Buchholz. Ein junger Investor wollte das imposante Mühlenareal retten – doch die Aktion platzte. Das Gebäude verkommt immer mehr zum Geisterhaus.

Historische Gebäude sind für Privatbesitzer oftmals mehr Last als Freude. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Häuser unter Denkmalschutz stehen, was Erhaltungsmaßnahmen kompliziert und teuer macht. Was aber, wenn diese Gebäude nicht nur wesentlicher Teil der kulturellen Identität eines Ortes sind, sondern gleichzeitig Teil eines beliebten Naherholungsziels? Müsste dann nicht die öffentliche Hand helfen?

Eine Grundsatzfrage, die sich im Buchholzer Ortsteil Holm-Seppensen gerade wieder einmal stellt. Denn der junge Mann, der die dortige Seppenser Mühle mit einer Millioneninvestition aus ihrem Dornröschenschlaf wecken wollte, ist abgesprungen. Gibt es noch Rettung für das ebenso schöne wie marode Objekt?

Hat schon bessere Tage gesehen: die verfallende Mühle Seppensen.
Hat schon bessere Tage gesehen: die verfallende Mühle Seppensen. © HA | nanette franke

Seppenser Mühle: Junger Handwerker entwarf vielversprechendes Konzept

Es ist Sommer 2022: Der Zimmermann Jesse Franzen aus Hamburg kommt auf dem Rückweg von einem Hoffest an der Seppenser Mühle vorbei. Und ist sofort schockverliebt: Was für ein idyllischer Platz, was für ein faszinierendes Gebäude, staunt der junge Handwerker. Er will mehr wissen. Klingelt in Holm-Seppensen an vielen Türen und fragt sich durch. Bis er weiß, dass die Mühle samt Teich seit dem Tod des Müllers im Jahr 2002 einer dreiköpfigen Erbengemeinschaft gehört, deren Namen gegenüber der Presse niemand nennen will.

Franzen darf die Mühle von innen anschauen. Und entdeckt „herrliche Handwerkskunst“: Die aufwändig gestalteten Balken, Ständer und Kopfbänder im historischen Haus begeistern ihn. Der damals erst 22-Jährige macht Pläne. Diese Mühle will er haben. Franzen führt Gespräche mit den Eignern, stellt Anträge auf Zuschüsse und wendet sich an obere und untere Denkmalschutzbehörde, nämlich den Landkreis Harburg und die Stadt Buchholz. Im hinteren Teil des Anwesens will er Wohnungen ausbauen, im Stall vielleicht eine Werkstatt einrichten und den vorderen historischen Teil als Museum belassen.

Zerbrochene Fensterscheiben und Spuren von Vandalismus an den Wänden machen die Mühle zum Geisterhaus
Zerbrochene Fensterscheiben und Spuren von Vandalismus an den Wänden machen die Mühle zum Geisterhaus © HA | nanette franke

„Lieberhaberprojekt“ wird plötzlich zu teuer für den Zimmermann

Die Baukosten allein für eine Instandsetzung der historischen Mühle werden damals schon auf 900.000 Euro geschätzt. Franzen besorgt sich aus der Verwandtschaft ein Grundkapital, tut sich mit einem Bauunternehmer zusammen und entwickelt ein Konzept: 1,5 Millionen Euro will er als Kredit aufnehmen, um auch Wohnungen auf dem Mühlengelände bauen zu können. Später will er das Geld über Vermietungen wieder hereinholen. 200.000 Euro bekommt er aus dem Denkmalschutz-Sonderprogramm des Bundes zugesagt.

Endlich eine Perspektive für die ramponierte Schöne am Mühlenbach. Doch dann kommt der Zinssprung. Die Kreditzinsen schnellen hoch. Auch die Preise für Baumaterialien ziehen an. Und Jesse Franzen, der die Mühle als „Liebhaberprojekt“ bezeichnet, mit dem er keinesfalls „fette Gewinne“ habe machen wollen, steigt aus. So wie andere Planer und potentielle Investoren vor ihm.

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Stolze Geschichte: Eine Mühle als prägendes Element der Umgebung

Die Seppenser Mühle hat eine stolze Geschichte als „herrschaftliche Erbzins-Mühle“. Die meisten umliegenden Dörfer, auch Buchholz, waren verpflichtet, ihr Korn hier mahlen zu lassen. Die wesentlichen Teile des Mühlengebäudes entstanden um 1735, als Hans Detlef Heins die Seppenser Mühle erwarb. Im Jahr 1864 kaufte eine Familie Müller die Mühle und renovierte sie. Daran erinnert heute noch eine Inschrift in einem Holzbalken an der Front des Gebäudes, „Dorothea 1864 Müller“.

Bis in die Mitte der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde das Mühlengebäude noch von den Müllers bewohnt. Dann wurde der gegenüberliegende Neubau direkt am Ufer des Teichs bezogen. Seither verfällt die historische Mühle, deren Erhalt nach Einschätzung des niedersächsischen Denkmalatlasses „aufgrund ihrer geschichtlichen Bedeutung im Rahmen der Ortsgeschichte sowie aufgrund ihrer städtebaulichen Bedeutung als prägendes Element des Landschaftsbildes im öffentlichen Interesse“ liege. Zwar haben die Eigner das Wehr am Mühlenbach instandgesetzt, um die Sicherheit der Anlage zu gewährleisten. Doch am Gebäude selbst ist offenbar seit Jahrzehnten nichts geschehen.

