Harburg. Lange Jahre zierte sie den Binnenhafen, dann zog es die „Seute Deern“ in feinere Gefilde. Nun könnte es ein Happy End geben. Die Gründe.

  • Was tun mit alten Schiffen, für die es keine Funktion mehr gibt, die ihren Eignern aber trotzdem etwas bedeuten?
  • Die „Seute Deern“ ist so ein Fall: Ein Harburger Unternehmer hatte die Helgoland-Fähre einst vor der Schrottpresse gerettet
  • Nun möchte der neue Eigentümer daraus ein Kulturschiff für den Harburger Hafen machen – und hat bereits konkrete Pläne

Es fühlt sich an, als käme ein guter Freund zurück: Womöglich noch im Juni wird die „Seute Deern“ wieder im Harburger Binnenhafen festmachen. Gut elf Jahre gehörte das Helgoländer Bäderschiff zum Binnenhafen. Es hatte vor den Channel-Neubauten am Westlichen Bahnhofskanal festgemacht. Danach lag es einige Jahre im Traditionsschiffhafen in der HafenCity. Jetzt kehrt es zurück nach Harburg.

Die „Seute Deern“ kehrt endlich heim: Harburg gewinnt lieb gewonnenes Juwel zurück

Der heutige Eigner Matthias Lackner hat aus dem 1961 erbauten Seebäderschiff einen Veranstaltungsort gemacht. „Ich habe das Schiff im August 2022 gekauft, um es für kulturelle Zwecke zu nutzen“, sagt Lackner. Damals ging er davon aus, dass es im Sandtorhafen unweit der Elbphilharmonie bleiben kann. Die Elphi habe Interesse bekundet, an Bord des Schiffes musikalische Bildungsangebote zu machen. Zudem seien Konzerte, auch Lesungen und Theater, angedacht gewesen.

Matthias Lackner, Eigner des ehemaligen Helgolandschiffs „Seute Deern“, wird demnächst im Harburger Binnenhafen festmachen.
Matthias Lackner, Eigner des ehemaligen Helgolandschiffs „Seute Deern“, wird demnächst im Harburger Binnenhafen festmachen. © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Lackner hatte 1979 bis 1985 an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater (HfMT) Komposition studiert. Der Vater von drei erwachsenen Kindern lebte dann lange Zeit in Köln und zog 2009, inzwischen geschieden, wegen seiner Lebenspartnerin nach Hamburg zurück. Der heute 65-Jährige ist kein Schiffsnarr, seine Passion liegt woanders: „Ich habe die beiden Schiffe mit dem Wunsch erworben, aus ihnen Kulturstätten zu kreieren“, sagt er.

Die „Seute Deern“ stammt aus dem Nachlass von Heinrich „Kapitän“ Prüsse

Neben der „Seuten Deern“ gehört ihm die „Hadersleben“, das letzte noch erhaltene Schiff, das auf der Kaiserliche Werft in Kiel gebaut wurde (1906). Es war einst als Wasserschiff im Hafen unterwegs. Zuletzt versorgte es Kreuzfahrtschiffe mit Frischwasser.

Beide Schiffe stammen aus dem Nachlass vom Barkassenbetreiber Heinrich „Kapitän“ Prüsse. Er sammelte alte Schiffe. Als Prüsse im Herbst 2021 verstarb, entschieden seine Nachfolger bei der Reederei Kapitän Prüsse, gleich ein Dutzend Schiffe bei Ebay anzubieten. Zuvor hatte Prüsse die „Seute Deern“ von Weber erworben, nachdem es nicht gelungen war, das Schiff wirtschaftlich als Veranstaltungsort zu betreiben.

HafenCity: Liegeplatz im Traditionsschiffhafen wurde gekündigt

„Über elf Jahre zierte die Seute Deern den Harburger Binnenhafen und half maßgeblich, die Projektentwicklung im Stadtteil voranzutreiben“, war im April 2019 in der Pressemitteilung über den Verkauf von Weber an Prüsse zu lesen.

Die „Seute Deern“ in feineren Gefilden – im Jahr 2022 direkt neben der Elbphilharmonie.
Die „Seute Deern“ in feineren Gefilden – im Jahr 2022 direkt neben der Elbphilharmonie. © Roland Magunia/Hamburger Abendblatt | Roland Magunia/Funke Foto Services

Jetzt könnte das weiße Stahlschiff ein zweites Mal zu einem Aushängeschild des Binnenhafens werden. „Ich hoffe, dass ich mit dem Schiff hier langfristig bleiben kann“, sagt Lackner. Er habe dazu bereits positive Signale vom für die Wasserflächen zuständigen Harburger Bezirksamt erhalten.

