Harburg. Am Ligeti-Zentrum sollen im Hamburger Süden die verschiedensten Disziplinen und Hochschulen zusammenkommen. Welche Idee dahintersteckt.

Die Hochschule für Musik und Theater (HfMT) kommt in den Hamburger Süden und bringt gleich weitere Leuchttürme der Hamburger Wissenschaftseinrichtungen mit: Das Ligeti-Zentrum, das am 3. Mai im Harburger Binnenhafen eingeweiht wurde, will als ein interdisziplinäres Transferzentrum unterschiedlich ausgerichtete Hamburger Hochschulen und Forschungsrichtungen zusammenbringen und so die fachübergreifende Zusammenarbeit beflügeln.

Im neunten und zehnten Obergeschoss des Kaispeichers am Veritaskai werden Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aller federführenden Hamburger Forschungseinrichtungen vertreten sein. Es soll ein Leuchtturm, aber kein Elfenbeinturm werden.

Hajdu hat Ligeti, das kreative und produktive Musikgenie und seine Familie gut gekannt

Die neue Einrichtung – ein Verbundprojekt der HfMT, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), der Technischen Universität Hamburg (TUHH) und dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) – wird von Dr. Georg Hajdu geleitet, Professor für Komposition mit dem Schwerpunkt multimediale Komposition an der HfMT. Er ist außerdem Naturwissenschaftler und damit ähnlich breit aufgestellt wie György Ligeti selbst, der berühmte Namensgeber des neuen Forschungsverbunds im Harburger Binnenhafen. Hajdu hat das kreative und produktive Musikgenie und seine Familie gut gekannt.

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György Ligeti gilt als einer der bekanntesten Komponisten des 20. Jahrhunderts und war von 1973 bis 1988 Professor für Komposition an der HfMT Hamburg. Er interessierte sich für ein breites Spektrum an künstlerischen, kulturellen und wissenschaftlichen Themen, die auch ihren Niederschlag in seinen Kompositionen fanden. Ligeti war mit vielen herausragenden Wissenschaftlern befreundet – unter anderem mit dem Nobelpreisträger und Biophysiker Manfred Eigen, dem Chaosforscher Heinz-Otto Peitgen oder dem Musikethnologen Simha Arom. Der am 12. Juni 2006 verstorbene Komponist wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden.

Ligeti wollte bereits 1973 in Hamburg ein Zentrum für Computermusik gründen

György Ligeti wollte bereits 1973 in Hamburg ein Zentrum für Computermusik gründen – was aber scheiterte, weil das Vorhaben wohl noch etwas zu früh für die Hansestadt kam. Genau 50 Jahre später soll nun das nach ihm benannte Ligeti-Zentrum in seinem Geist unterschiedliche Hochschulen und Forschungsrichtungen zusammenbringen.

„Das Ligeti-Zentrum wird ein Ort, in dem Künste, Wissenschaften und Technologie zusammenkommen, um gesellschaftlich relevante Fragestellungen zu beantworten – ein großer Meilenstein in Richtung Hochschule der Zukunft“, sagt Professor Hajdu. Die neue Einrichtung werde in Harburg präsent sein: „Wir möchten im spielerischen und künstlerischen Kontext Dinge vermitteln, die ein Großteil der Öffentlichkeit noch nie gesehen hat“, so Hajdu.

Die beiden TUHH-Wissenschaftler Alireza Abbasimoshaei (links) und Fady Youssef beim Aufbau in ihrem künftigen Laboratorium mit Blick über den Binnenhafen.
Die beiden TUHH-Wissenschaftler Alireza Abbasimoshaei (links) und Fady Youssef beim Aufbau in ihrem künftigen Laboratorium mit Blick über den Binnenhafen. © HA | Sabine Lepél

Das Ligeti-Zentrum verfügt über einen Veranstaltungsraum im obersten Stockwerk des Kaispeichers, in dem regelmäßig Konzerte und andere Veranstaltungen stattfinden sollen. Dort steht auch ein Flügel. Ansonsten finden sich in den Räumlichkeiten eher sehr spezielle Musikinstrumente, wie eine elektronische Pauke – ein intermediales Hybridinstrument, das aufgrund seiner vielfältigen Möglichkeiten „Hexenkessel“ genannt wird. Bei dem Instrument handelt es sich um eine klassische Orchesterpauke, deren Fell jedoch zum interaktiven Touchscreen erweitert wurde.