Auch Zeichner haben die Mühle für sich als Motiv entdeckt.
Auch Zeichner haben die Mühle für sich als Motiv entdeckt. © HA

„Geisterhaus“: Seppenser Mühle kursiert „Lost Place“ im Internet

Inzwischen wird die Seppenser Mühle in Internet-Foren als Lost Place aufgeführt. Kinder nennen sie „das Geisterhaus“. Leere Fensterhöhlen geben den Blick auf Graffiti-beschmierte Innenwände frei. Vandalen haben sich hier ausgetobt. Das Mauerwerk bröckelt. Das Dach ist an vielen Stellen nur notdürftig geflickt. Eine Frage der Zeit, bis dieses Zeugnis deutscher Wirtschaftsgeschichte, in der einst leistungsfähige Turbinen das Mühlrad antrieben, in Trümmern liegt.

Noch rauscht der Mühlbach, noch geht der Blick über den idyllischen Mühlenteich, der früher auf einem Wanderweg umrundet werden konnte. Doch nach dem Tod des letzten Mühlenbesitzers kündigte die Erbengemeinschaft die Vereinbarung mit dem Landkreis Harburg auf, die darin bestanden hatte, dass die Familie den Teich samt Wegen als öffentliches Naherholungsgebiet unentgeltlich zugänglich macht und der Landkreis im Gegenzug die Pflege des Areals übernimmt. Eine neue Regelung kam nicht zustande, so die Pressestelle des Landkreises.

Auch hier ist kein Durchkommen mehr. Ein Angelverein hat den Mühlenteich gepachtet.
Auch hier ist kein Durchkommen mehr. Ein Angelverein hat den Mühlenteich gepachtet. © HA | nanette franke

Viele Wanderer erkundigen sich nach der Mühle

Inzwischen ist der Zugang zum Teich, der an einen Hamburger Angelsportverein verpachtet wurde, mit einem Tor verschlossen. Am oberen Ende des Teichs ist die einst marode Brücke über den Mühlenbach zwar erneuert, doch gleichzeitig mit einem hohen Gitter versehen worden. Nur eine Hinweistafel erinnert noch an eine der schönsten Rundwanderwege der Region. „Wir werden von Touristen häufig auf die Seppenser Mühle angesprochen“, berichtet Tino Winkler vom Vorstand des Geschichts- und Museumsvereins Buchholz und Umgebung.

Der Verein betreut neben dem Seppenser Museumsdorf die ebenfalls historisch wertvolle Holmer Mühle, hat mit der in Privatbestz befindlichen Seppenser Mühle rein rechtlich nichts zu tun. Doch bedauern die Vereinsmitglieder den Verfall des historischen Bauwerks außerordentlich: „Wenn die Mühle eines Tages zusammenbricht, sind alle Informationen aus dieser Zeit unwiederbringlich verloren“, sagt Winkler.

Kennt sich mit dem Erhalt historischer Mühlen aus und empfiehlt die Etablierung einer Stiftung: Tino Winkler vom Geschichts- und Museumsverein Buchholz und Umgebung.
Kennt sich mit dem Erhalt historischer Mühlen aus und empfiehlt die Etablierung einer Stiftung: Tino Winkler vom Geschichts- und Museumsverein Buchholz und Umgebung. © HA | nanette franke

Eigentümer und Behörden nehmen das Gebäude bald unter die Lupe

Doch woher das Geld nehmen, um das Bauwerk zu retten, das inzwischen mehr Ruine als Haus ist? Aus dem Büro der Bundestagsabgeordneten Svenja Stadler, die sich für den jungen Zimmermann Jesse Franzen und seine Pläne eingesetzt hatte, heißt es, neben dem Denkmalschutz-Sonderprogramm gebe es keine weitere Möglichkeit, die Mühlenrettung zu unterstützen. Mühlenfachmann Tino Winkler möchte den Eignern nahebringen, Bauwerk samt Teich in eine Stiftung einzubringen, um so vielleicht Zugang zu EU-Fördertöpfen zu bekommen.

Die Stadt Buchholz zeigt sich enttäuscht, dass auch der „neuerliche Entwicklungsversuch trotz erheblicher Fördermittelzusagen des Bundes und umfassenden Zugeständnissen seitens des Denkmalschutzes und der Kommune nicht weitergeführt wurde“, so Buchholz-Pressesprecherin Jasmin Eisenhut. In naher Zukunft sei eine Begehung der Mühle angesetzt, an der Eigentümer, Vertreter des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalschutz und die Bauaufsicht der Stadt Buchholz teilnehmen. Ziel sei, gangbare Wege zu finden, um die Mühle zumindest zu erhalten.

Politik dreht Schleifen, das Mühlenareal schwindet dahin

Auch Holm-Seppensens Ortsbürgermeister Bernhard Unger will Gespräche mit den Eignern führen, um einen Interessenausgleich zu erzielen und beiden Seiten gerecht zu werden: den Privateigentümern und den Bürgern des Ortes Holm-Seppensen, die sich danach sehnen, das Mühlenareal weiterhin zu besuchen, um dort Ruhe und Entspannung zu finden.

Es müsse doch möglich sein, einen Investor zu finden, der in der Mühle ein Veranstaltungszentrum, Ferienwohnungen, ein Hotel oder Ähnliches realisiere, so Unger. Auch neuer Wohnraum sei in Holm-Seppensen begehrt und bitter nötig. Worte, die Jesse Franzen gern hören dürfte. „Die Planungen liegen fertig in der Schublade. Doch die Finanzierung stimmt so nicht“, sagt er.

Während Politik und Verwaltung in Endlosschleife beraten, schaffen Wind, Wetter und Vandalen Fakten. Stück für Stück verfällt die Mühle weiter. Ihre Tage sind gezählt.