Harburg. Hamburger Geschichte wird sichtbar! Baubeginn in Harburger Gewölbekeller von 1440 steht bevor. Was das Stadtmuseum in seiner Filiale plant.
Nach der Horeburg wurde Harburg benannt, sie ist die Keimzelle der späteren preußischen Industrie- und Hafenstadt. Die Burg an der Süderelbe wurde erstmals 1150 erwähnt und bildet jetzt den inhaltlichen Grundstein der geplanten Museumsfiliale im ehemaligen Westflügel des Harburger Schlosses. Das Gebäude hat eine schillernde Geschichte, war Kaserne und herzogliche Residenz, Festung, Wohnhaus für Werftarbeiter. Es steht wie kein anderes für die Stadtgeschichte Harburgs.
Seit mehreren Jahren plant das Archäologische Museum und Stadtmuseum Harburg, den historischen Gewölbekeller des Schlosses als Museumsfiliale öffentlich zugänglich zu machen. „Baustart im historischen Harburger Schlosskeller“ titelte das Abendblatt bereits im Januar 2019. Damals sollte nur der auf das Jahr 1440 datierte Keller freigelegt und anschließend präsentiert werden. Die gut 100 Quadratmeter großen Räumlichkeiten sind das älteste begehbare Gebäude Hamburgs und stehen deshalb im besonderen Interesse des Denkmalschutzamts.
Harburger Geschichte: Umrisse von 600 Jahre alten Fenstern
Schon vor fünf Jahren war klar: Es muss zuerst die Statik verbessert werden. Dazu ist ein Stahlgerüst erforderlich. Als der Putz und weiteres Material abgetragen wurden, stießen die Arbeiter unter den wachsamen Blicken der Historiker und Denkmalschützer auf diverse Relikte aus der Schlossgeschichte, darunter auf zugemauerte 600 Jahre alte Fenster. Sie entdeckten aber auch Probleme: Setzungsrisse im Gemäuer, die auf eine unzureichende statische Belastbarkeit der Außenwände hindeuten.
Das nächste Problem war die Positionierung der Stahlträger. Ihre Standorte sind – mit kleinen Spielräumen –vorgegeben. Dort, wo sie zunächst in die Wände eingelassen werden sollten, befinden sich zum Teil die mittelalterlichen Fenster. Es gab einen Baustopp. Bald wurde klar, dass das darüber liegende Stockwerk für die Gebäudeverstärkung benötigt wird. Der Eigentümer erklärte sich bereit, die beiden dort befindlichen Wohnungen, die ohnehin für den Umbau geräumt waren, aufzugeben.
Museumsfläche verdoppelte sich aus statischen Gründen
Durch diese Entscheidung verdoppelte sich die Ausstellungsfläche der geplanten Museumsfiliale. Ein neues Konzept entstand. „Wir planen zwei Geschosse: Im oberen Stockwerk wird der Eingang liegen. Es wird einen galerieartigen Umgang haben, um einen Einblick in das historische Gewölbe zu schaffen“, sagt Harburgs Stadthistoriker Jens Brauer. Der Gewölbekeller wird authentisch hergerichtet, der Ausstellungscharakter steht im Hintergrund. „Das zusätzliche Geschoss gibt uns die Chance, einen Großteil der Stadtgeschichte oben zu präsentieren.“
Dort werden die Harburgerinnern und Harburger sowie weitere Schaulustige zunächst Eindrücke von der Horeburg erhalten. Die Wasserburg wurde wahrscheinlich Anfang des 12. Jahrhunderts erbaut. Sie war eine „Turmhügelburg“, ein massiver Turm, der auf einem Erdhügel ruht. Von ihr aus entwickelte sich an einem Damm zur Geest allmählich die Siedlung und spätere Stadt Harburg. Die Harburger Schloßstraße entspricht in etwa dem Verlauf des ursprünglichen Damms.
Von einem Kasernengebäude zum herzoglichen Schloss
Etwa 400 Jahr nach dem Burgbau gab es eine neue Entwicklungsphase: Herzog Otto 1. zu Braunschweig - Lüneburg - Harburg (1495–1549) machte die Burg anno 1527 zur herzoglichen Residenz. Dazu ließ er das über die Jahrhunderte erweiterte, nunmehr kasernenartige Gebäude zu einem Wohn- und Gästehaus des Herzogs umbauen. Es entstand ein dreiflügeliges Schloss, ähnlich dem Schloss in Celle. Die Ära endete 1642. Damals starb die Harburger Linie der Herzöge aus.