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Auch in den anderen Laboratorien des Ligeti-Zentrums dominieren vor allem Computer und – besonders im Bereich der TUHH – viel Hightech aus dem Bereich Robotik, Mechatronik und Haptik. Etwa 30 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen werden ab Mai auf der insgesamt rund 880 Quadratmeter großen Fläche in den verschiedenen Laboratorien und Büros arbeiten.

Ligetis Name steht für das Zentrum als Akronym für „Laboratorien für Innovationen und Gesellschaftliche Entwicklung durch den Transfer von Ideen“, sagt Projektkoordinatorin Christine Preuschl. Sie leitet das Transferbüro des Zentrums und möchte die dort gewonnenen Erkenntnisse und Ideen bei öffentlichen Konzerten, in Seminaren, Vortragsreihen, Kongressen und Festivals sowie durch die Sozialen Medien in die Welt tragen.

„Healing Soundscapes“: Klang und Musik können auch im medizinischen Umfeld helfen

„Uns ist aber auch die Vermittlung außereuropäischer oder mikrotonaler Musik und der Transfer elektronischer Musik in bildungsferne Schichten oder in Gemeinschaften von Geflüchteten wichtig“, beschreibt Preuschl ihr umfangreiches Aufgabenfeld. Vor allem arbeite das Transferbüro aber mit den beiden Sparten des Ligeti-Zentrums eng zusammen: dem Cluster für Musik und Gesundheit und dem Cluster für den Ideen-, Wissens- und Technologie-Transfer.

Ganz oben: Das Ligeti-Zentrum befindet sich im neunten und zehnten Obergeschoss des Kaispeichers.
Ganz oben: Das Ligeti-Zentrum befindet sich im neunten und zehnten Obergeschoss des Kaispeichers. © HA | Sabine Lepél

Im Bereich Musik und Gesundheit werden sich vor allem das UKE und das Institut für Musiktherapie entsprechenden Themen widmen, wie der Prävention und Gesundheit bei Berufsmusikern, den vielfältigen Möglichkeiten der Musiktherapie oder den „Healing Soundscapes“, den „heilenden Klangbildern“, mit denen die Wirkung von Klang und Musik im medizinischen Umfeld erforscht wird.

Zuschauer können wie in einem Computerspiel in das Bühnengeschehen eintauchen

Im zweiten Cluster, der Abteilung für den Ideen-, Wissens- und Technologie-Transfer, sollen in sechs eng miteinander verflochtenen Laboratorien verschiedene Zukunftsthemen erforscht und die Ergebnisse der Gesellschaft zugänglich gemacht werden.

Dazu gehören Technologien für experimentelle Bühnenformate, Cyber- und hybride Instrumente, sogenannte XR-Konzerterlebnisse im Rahmen der „Extended Reality“, bei denen virtuelle und erweiterte Realität miteinander verschmelzen, sowie Kunstvermittlung mittels Virtual Reality (VR) oder Optik und Haptik für immersive Bühnenperformances, bei denen die Zuschauer fast wie in einem Computerspiel in die Darbietung eintauchen können.

Haptische Systeme, die in der Rehamedizin zum Einsatz kommen

Hört sich etwas abstrakt an – ist aber oft viel lebensnaher als man denkt. So arbeiten Alireza Abbasimoshaei und Fady Youssef von der TUHH in ihrem Labor mit Blick über den Binnenhafen an haptischen Systemen, die zum Beispiel in der Rehamedizin zum Einsatz kommen könnten. Auch in therapeutischen Anwendungen sind VR und Haptik nützlich, indem sich Patienten mit ihrer Hilfe in Situationen begeben können, die in der Realität nur schwer herzustellen sind. Relativ bekannt ist etwa die Anwendung, bei der Patienten während einer Operation mit einer Videobrille einen Film schauen.

„Das Ziel ist, viele nützliche Geräte für Menschen bereitzustellen“, so Dr. Abbasimoshaei, Experte für medizinische Roboter und Geräte. „Außerdem arbeiten wir im Bereich der Haptik, weil sie uns dabei hilft, praktische Systeme wie etwa Systeme für die Tele-Rehabilitation und Tele-Medizin bereitzustellen.“

Das Ligeti-Zentrum ist ein Projekt in der Bund-Länder-Initiative Innovative Hochschule und wird von Bundesbildungsministerium und der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von 2023 bis 2027 gefördert. „Wir sind gespannt, was sich hier in den nächsten Jahren entwickeln wird“, so Professor Hajdu.