Harburg. Verletzungen und Alter bremsen Heinz und Wiebke Baseda nicht. Was die Harburger motiviert, und was sie neben Sport alles drauf haben.
- Heinz und Wiebke Baseda aus Harburg sind seit Jahrzehnten eines, wenn nicht das erfolgreichste Leichtathletik-Paar der Metropolregion.
- Große internationale Meisterschaften kombinieren sie immer mit einem Urlaub, um Land und Leute näher kennenzulernen.
- Die Liste ihrer weiteren Hobbys ist lang: Wohnmobil, Segelboot, Hündin, Nähen, Haus und Garten – und natürlich die Familie.
Wir treffen Wiebke Baseda und Heinz Baseda auf dem Parkplatz in der Scharfschen Schlucht, direkt neben der sogenannten Tietz-Halle, einer Tennishalle. Vom Parkplatz aus führt der Weg etwa 200 Meter leicht bergauf zum Sportplatz des SV Grün-Weiss Harburg. Die beiden Senioren-Leichtathleten sind diesen Weg tausende Mal hinauf und nach dem Training wieder hinab gegangen. Die Sportanlage im Harburger Stadtteil Sinstorf ist wie ihr zweites Zuhause.
Seit vielen Jahrzehnten sind die 65 Jahre alte Wiebke und der 70 Jahre alte Heinz als Leichtathleten bekannt und erfolgreich – weit über Harburg, Hamburg und Norddeutschland hinaus. Doch das Ehepaar mit drei erwachsenen Kindern und vier Enkelkindern ist so viel mehr als nur Leichtathletik. Diese andere Seite – oder besser: diese vielen anderen Seiten – rückt der Autor dieser Zeilen diesmal in den Fokus.
Krönender Saisonabschluss 2023 sind Masters-Europameisterschaften in Italien
Erst seit wenigen Tagen sind die beiden aus Italien zurück. In Pescara fanden zum Abschluss der Freiluftsaison 2023 die Senioren-Europameisterschaften statt, neuerdings Masters genannt. Natürlich gewannen die Basedas wieder internationale Medaillen, auch einen Weltrekord dürfen sie neuerdings ihr Eigen nennen. Dazu später mehr.
Seit Jahren gehört es zur guten Gewohnheit, Starts bei Welt- und Europameisterschaften mit einem Urlaub zu verbinden. So gucken sich die Basedas nach Hallen-Titelkämpfen im März und Freiluft-Titelkämpfen im September jeweils Land und Leute der Ausrichternation an. Diesmal waren sie noch drei Wochen in Italien und auf Korsika unterwegs. Für 2024 laufen die Planungen für Polen (Hallen-EM in Torun) und Schweden (Freiluft-WM in Göteborg).
Bei Reisen mit dem Wohnmobil ist Welshterrier-Hündin Rosi immer dabei
Neuerdings reist das sympathische Ehepaar im eigenen Wohnmobil durch die Weltgeschichte. Sie parken direkt vor dem Stadion, Hund Rosi, ein Welshterrier, ist immer dabei. Wenn die Veranstalter es erlauben, darf „Rosi“ mit ins Stadion. Bei den deutschen Meisterschaften in Mönchengladbach musste sie draußen bleiben, aber: „In Italien war Rosi der Star auf der Tribüne“, erzählt Wiebke, die das Wohnmobil in Eigenarbeit aus- und umgebaut hat.
„Ich hab mir Videos bei YouTube angeguckt und einiges ausprobiert. Hat natürlich nicht alles auf Anhieb geklappt“, erzählt die 65 Jahre alte Erzieherin der Sinstorfer Kinderstube, seit Ende September im Ruhestand. Gut verwenden, etwa für die Polster im Wohnmobil, konnte sie ihre Fähigkeiten aus einem weiteren Hobby, dem Nähen. Gelegentlich ist Oma Wiebke auch gemeinsam mit Enkelkindern an der Nadel aktiv.
Wiebke Baseda: „Unser Sport hält uns fit und beweglich – auch für den Alltag!“
Ihre Motivation: „Für mich ist es ein Anreiz, auszuprobieren, was ich in meinem Alter noch schaffe.“ Das gilt gleichermaßen für Körper und Geist. „Unser Sport hält uns fit und beweglich. Alltägliche Tätigkeiten können wir ohne Rumstöhnen erledigen. Wir laufen mit kurzen, schnellen Schritten Treppen rauf oder krabbeln mit den Enkelkindern unter den Tisch.“
Apropos Nachwuchs: Aus der Ehe von Heinz und Wiebke Baseda sind drei Kinder hervorgegangen: Vanessa (heute 41), Jonas (39) und Chantal (33). Chantal spielt Basketball, das Hauptaugenmerk von Vanessa und Jonas galt und gilt der Leichtathletik. Jonas Baseda beispielsweise gewann bei der Masters-EM in Italien überlegen den Speerwurf-Titel der Altersklasse M35.