Harburger Binnenhafen: Kanalplatz könnte Zwischenstation werden

Ein maritimer Umzug war nötig geworden, weil die „Seute Deern“ – wie andere Schiffe auch – den Traditionsschiffhafen kürzlich verlassen musste. Dort hatte Lackner Unternehmens- und kleinere Musikveranstaltungen durchgeführt. „Am 7. Mai hatten wir noch die Präsidenten der Deutschen Musikhochschulen an Bord, insgesamt rund 90 Gäste. Am 8. Mai mussten wir ablegen.“

Zuvor hatte er sich gegen die Kündigung seines Liegeplatzes in der Hamburger City einige Monate lang gewehrt. Ohne Erfolg.

Die Kommandozentrale der „Seuten Deern“.
Die Kommandozentrale der „Seuten Deern“. © Roland Magunia/Hamburger Abendblatt | Roland Magunia/Funke Foto Services

„Auf der Suche nach einem neuen ständigen Liegeplatz habe ich den tidefreien Harburger Binnenhafen schätzen gelernt“, so Lackner. „Mir gefällt auch die Architektur sehr gut, die Mischung aus modernen und historischen Bauten.“ Auf die gerade angebotenen Liegeplätze für Gastro- oder Kulturschiffe am Treidelweg konnte sich Lackner nicht bewerben. Dafür ist sein „Süßes Mädchen“ mit gut zehn Metern zu breit geraten.

Vielleicht gibt es ein Comeback im Westlichen Bahnhofskanal

Vorübergehend könnte das 64 Meter lange Schiff vielleicht noch im Juni direkt am Kanalplatz festmachen. Das bestätigt der Museumshafen Harburg (MuHaHar), zu dem der prominente Kaiabschnitt gehört, verweist aber auf noch fehlende Dokumente. Zudem wird um den 19. Juli der Frachtsegler „Avontuur“ am Kanalplatz erwartet, um alljährlich tonnenweise Kaffee zu entladen. Die „Avontuur“ wird anschließend noch einige Tage bleiben.

Noch ist die Rückkehr der „Seuten Deern“ also nicht in trockenen Tüchern. Doch vieles spricht dafür, dass das Schiff sehr bald wieder in Harburg einläuft. Ein ständiger Liegeplatz ist noch nicht gefunden – der Westlichen Bahnhofskanal gehört zu den potenziellen Kandidaten. Wenn der Ort gefunden ist, plant Lackner drei Formate auf dem Schiff.

Geplant: Leseraum mit 70.000 Büchern und Heißgetränken

Für „Art in Work“ (Kunst und Arbeit) ist Lackner unter anderem mit dem Ligeti Zentrum mit Sitz am Veritaskai im Gespräch. Das Zentrum ist ein Verbundprojekt der HfMT, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, der Technischen Universität Hamburg und dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Es will zum einen neue Technologien in die künstlerische Arbeit integrieren, zum anderen das therapeutische Potenzial von Musik und Klang erforschen.

Das zweite Format nennt Lackner „Society in Work“. Es geht um zivilgesellschaftliche Themen und Beteiligungsformate. Hier sollen sich unter anderem Interessensgruppen austauschen, die häufig nicht ausreichend zu Wort kommen, etwa freie Künstler. Das i-Tüpfelchen wird eine spezielle Bibliothek sein, die rund 70.000 Bücher umfasst. Es ist die private Sammlung des Schiffseigners. Die ist bereits an Bord, trocken eingelagert im Unterdeck.

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Sie umfasse Werke aus dem 16. Jahrhundert bis 1990, so Lackner. Die Themenpalette bestehe aus Kultur- und Sozialgeschichte, Reiseberichte, Kolonialgeschichte. „Darunter sind viele Sonderausgaben. Ich möchte einen Ruheraum schaffen, in dem Interessierte bei einem Kaffee in den Büchern lesen können.“

Nicht nur die „Seute Deern“ wird nach Harburg zurückkehren

Auch für die erhoffte Zwischenvisite am Kanalplatz hat Lackner Pläne: „Unser Caterer wird an Bord sein, sodass auf der ‚Seuten Deern‘ gegessen und Kaffee getrunken werden kann. Ich werde auf kleinen Veranstaltungen darüber informieren, was das Kulturschiff zukünftig bieten wird.“ Wenn alles klappt, kommt vielleicht nicht nur die „Seute Deern“ nach Harburg: „Wir können uns vorstellen, von St. Georg hierherzuziehen“, sagt Matthias Lackner.