Harburg. Bevor das historische Gewölbe restauriert werden kann, muss das Gebäude statisch stabilisiert werden.
Nach jahrelanger Vorarbeit werden in wenigen Wochen die Baumaßnahmen für die geplante Filiale des Stadtmuseums Harburg beginnen. Im historischen Gewölbekeller des verbliebenen Schlossflügels wollen die Historiker die Entstehungsgeschichte Harburgs und den mittelalterlichen Ort ausstellen. „Ende Dezember wurde uns bestätigt, dass die Kostenermittlung vollständig und die Finanzierung komplett gesichert ist“, sagt Museumsdirektor Rainer-Maria Weiss. „Jetzt können wir starten.“ Noch in dieser Woche seien die ersten Bauvorbesprechungen geplant, so Weiss.
Das Museum wird dann an dem Ort präsent sein, der als Keimzelle Harburgs gilt. Um das Jahr 1000 herum wurde hier die Horeburg gegründet, die Harburg seinen Namen gab und Ausgangspunkt der Siedlung war. Mit der Ernennung zum Herzogsitz wurde die Burg Anfang des 16. Jahrhunderts zu einem dreiflügeligen Renaissance-Schloss erweitert und Ende des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) zur sternförmigen Zitadelle ausgebaut.
Diese diente als Kaserne, später einige Jahre der Landesverwaltung und gehörte anschließend Reinhold Holtz, der auf der Schlossinsel eine Werft betrieb. Nur der Westflügel des Gebäudeensembles blieb bis heute erhalten – als Mehrfamilienhaus.
Unter dem Wohnhaus liegt der Gewölbekeller. Seine Wurzel reichen bis in die Zeit der Horeburg zurück. Er besteht aus vier Räumen. In drei von ihnen ist der Fußboden aus (besonders großen) Ziegelsteinen im Klosterformat mit Bauschutt bedeckt. Auch wurden die Wände weiß verputzt. In einem Raum sei einmal eine „Dionysos’sche Weinstube“ eingerichtet worden, so Weiss, „mit Styropor an den Wänden und einer Rigipsdecke. Aber auch dort können wir nicht einfach alles herausreißen lassen. Denn möglicherweise wurde für den Ausbau zum Teil historisches Material verwendet, das wir wahrscheinlich bei der Restaurierung gut gebrauchen können und es deshalb sichern wollen.“ Der weitgehend unveränderte vierte Raum stammt aus dem Jahr 1440 und ist der älteste erhaltene profane Raum Hamburgs.
Vor der Restaurierung liegen profane Bauarbeiten: Der Schlossflügel steht noch immer auf offenbar instabilem Grund – die Fassade neigt sich einwenig nach außen. Das erste Halbjahr 2019 ist deshalb für Maßnahmen eingeplant, die die Statik stabilisieren. Dazu wird die Kellerdecke – der Fußboden der darüber liegenden Erdgeschosswohnungen – abgetragen. Weiss: „Es wird eine Betondecke gegossen, in die eine Krampe eingesetzt wird. Sie soll die Wände zusammenhalten.“
Erst wenn die Statik stimmt und die Wohnungsbesitzer wieder eingezogen sind, kann im zweiten Halbjahr 2019 die Restaurierung des Gewölbekellers in Angriff genommen werden. Dazu muss zunächst der Bauschutt aus drei Räumen abgetragen werden. Er wurde über die Jahrhunderte bei unterschiedlichen Baumaßnahmen im Keller entsorgt und bildet dort eine 80 Zentimeter bis ein Meter dicke Schicht.
Da sie möglicherweise Relikte aus vergangenen Zeiten enthält, kann der Schutt nicht einfach beiseite geräumt werden. „Wir werden ihn wohl sieben müssen, er kann Münzen, Scherben und andere historische Objekte enthalten“, sagt Rainer-Maria Weiss. „Da wir archäologisch so gut wie nichts über die Horeburg wissen, ist es wichtig, dass uns nichts entgeht.“
Etwa 100 der 120 Quadratmeter Fläche umfassenden Gewölbeböden sind mit Schutt bedeckt – die Archäologen müssen also bis zu 100 Kubikmeter Material unter die Lupe nehmen. Manches Fundstück wird dabei schnell ins Auge springen. Wie der uralte Ziegelstein im Klosterformat, dem bevorzugten Format des Mittelalters, den der Museumsdirektor in Händen hält.
Weiss zeigt auf einen deutlich erkennbaren Pfotenabdruck auf der Ziegeloberfläche: „Solche Ziegel mit Hundepfote wurden gern zur Abwehr von Geistern eingesetzt. Vielleicht war es aber auch ein Feierabendziegel.“ Dies ist ein Sammelbegriff für Ziegel, die mit Inschriften, Zeichnungen und Symbolen versehen sind.
Nach der Schuttforschung müssen Böden, Decken und Wände wieder möglichst originalgetreu hergerichtet, Überflüssiges entfernt und Fehlendes ersetzt werden. Ende dieses Jahres sollen diese Arbeiten abgeschlossen sein. „2020 werden wir unsere Museumsfiliale einrichten und eröffnen“, sagt Weiss.
Museumsgeschäftsführer Thorsten Römer ging im Dezember 2016 noch davon aus, dass die ersten Besucher bereits 2018 durch das Gewölbe laufen. Damals stand die Finanzierung des 1,1 Millionen Euro teuren Projekts. Doch führten die nach der Kostenexplosion der Elbphilharmonie auferlegten strengeren Behördenauflagen dazu, dass die Finanzierung aufwendig nachgewiesen musste. In dieser Zeit stiegen die Baukosten. Folge: Die zugesagten 1,1 Millionen Euro reichten nicht mehr aus. Weiss: „Wir liegen jetzt bei 1,5 Millionen Euro. Darin sind sämtliche Kostenposten enthalten, auch die kleinsten.“
Die größte Finanzspritze bekommt das Museum vom Bund: 565.000 Euro fließen aus dem Etat des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM-Mittel) in das Projekt. 425.000 Euro steuert der Bezirk bei. Die verbleibende halbe Million wird vom Denkmalschutzamt, der Kulturbehörde und dem Museum aufgebracht.
Geschichtspfad
Der Gewölbekeller wird Teil eines neuen Geschichtspfads, den das Stadtmuseum Harburg gerade plant. Er wird aus 30 Stationen bestehen, die vom Binnenhafen über die City bis zum Campus der Technischen Universität reichen.
Anders als bei einem früheren Geschichtspfad mit Schaukästen sollen witterungsbeständige Informationstafeln die mittelalterliche und die industrielle Geschichte Harburgs aufzeigen. Zudem wird es ein handliches Begleitbüchlein und eine Smartphone-App geben.
Ein Vorläuferprojekt hat einen solchen Rundgang für den Harburger Binnenhafen zusammengestellt. Er umfasst 34 Stationen, vom Grauen Esel am Karnapp bis zu den Alten Elbbrücken. Die App kann unter www.amh.de, Stichwort „Digitales Angebot“ heruntergeladen werden.