Hamburg. Auf einem Traditionsschiff wohnen? Einen Club eröffnen? Zwölf in die Jahre gekommene Schiffe stehen in Hamburg zum Verkauf.

Wer sein Sofa, einen ausrangierten Hamsterkäfig oder Omas alten Toaster via Kleinanzeige im Internet feilbietet, kann verblüffend schnell Erfolg ernten. Bisweilen auf Verhandlungsbasis. Im Fall eines 64 Meter langen und zehn Meter breiten Seebäderschiffs mit Platz für mehr als 500 Passagiere wird der Fall erheblich kniffliger. So wie jetzt. Tatsächlich steht in Hamburg aktuell eine Flotte von zwölf in die Jahre gekommener Schiffe zum Verkauf.

Im Dutzend billiger – bei passendem Gebot auch einzeln. Oder zum Schrottpreis. Da sich darunter jedoch maritime Perlen wie das Seebäderschiff „Seute Deern“ oder Arbeitsboote wie die historische Hafenschönheit „Hadersleben“ befinden, werden nicht nur Liebhaber mit Faible für maritimer Tradition gesucht. Unternehmer mit Risikofreude und Fantasie sollen übernehmen. Kostspieliger als der Kauf dürften auf Dauer Unterhalt und Betrieb ausfallen. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Traditionsschiffe in Hamburg: Schwimmende Legende steht zum Verkauf

Um einer spannenden Hamburgensie auf den Grund zu gehen, steigen wir an Bord. Willkommen im Fahrgastraum der „Seute Deern“. Buten und binnen macht das gut sechs Jahrzehnte alte Schmuckstück im Traditionsschiffhafen in der HafenCity einen prima Eindruck. Wer sich einstmals auf den Weg nach Helgoland machte, in Altona in den Zug stieg und unweit der Alten Liebe in Cuxhaven aufs Schiff wechselte, wird sich an den wunderbaren Charme des vergangenen Jahrhunderts erinnern.

Das Interieur der „Seuten Deern“ ist herrlich altmodisch.
Das Interieur der „Seuten Deern“ ist herrlich altmodisch. © Roland Magunia/Hamburger Abendblatt | Roland Magunia/Funke Foto Services

Nach der Jungfernfahrt vom Festland zur Hochseeinsel im Mai 1961 war das auf der Werft Rheinstahl-Nordseewerke in Emden gebaute Schiff vielfältig im Einsatz. Teilweise in Kooperation der Hamburger Hadag mit der Reederei Cassen Eils. Das sturmerprobte, selbst bei steifer Brise und heftigem Seegang stabil manövrierbare Seebäderschiff stand als „Süßes Mädchen“, so die Übersetzung des Namens am Bug, für Qualität und Zuverlässigkeit. Bis zum Jahrtausendwechsel. Letzter Besitzer war der Barkassenbetreiber Heinrich „Kapitän“ Prüsse mit Firmenadresse Landungsbrücke 3. Nach dem Tod des schiffsvernarrten Originals im Herbst 2021 wurde es still um die altehrwürdige „Seute Deern“.

Nicht nur Raritäten werden angeboten

„Das soll sich ändern“, hofft Michael Derboven an Bord der schwimmenden Legende. Der 48-jährige Fahrzeughändler aus Seevetal, gelernter Klempner und von Haus aus Landwirt, ist ein Kapitel für sich. Der Familienvater betritt mit einem Schiff dieser Dimension geschäftliches Neuland. Quasi als Makler und Vermittler für die neuen Betreiber von Kapitän Prüsse ist der Kaufmann nun auf der Suche nach einem würdigen Nachbesitzer. Verschrotten wäre eine Schande.

Was nicht für alle Objekte des ungewöhnlichen maritimen Nachlasses zutrifft. Zwar gelten „Seute Deern“ wie „Hadersleben“ als Raritäten mit Seltenheitswert, doch hat die Mehrheit des verankerten Dutzends die beste Zeit längst hinter sich. Die „Hadersleben“ war einst als Wasserschiff im Hafen unterwegs. Zuletzt versorgte es Kreuzfahrtschiffe an den Terminals mit Frischwasser. Am Alten Zollhafen nahe der Elbbrücken rosten zehn Boote aus Käpt’n Prüsses Vermächtnis vor sich hin. Dazu gehören Arbeitsschiffe wie der Frachter „Tannenberg“, der Taucher „Flint“ sowie ein Ölfahrer. Allein 1500 bis 2000 Tonnen Eisen und Stahl am früheren Hauptzollamt in Entenwerder haben einen Marktwert von schätzungsweise 400.000 Euro.