Es folgte der Umbau des Schlosses zur sternförmigen Festung und mit ihm eine starke Veränderung der städtischen Bebauung im nördlichen Bereich der heutigen Harburger Schloßstraße. Dem Festungsbau mussten etwa 50 Bürgerhäuser weichen, dazu das Kaufhaus mit Waage und Kran. Selbst Harburgs damalige Hauptkirche, die Marienkirche, war den Bauherren nicht heilig. Gegen den Willen der Harburger wurde auch sie abgerissen. Vom Abriss betroffene Bürger bekamen ersatzweise Bauplätze und -material an der heutigen Neuen Straße.
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Rund um die Festung entwickelte sich der Hafen
Die Zitadelle „Haarburg“ prägte gut zwei Jahrhunderte die heutige Schlossinsel als Militärkaserne. Um sie herum entwickelte sich reger Hafenbetrieb. 1858 zog das Landratsamt in den Westflügel – das Harburger Schloss wurde zum Verwaltungsbau. In ihm befand sich auch ein Gefängnis – das vergitterte Fenster in der Südfassade wurde bereits wiederentdeckt und soll später von außen sichtbar sein.
Unter preußischer Verwaltung (seit 1866) entwickelte sich die Harburger Industrie. Im aufblühenden Hafen wurden Massengüter, etwa für die Pflanzenölverarbeiter, umgeschlagen. Auf der Schlossinsel gründete Reinhold Holtz 1884 die Schlosswerft. Bis 1930 wurden hier mehr als 1200 Boote und kleinere Schiffe gebaut wurden. Um seine Arbeiter unterzubringen, erwarb Holtz den Schlossbezirk mit seinen verbliebenen West- und Ostflügeln.
Werftbesitzer Holtz ließ seine Arbeiter im Schlossflügel wohnen
Den Ostflügel baute Holtz zu einem luxuriösen Wohnhaus um, er wurde später von vielen Harburgern deshalb als Schloss bezeichnet. Im viel älteren Westflügel ließ er einen Teil der dicken Festungsmauern abtragen, um innen mehr Wohnraum zu gewinnen. Mit diesem Umbau wurde mutmaßlich viele geschichtliche Spuren entfernt. Die Schlosswerft ging als Folge der Weltwirtschaftskrise zugrunde und wurde 1933 liquidiert. Zwei Mitarbeiter gründeten im selben Jahr auf der Zitadelleninsel eine neue Werft, die Schiffswerft Scheel & Jöhnk. Sie trägt noch heute den Namen eines ihrer Gründer.
Der Ostflügel wurde unter Protest vieler Harburger 1972 abgerissen. Zurück blieb der Westflügel. Er wurde und wird als Mehrfamilienhaus genutzt. In einem der Räume des historischen Gewölbekellers war zeitweise die „Dionysos’sche Weinstube“ eingerichtet worden, mit Styropor an den Wänden und einer Rigipsdecke. Jetzt soll zumindest in diesem Teil des Gebäudes eine weitere Ära der Horeburg beginnen, die des Museums.
Historiker Brauer erwartet weitere Funde beim Umbau
Aktuell prüft der Statiker die angedachte Raumaufteilung der Museumsaußenstelle. Es gilt, die ideale Position und Ausführung des Stahlskeletts zu ermitteln. Jens Brauer geht davon aus, dass in drei bis vier Monaten der Umbau beginnt. Zur Frage, wann die Filiale eröffnet werden kann, mag er sich nicht äußern. Denn der Historiker rechnet damit, dass das Gebäude weitere Überraschungen bereithält, die denkmalschutzwürdig sind.
Neue Funde könnte zum Beispiel die rund 80 Zentimeter hohe Schuttschicht auf dem Kellerboden freigeben. Durch erste Bohrungen für dünne Pfähle ist bereits klar, dass der Originalfußboden von 1440, ein Ziegelsteinpflaster, erhalten ist. Brauer möchte möglichst viele Relikte für die Öffentlichkeit sichtbar machen. „Das Gebäude wird uns jetzt nach und nach noch mehr von seiner Geschichte erzählen.“