Neugraben-Fischbek. Europäischer Gerichtshof fordert erweitertes Konzept im Schutzgebiet Moorgürtel. Mit Konsequenzen für Neubauquartier mit 2300 Wohnungen.
„Wohnen und Arbeiten im Grünen“. Unter diesem Motto vermarktet die IBA Hamburg GmbH Harburgs mit Abstand größtes Bauprojekt, die Fischbeker Reethen. 2300 Wohnungen sollen auf einer ehemals landwirtschaftlich genutzten Fläche am Stadtrand an der Grenze zu Neu Wulmstorf entstehen. Unweit des Naturschutzgebiets (NSG) Moorgürtel. Genau das macht jetzt Probleme.
Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 12. September fordert, dass alle nach EU-Recht streng geschützten Arten sowie regelmäßig vorkommende Zugvogelarten beim Management von EU-Vogelschutzgebieten zu berücksichtigen sind. Der Moorgürtel ist ein solches Gebiet, erhielt diesen Status durch den stark bedrohten Wachtelkönig, der in dem weitläufigen, extensiv bewirtschafteten Grünland mit eingestreuten Moorresten, Gebüschen, Wäldern, Kleingewässern, Röhrichte noch einen geeigneten Lebensraum hat.
Fischbeker Reethen: Auch Bekassine und Braunkehlchen sollen nicht leiden
Der Schutz des scheuen, in der gesamten Europäischen Union vom Aussterben bedrohten Vogels gilt bislang das Hauptaugenmerk bei der Pflege und Entwicklung des 796 Hektar großen Schutzgebiets. Doch es gibt weitere sechs streng geschützte Arten, die zu berücksichtigen sind. Darunter Kranich, Weißstorch, Neuntöter und Wespenbussard.
Zu den zehn Zugvogelarten, die das EU-Vogelschutzgebiet Moorgürtel regelmäßig aufsuchen, gehören Pirol und Rohrammer, Bekassine und Braunkehlchen. Alle Arten müssen nicht nur stärker ins Management des Schutzgebiets einbezogen werden, sondern es muss auch geprüft werden, ob nahegelegene Vorhaben wie das Bauprojekt Fischbeker Reethen die Vögel im Schutzgebiet erheblich beeinträchtigen. Konkret müssen bereits abgeschlossene Gutachten überarbeitet werden, was zusätzliche Zeit kostet.
Noch stimmen die Behörden ab, was genau zu tun ist
„Durch das EuGH-Urteil können wir den bisher angestrebten Zeitplan für die Entwicklung der Fischbeker Reethen nicht einhalten. In Kooperation mit den zuständigen Behörden geht es jetzt darum, eine Lösung zu finden, um die Verzögerungen so gering wie möglich zu halten“ antwortet die IBA Hamburg GmbH als Projektentwicklerin auf eine Abendblatt-Anfrage.
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Durch das EuGH-Urteil sei der Zeitplan für den Abschluss des Bebauungsplanverfahrens Neugraben Fischbek 67 und die Entwicklung des Projektgebietes Fischbeker Reethen nicht einzuhalten, heißt es auch in einer abgestimmten Antwort der Behörden für Umwelt und für Stadtentwicklung sowie des Bezirksamts. Derzeit stimmen die Beteiligten die „konkreten Überarbeitungsbedarfe und den damit verbundenen Zeitbedarf“ ab. Und weiter: „Eine belastbare Prognose über die Verzögerungen ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht möglich.“
Harburg: Leiter des Stadtplanungsamts rechnet mit einem Jahr Verzögerung
Heiko Stolzenburg, Leiter des Harburger Fachamts für Stadt- und Landschaftsplanung, wurde gegenüber dem Stadtentwicklungsausschuss etwas präziser: „Das Urteil bedeutet, dass wir Verfahrensschritte wiederholen müssen. Ich rechne mit einer Verzögerung von etwa einem Jahr.“ Der Entwurf des B-Plans ist schon weit fortgeschritten. Im Juni/Juli war er öffentlich ausgelegt worden.
Auf der Website der IBA Hamburg ist die nun hinfällige Zeitplanung ohnehin vage formuliert: „Erste Erschließungsarbeiten finden nicht vor 2024 statt. Die Hochbaureife ist etwa zwei Jahre später vorgesehen. Ab dann werden neben den Gebäuden Sportplatz, Grünflächen, Spielplätze sowie Freianlagen hergerichtet. Über Grundstücksangebote für interessierte Investor:innen, Wohnungsbaugesellschaften und Baugemeinschaften werden wir auf dieser Seite informieren, sobald die Vermarktung beginnt.“