Rellingen. Seriensiegerin Ingrid Holzknecht belässt es diesen Sommer bei vier DM-Titeln aus Mönchengladbach. Warum sie nicht nach Italien reist.
Wer auf der Veranstalterseite der Senioren-Leichtathletik-EM die Startlisten aufruft, wird durch die schier endlos erscheinende Liste von 8796 Starts in den Altersklassen M/W 35 bis M/W 85 fast erschlagen. Doch ein vertrauter Name fehlt da bei diesen Titelkämpfen, die vom 21. September bis 1. Oktober in Pescara/Italien stattfinden werden. Für Ingrid Holzknecht (LG Elmshorn) hat es kein langes Grübeln gegeben, ob sie die Reise an die italienische Adriaküste auf sich nehmen will. Obwohl die 83-Jährige in den vergangenen Jahrzehnten unzählige Medaillen bei nationalen und internationalen Titelkämpfen abgeräumt hat – und es wohl auch bei der EM wieder würde –, diese Meisterschaften wird die Rellingerin an der Seite ihres Mannes Hans (84) im schmucken Haus und Garten am Ellerbeker Weg verbringen.
Leichtathletik Seniorensport: Lieber in Rellingen bleiben statt zur EM nach Pescara
„Ich wäre vielleicht noch gefahren, aber das kann ich meinem Mann nicht zumuten, nachdem bei einer Hüft-OP seine Muskulatur geschädigt wurde“, sagte die vielseitige Leichtathletin über ihren Mann, der seit 58 Jahren auch ihrer Trainer, Anpeitscher und Wettkampfbetreuer ist. „Wir haben unser Leben lang alles gemeinsam gemacht. Und auch wenn er mir gesagt hat, ich könne doch allein fahren, ist für mich ganz klar gewesen: Wenn er bleibt, dann bleibe ich auch zu Hause.“
Doch auch so wird Ingrid Holzknecht ihr bereits 70. Leichtathletikjahr in guter Erinnerung behalten. Bei der Masters DM der Senioren hat sie wieder bewiesen, dass ihr geliebter Sport keine Altersgrenze kennt, wenn man sich fit hält – Gesundheit vorausgesetzt. In Mönchengladbach ist die 83-Jährige in allen vier technischen Wurf- und Stoßdisziplinen an den Start gegangen. Am Ende durfte sie ebenso viel Goldmedaillen wieder mit nach Hause nehmen.
Bei allem Erfolg übt Ingrid Holzknecht auch etwas Kritik an ihrer Leistung
„Dabei bin ich nicht zufrieden mit mir. Das Diskuswerfen ging nicht nicht so, wie es eigentlich beim Training geht“, sagte die selbstkritische Athletin, die mit 21,62 Metern ihre ärgste Verfolgerin, Hildegard Gemmerich-Both LSG Saarlouis), um immerhin 5,26 Meter distanziert hatte. „Und beim Hammerwerfen kam ich so überhaupt nicht zurecht. Das liegt auch daran, dass wir auf unserem Trainingsplatz in Elmshorn keinen Wurfkäfig haben. So sind dann drei Würfe ganz ins Netz gegangen und selbst bei meinem besten hat noch der Bügel den Pfeiler berührt – und schon sind zwei Meter weg.“
Kritik auf wirklich hohem Niveau – schließlich sind es die nationalen Titel Nummer 54, 55, 56 und 57 für Ingrid Holzknecht. Weitere dürfen gern folgen. „Aber man darf nie vergessen, dass auch ich in einem Alter bin, wo von heute auf morgen Schluss sein kann. In Mönchengladbach waren die Felder sehr dünn; es fehlen viele Mitbewerber und Freunde, die aufgehört haben.“
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Aber von aufhören will die Frau, die 2016 einen schweren Bergunfall mit Koma und 13-fachen Knochenbrüchen überstanden hat, noch nichts wissen: „Ich werde weitertrainieren.“
Ingrid Holzknechts Meisterleistungen von Mönchengladbach, Speer (400 g): 18,34 m; Kugel (2 kg): 8,21 m; Diskus (750 g): 21,62 m; Hammer (2 kg): 23,76 m.