"Seute Deern": Paket- und Einzelerwerb möglich

„So etwas ist ein erheblicher Klotz am Bein“, sagt Michael Derboven bei einer Cola im Fahrgastraum der „Seuten Deern“. Deswegen wurde beschlossen, nicht partout im Paket verkaufen zu müssen. Ohnehin hat sich der gewiefte Unternehmer aus Seevetal den Auftrag auf Umwegen geangelt. Motto: „Ich verkaufe alles, was rollt und schwimmt.“ Sein Hobby, von Versicherungen Unfall-Mopeds günstig zu kaufen und in Eigenarbeit fahrtüchtig zu machen, gestaltete er vor 20 Jahren zum Hauptberuf.

Als selbstständiger Fahrzeughändler mit einem Angestellten hökert seine Firma „Speed-Bike“ am Hennenhof in Seevetal mit Unfallfahrzeugen aller Art. „Eine Wohnung oder einen Gebrauchtwagen kann man an jeder Ecke kaufen“, sagte Derboven sich selbst, „ein Seebäderschiff gewiss nicht“. Der Mitte Mai übernommene Job reizte ihn. Arbeitsdevise: „Stückchenweise in liebevolle Hände.“ Möglichst für Interessenten mit Sinn für Hamburgs maritime Geschichte.

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  • Zumal der Unternehmer mit dem anpackenden Naturell im Süden Hamburgs eine Größe ist. Er vermittelt wirklich alles, was rollt, Baumaschinen, Radlader, Kräne, Traktoren inklusive. Die Preisspanne der von Versicherungen abgestoßenen Schadensfälle liegt zwischen fünf Euro für einen schrottreifen Motorroller bis 500.000 Euro für einen Baugiganten. Käufer stammen meist aus der östlichen EU-Nachbarschaft oder aus dem Nahen Osten. Vor fünf Jahren formte der umtriebige Kaufmann das Studio Maschen („direkt an der Autobahn ...“) zu einem Club mit Disco-Charakter. Man kennt sich eben vor Ort.

    „Mundpropaganda ist die beste Werbung“, weiß Michael Derboven aus Erfahrung. Die Firma Prüsse wolle sich wieder auf das Kerngeschäft mit Barkassen konzentrieren und Ballast loswerden. Kapitän Heinrich Prüsse, am Elbufer in der Regel „Hein“ gerufen, soll zu Lebzeiten eine Offerte von 250.000 Euro für die „Seute Deern“ abgelehnt haben. Diesen Luxus eines inbrünstigen Sammlers würde man sich jetzt nicht mehr gönnen.

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    „Der Kahn ist wunderbar in Schuss“, sagt „Speedy“ Derboven an Deck. Das Logbuch befindet sich noch auf der Brücke; eine Betriebsgenehmigung liegt vor: „Schlüssel rein, umdrehen und in See stechen.“ Erste Kaufbewerber, sagt der Vermittler, hätten auf das Angebot der "Seute Deern" auf ebay-Kleinanzeigen und ein Inserat in einem Seevetaler Werbeblatt reagiert: „Die Sache kommt in Gang.“ Zukünftig könne die „Seute Deern“ als Gastronomiebetrieb, schwimmende Eventstätte, 3-D-Kino, als Büroschiff oder Wohnung genutzt werden. Denn die florierenden Jahre als Seebäder- und Butterschiff sind passé.

    Die ersten Reaktionen machen Michael Derboven Mut. So viel, dass er erwägt, nicht nur als Makler in Aktion zu treten. „Vielleicht kaufe ich das Prüsse-Paket im Alleingang“, sagt er zum Abschied an der Gangway. Auf eigene Rechnung also. Fürchterlich schiefgehen könne so etwas. Andererseits...