Harburg. Bezirk Harburg will Stadtviertel zum Modellquartier machen für die Anpassung an zunehmenden Hitzestress und Starkregen.
Das Schippseequartier in der nördlichen Harburger Innenstadt ist das Herzstück eines Gebiets, das im kommenden Jahrzehnt deutlich umgestaltet werden soll. So sehen es die Stadtplaner des Bezirksamts vor. Es soll zu einem Modellquartier werden, das zeigt, wie sich dicht bebaute Stadtviertel gegen die Folgen des Klimawandels wappnen können. Dazu laufe eine Machbarkeitsstudie zur „Umwandlung eines hochverdichteten Quartiers in ein klimaangepasstes Quartier“, sagt Stephan Rutschewski. Der Leiter der Abteilung Klima und Energie im Stadtplanungsamt ist mit der Umsetzung des Harburger Klimaschutzkonzepts betraut.
Auch wenn das Schippseequartier in den nächsten Jahrzehnten als Teil der nördlichen Innenstadt deutliche Veränderungen erfahre, ginge es an diesem zentralen und gut mit der S-Bahn erschlossenem Ort zwischen Karstadt und der Buxtehuder Straße nicht darum, zu „entdichten“, sondern zu entsiegeln und zu begrünen, betont Harburgs Baudezernent Hans Lied. „Wir müssen vor allem zwei Aspekten der Klimaanpassung stadtplanerisch besser gerecht werden: heißen Nächten und Starkregen“, so Lied. Beides fließe bereits in aktuelle Bebauungspläne ein.
Bislang lag der Fokus der Stadtplaner auf Umgang mit Starkregen
Die Umweltbehörde testet derzeit hochauflösende Stadtklimamodelle, mit deren Hilfe Veränderungen im Mikroklima durch Baumaßnahmen prognostiziert werden können, sagt Rutschewski: „Sie simuliert, wie sich Hitze, Wind und Starkregen etwa bei unterschiedlichen Anordnungen von Gebäuden, Pflanzung von Bäumen und anderen Faktoren auswirken. Aber die Anwendung der Simulationssoftware ist sehr aufwendig. Das werden wir mit unseren drei Stellen in der Abteilung Klima und Energie nicht bei jedem Bauprojekt leisten können. Höchstens an neuralgischen Punkten.“
Bislang habe der Fokus, auch im Schippseequartier, auf dem Umgang mit Starkregen gelegen, so Rutschewski. Bereits 2009 hat die Umweltbehörde zusammen mit Hamburg Wasser das Projekt RISA (RegenInfraStrukturAnpassung) gestartet, um potenziellen Wasserfluten besser begegnen zu können. Das große Ziel lautet: Möglichst viel Niederschlag am Ort halten und nicht über Siele ableiten. Im Rahmen des RISA-Projekts entstanden im Bezirk beispielsweise 2013 der Regenwasser-Spielplatz „Biberland“ am Fischbeker Holtweg und ein nachhaltiges Regenwassermanagement in den Neubaugebieten Vogelkamp Neugraben und Fischbeker Heidbrook. Eine der drei Stellen in der Harburger Klimaabteilung widmet sich ausschließlich den RISA-Aktivitäten.
Viel Grün in der Stadt hilft an heißen Tagen
Wenn Regenwasser etwa bei sommerlichen Gewittern auf entsiegelten Flächen, begrünten Dächern oder in speziellen Rückhaltebecken aufgefangen wird, kann es nach und nach verdunsten. Und dabei gleich einen Beitrag zur Bewältigung des zweiten großen Klimaproblems von Städten leisten, den prognostizierten Anstieg von Hitzetagen und Tropennächten, in denen das Thermometer nicht unter 20 Grad sinkt. Denn dort, wo Wasser verdunstet, wird die Luft abgekühlt. Das gilt tagsüber auch für Gewässer wie Außenmühle oder Binnenhafen. Allerdings kehre sich der Effekt nachts um, so Rutschewski: „Gewässer speichern Wärme und geben sie nachts wie eine Warmwasserheizung wieder ab.“ Unterm Strich seien blaue und grüne Bänder aber wichtige Elemente des Landschaftsprogramms der Stadt.
Es gebe viele gestalterische Elemente, die an Hitzetagen Entlastung schaffen, betont Rutschewski, etwa Wasserspiele oder Verschattungselemente wie Sonnensegel. Doch vor allem setzen der Klimaexperte und der Baudezernent auf Grün in der Stadt. Dabei gelte es, vorhandene innerstädtische Grünflächen zu erhalten und dort, wo sie vereinzelt Neubauprojekten geopfert werden, einen ebenbürtigen Ersatz zu schaffen. Lied nennt als Beispiel das Projekt Bauernweide westlich des Neugrabener Markts: „Dort wird zur Kompensation eine Parkanlage geschaffen.“
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Gründächer speichern Wasser und wirken gegen Hitze
Angesichts der großen Aufgabe des Wohnungsbaus stehen vielerorts Maßnahmen, bei denen die vorhandene oder entstehende dichte städtische Bebauung begrünt wird, in den Vordergrund. Etwa die Bepflanzung von Dächern. Gründächer verdunsten Wasser, schirmen die obersten Geschosse gegen Sonnenwärme ab und dienen dem Artenschutz. Die Stadt fördert die Begrünung bestehender Dächer mit bis zu 40 Prozent der Kosten und gibt auch Zuschüsse für begrünte Fassaden. Bei Neubauten werden Gründächer allmählich zur Regel. Lied: „Die Vorgabe, dass Dächer zu begrünen sind, steht eigentlich in jedem B-Plan.“
Neue innerstädtische Gebäude werden meist entlang der Straßenzüge vorgesehen (Blockrandbebauung), so dass in der Mitte ein lärmarmer Innenhof entsteht. „In den letzten Dekaden sind an vielen Stellen sehr kleine Blöcke entstanden. Zu Gunsten von mehr Grün und mehr Nutzungsflexibilität ist es sinnvoller, größere Blöcke zu konzipieren, weil dann entsprechend große Innenhöfe mit einem angenehmen Mikroklima entstehen“, sagt Lied. In solchen Höfen sei dann auch Platz für Bäume.
Mehr Baumreihen für die Buxtehuder Straße
Um Stadtbäumen das Leben in versiegelter Umgebung zu erleichtern, wurden bei der Begrünung der Hölertwiete 2020 erstmals spezielle Wasserspeicher in den Wurzelbereichen eingebaut – und mit dem Bundespreis Stadtgrün ausgezeichnet. Auch der Rahmenplan Harburger Innenstadt 2040 enthält viele neue Bäume: So ist die B73 als mehrreihige Allee vorgesehen, dazu neue Baumreihen am Schloßmühlendamm. Lied: „Bei Längsparkstreifen wurde früher nach jedem vierten Stellplatz ein Baum gepflanzt. Heute nach jedem zweiten – wenn überhaupt noch Parkplätze geplant werden.“
Bäume an Hauptstraßen konkurrierten heute sehr oft mit dem Ausbau von Fahrradwegen, bedauert der Baudezernent: „Gerade wenn alte Bäume im Weg stehen, ist abzuwägen, ob nicht an der einen oder anderen Stelle vom heute üblichen Standard, separierte Radwege entlang der Kfz-Fahrbahnen zu bauen, abgewichen werden kann.“