Auch den vier Enkelkindern ist der Sport in die Wiege gelegt. „Früher haben wir mit unseren Kindern gemeinsam trainiert. Heute sind manchmal drei Generationen gleichzeitig in der Scharfschen Schlucht“, erzählt Wiebke lächelnd.
Natürlich sind auch alle Kinder sportlich, Jonas etwa Speerwurf-Europameister
Als Zehnjährige hatte Wiebke beim Harburger TB mit dem Sport angefangen. Richtig erfolgreich wurde sie im Seniorinnenalter im grün-weißen Trikot, startete zwischendurch zwei oder drei Jahre für den TSV Stelle und ist seit 20 Jahren zurück bei Grün-Weiss Harburg. Einst trainierte sie eine Gruppe, zu die eigenen Kindern gehörten.
Seit einigen Monaten ist sie Leichtathletik-Abteilungsleiterin für etwa 100 Mitglieder und Nachwuchstrainerin einer Ü13-Gruppe. „Das geht ja gar nichts anders“, sagt Wiebke Baseda nachdenklich. Vorher hatte sich Ekhard Küster jahrelang um all diese Dinge gekümmert. Doch „Eddi“ verstarb im März dieses Jahres unerwartet.
Beim Harburger Turnerbund liegen die sportlichen Ursprünge des Ehepaars
Harter Übergang: auch der aus Neugraben stammende Heinz Baseda hat sportliche Wurzeln beim Harburger TB. Zur Leichtathletik fand er im Alter von 40 Jahren, als ihn Jörg Denker bei einem Vereinswettkampf ansprach, das Potenzial erkannte und ihn zum Start bei Hamburger Fünfkampf-Meisterschaften motivierte. Von 1998 bis 2004 startet Heinz für den Ahrensburger TSV, gewann mit Senioren-Mannschaften und -Staffeln mehrere deutsche Meistertitel. Auch der 70-Jährige ist seit fast 20 Jahren zurück bei Grün-Weiss Harburg.
Ein Meilenstein und eine Inspiration sei für ihn die Begegnung mit Guido Kratschmer bei den Fünfkampf-Meisterschaften 2003 in Erding gewesen. In der Altersklasse M50 standen der ehemalige Zehnkampf-Weltrekordler und der ebenfalls 1953 geborene Heinz Baseda in einem Wettkampf. „Vor dem 200-Meter-Lauf ist Guido zu mir gekommen und hat gefragt, was ich ungefähr laufen will. 26 Sekunden hab ich gesagt“, erinnert sich der Harburger. „Das passt“, antwortete Kratschmer.
Guido Kratschmer: Begegnung als Inspiration für langen sportlichen Weg
Wenig später stürmten sie Bahn an Bahn und Brust an Brust ins Ziel und wurden zeitgleich in 25,74 Sekunden gestoppt. Kratschmer gewann den Titel, Baseda wurde Vierter und stellte mit der Ahrensburger Mannschaft einen deutschen M50-Rekord auf. „Da habe ich gesehen, dass selbst die ganz großen Namen wie ein Weltrekordler nicht so weit weg sind“, erinnert sich Heinz Baseda. „Geschichten wie diese sind das Schöne an unserem Sport. Sich miteinander zu freuen, sich gegenseitig zu gratulieren – das ist gerade unter Mehrkämpfern sehr ausgeprägt.“
- Verletzungspech bremst starke Seniorinnen-Mannschaften
- Ein Traum geht in Erfüllung: Jonas Baseda ist Weltmeister
- Ehepaar Baseda und Brigitte Heidrich sind deutsche Meister
Dieses Gemeinschaftserlebnis ist auch ein Grund, warum sich Heinz Baseda bei den diesjährigen Masters-Europameisterschaften noch einmal der ultimativen Herausforderung Zehnkampf stellte – trotz irreparabler Schulterverletzung. Zwei der drei Wurfdisziplinen musste der Rechtshänder mit dem linken Arm absolvieren. Trotz des daraus resultierenden Punkteverlusts erreichte Heinz Baseda einen respektablen vierten Platz.
