dose.

Verkehr in Heimfeld

„Es ist wichtig, zu wissen, wo die Probleme im Stadtteil liegen“, sagt Schneider. „Und es ist auch wichtig, sich das in gewissen Abständen immer wieder neu anzusehen. Von daher ist das Gutachten zu begrüßen. Was die vorgeschlagenen Maßnahmen angeht, muss man sie aber politisch bewerten. Sicherlich ist es für manchen wünschenswert, weniger Autoverkehr zu haben, nur wird die Bequemlichkeit der Verkehrsteilnehmer immer siegen. Große Quartiersgaragen mit weiten Fußwegen dorthin halte ich deshalb zum Beispiel nicht für zielführend. Und auch andere Vorschläge muss man genau bewerten.“

„Der Mobilitätsausschuss wird sich mit allen Aspekten des Konzepts noch intensiv befassen müssen“, sagt SPD-Mann Dose. „Ohne Zustimmung der Bezirkspolitik sollte das Bezirksamt hier nichts entscheiden!“