Tostedt/Heidenau. Faszinierende Einblicke: Zwei BUND-Mitarbeiterinnen dokumentieren das Leben der Wildbienen im Landkreis Harburg. Ein Vor-Ort-Besuch.
Bienchen, Bienchen, gib’ mir Honig: Das kleinste Haustier der Welt kennt wohl jedes Kind. Aber: Die emsige Honigbiene hat auch eine wilde Verwandte. In Deutschland leben über 560 verschiedene Wildbienenarten, dazu gehören Hummeln, Pelz-, Zottel-, Sand- und Seidenbienen und eine Vielzahl von kleinen und unscheinbaren Arten, die man leicht mit Fliegen oder Wespen verwechseln kann.
Nach Angaben des Naturschutzbundes BUND sind in Europa etwa 150 verschiedene Nutzpflanzen und rund 80 Prozent der Wildpflanzen abhängig von der Bestäubung durch Insekten. Und Wildbienen sind ungemein eifrige Blütenbesucher, weil sie Nektar und Pollen für ihre eigene Versorgung benötigen. Dabei tragen sie quasi nebenher Blütenpollen von einer Blüte zur anderen und befruchten die Pflanzen.
Wildbienen im Landkreis Harburg: Wichtig für die Ernährung der Menschen
Wildlebende Insekten erreichen nach wissenschaftlichen Studien mit der gleichen Zahl von Blütenbesuchen einen doppelt so hohen Fruchtansatz wie Honigbienen. Und der Titel „fleißigste Biene“ gebührt nicht der emsigen Honigsammlerin, sondern der so gemütlich aussehenden Hummel: Nach BUND-Angaben wurde beobachtet, dass die Hummeln im Gegensatz zu Honigbienen in derselben Zeit die drei- bis fünffache Anzahl von Blüten besuchen. Bei einer Zählung wurden für den 100-minütigen Sammelflug einer Ackerhummel beeindruckende 2634 besuchte Blüten ermittelt.
Diese imposante Arbeitsleistung der Insekten haben Forscher sogar schon einmal in einen monetären Wert umgerechnet: Die Insekten-Bestäuberleistung in Europa entspricht demnach etwa dem Gegenwert von 14,2 Milliarden Euro pro Jahr – und Wildbienen leisten einen beträchtlichen Teil dieser Arbeit, die nicht nur für ihre eigene, sondern auch für die Ernährung der Menschheit so wichtig ist.
Warum die Landwirtschaft so wichtig ist für den Erhalt der Wildbienen
Landwirte und Gärtner haben ein besonders großes Interesse an einem gesunden Wildbienen-Bestand. Sie setzen beispielsweise Hummeln in Tomaten-Gewächshäusern und Wildbienen im Obst- und Gemüseanbau gezielt zur Bestäubung ein. Und da rund 50 Prozent der Fläche Deutschlands landwirtschaftlich genutzt werden, kommt der Landwirtschaft eine wichtige Rolle für die Erhaltung und Förderung von Wildbienen und der biologischen Vielfalt im Allgemeinen zu.
Hier setzt ein Projekt des Thünen-Instituts als Forschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei an, das auch im Landkreis Harburg umgesetzt und von Monika Köster und Elisabeth Bischoff vom BUND Elbe-Heide betreut wird.
Zum Schutz der Wildbienen: Zwei Nisthilfen im Raum Heidenau
Es dient der Erfassung hohlraumnistender Wildbienen und Wespen in der Agrarlandschaft. Sie gehören zu dem Teil der Wildbienen, die röhrenförmige Strukturen wie Pflanzenstängel oder Käferfraßgänge zur Eiablage nutzt. Andere Arten legen ihre Brutzellen im Boden oder in Erdhaufen an.
„Bei dem Projekt wurden deutschlandweit Wildbienen-Nisthilfen aufgestellt“, berichtet Elisabeth Bischoff, Vorsitzende des BUND-Regionalverbands Elbe-Heide. Gemeinsam mit Monika Köster betreut sie zwei Nisthilfen, die im Rahmen des Thünen-Projekts im Raum Heidenau aufgestellt wurden. Als Ehrenamtliche dokumentieren die beiden Naturschützerinnen die Bestandsentwicklung in den je 25 Brettchen mit Niströhren unterschiedlichen Durchmessers.
Aus einem Ei schlüpft eine Made, die sich von Pollen ernährt
Vom Frühjahr bis zum Herbst fotografieren sie monatlich jedes der übereinander geschraubten Nisthilfebrettchen. „So kann man nachverfolgen, welche Wildbienenart in welchem Zeitraum in den Niströhren ihr Nest anlegt“, erklärt Bischoff. Köster und Bischoff beobachten, wie zunächst die Pollen eingetragen werden, dann ein Ei darauf abgelegt und danach die Nistzelle mit einer Zwischenwand verschlossen wird.
Dies wiederholt die Wildbiene mehrfach, am Ende wird der Röhreneingang verschlossen. Aus einem Ei schlüpft eine Made, die sich von dem Pollenvorrat ernährt und wächst. Am Ende verpuppt sie sich und entwickelte sich zum fertig entwickelten Insekt, das dann im nächsten Frühjahr als neue Generation der Nisthilfe entschlüpft.
Obst, Gemüse, Beeren, bunte Blumen: Alles wird im Vorbeiflug bestäubt
„Jedes Jahr sehen wir die nächste Generation der Wildbienen, wie sie den Pollen für ihre Nachkommen sammeln und dabei die die besuchten Blüten bestäuben“, so Bischoff. „Nur so kommen wir in den Genuss von Obst, Gemüse, Beeren und bunten Blumen, die eine Bestäubung durch Wildbienen, Honigbienen und Schwebfliegen benötigen.“
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Bei dem Forschungsprojekt werden am Ende des Untersuchungszyklus’ – wenn die Bienen geschlüpft sind – den Nisthilfen die organischen Reste aus jeder Niströhre entnommen. Mit Hilfe von Genanalysen können im Labor die genauen Wildbienenarten bestimmt werden, die in der Nisthilfe ihre Nester angelegt hatten.
Welche Pestizidrückstände tragen die Wildbienen in sich?
„Mit dieser Datengrundlage lässt sich beobachterunabhängig und ohne die Tiere zu töten ermitteln, welche Wildbienenarten in unserer Agrarlandschaft vorkommen“, erläutert Monika Köster. Über eingetragenes Nistmaterial könnten zudem Rückschlüsse auf Nahrungsressourcen gewonnen und Auswirkungen von Pestizidrückständen auf die Vitalität von Wildbienen abgeschätzt werden.
„Wir sind sehr gespannt, welche Wildbienenarten in der Tostedter Feldflur identifiziert werden und wie wir im Vergleich mit den anderen Regionen beim Wildbienen-Monitoring abschneiden“, so Köster. Mit der Gefährdung vieler Wildbienenarten durch die anhaltende Zerstörung ihrer Lebensräume in den heimischen Landschaften bedrohe die Menschheit nicht nur eine faszinierende Insektengruppe, sondern setze die vielleicht wichtigsten Arten unserer Ökosysteme aufs Spiel.