„Sich zu gratulieren und sich miteinander zu freuen, ist unter Mehrkämpfern sehr ausgeprägt“
2013 hatte der seinerzeit 60-Jährige stundenlang die Hecke im heimischen Garten geschnitten. Danach ging es zum Training in die Scharfsche Schlucht. Bei einer ruckartigen Armbewegung über der Hürde passierte es: Die Supraspinatus-Sehne in der rechten Schulter, die sogenannte Rotatoren-Manschette, riss. Wenig später erlitt Wiebke Baseda die gleiche Verletzung: das Ehepaar bekam einen Doppel-MRT-Termin und war zeitgleich jeder für sich mit einer stützenden Armmanschette unterwegs.
Während die Verletzung bei Wiebke gut ausheilte, hatte Heinz länger etwas davon. Weil sich der Muskel zurückgezogen hatte, riss die Sehne in der Schulter insgesamt dreimal, zweimal wurde der passionierte Leichtathlet nach bekannten Methoden operiert. Erst der Wechsel zu einem Arzt mit einer speziellen OP-Methode brachte schließlich Linderung. Dieser verpflanzte eine Sehne von unterhalb des linken Knies in die lädierte rechte Schulter: Seitdem hält die Sehne, die Funktionsfähigkeit ist immerhin zu 70 Prozent wieder hergestellt.
Trotz schwerer Schulterverletzung macht Heinz Baseda weiter Zehnkampf
Kugelstoßen und Speerwerfen kann Heinz Baseda mit dem rechten Arm nicht mehr. Diskuswurf funktioniert indes, weil die Armbewegung von weiter unten ausgeführt wird. „Einige werden sagen, ich sei verrückt. Aber ich habe dabei keine Schmerzen“, so Baseda, der in der Einschränkung auch eine Herausforderung sieht. „Für mich besteht der Anreiz darin, herauszufinden, wie doll ich mich mit dem ‚falschen‘ Arm steigern kann. Von 15 auf knapp 20 Meter habe ich es schon geschafft.“ Die Alternative wäre, gänzlich auf Zehnkampf zu verzichten und nur auf Einzeldisziplinen zu setzen.
Das wäre kaum weniger erfolgversprechend. Heinz Baseda wurde in diesem Jahr zum Beispiel deutscher Meister im Hochsprung und 80 Meter Hürden. Bei der Masters-EM gewann er dank energischen Schlussspurts nach der letzten Hürde die Silbermedaille der M70-Senioren. Zudem drückte er seinen eigenen Hamburger Rekord weiter auf 13,92 Sekunden.
EM-Gold und Weltrekord mit der deutschen Mixed-Staffel
„Das i-Tüpfelchen meiner Starts war die Nominierung für die 4x400-Meter-Mixed-Staffel der 70-jährigen Männer und Frauen. Die polnische Konkurrenz haben wir hinter uns gelassen und den Europameistertitel gewonnen“, erzählt der Harburger stolz. Erst im Nachhinein erfuhr das deutsche Quartett, dass es einen Weltrekord aufgestellt hatte. Kleine Einschränkung: die Mixed-Staffel gibt es erst sehr kurz, daher wurde sie bislang wenig gelaufen.
Auch Wiebke Baseda gewann im Sommer zwei deutsche Meistertitel: über 80 und 300 Meter Hürden der Seniorinnen W65. Weil sie zu Beginn der Masters-EM das 65. Lebensjahr nicht vollendet hatte, musste sie auf internationaler Ebene noch in der jüngeren W60 starten – mit entsprechend geringeren Erfolgsaussichten. Sie konzentrierte sich auf eine Disziplin: Über 300 Meter Hürden erreichte Wiebke den vierten Platz mit einer guten Zeit unter 60 Sekunden.
Das fitte Senioren-Paar hat viele Hobbys: Segelboot, Eigenheim mit Garten, Wohnmobil
Nach der Saison und der Rückkehr aus Italien nutzten Wiebke und Heinz Baseda die Zeit, sich weiteren Hobbys zu widmen. Unter anderem galt es, das an der Trave liegende Segelboot winterfest zu machen. Auch am Eigenheim mit großem Garten in Emmelndorf, in das sie vor wenigen Jahren umgezogen sind, gibt es immer etwas zu tun.
Bis zum Beginn des Wintertrainings in der Halle sah man sie wieder den leichten Anstieg vom Parkplatz an der Tietz-Halle hinauf zu ihrem zweiten Wohnzimmer nehmen, dem Sportplatz Scharfsche Schlucht. Lockeren Schrittes, gut gelaunt und mit einem Lächeln im Gesicht.