Harburg/Winsen/Lüneburg. Eisenbauverein nutzt Eisspeicher zum Heizen. Mieter profitieren von geringeren Kosten. Andere Genossenschaften senken Temperaturen.
Wessen Wohnung mit Hilfe eines Eisspeichers beheizt wird, kann trotz der sich zuspitzenden Gasversorgungskrise cool bleiben: Die Mieter von knapp 1000 Wohnungen des Eisenbahnbauvereins (EBV) Harburg beziehen ihre Raumwärme und das Warmwasser fast komplett aus erneuerbaren Energien und befanden sich schon vor dem Krieg in der Ukraine auf der Sonnenseite der Energieversorgung.
Schließlich sparen sie durch die neue Technik deutlich bei den Heizkosten. Andere Baugenossenschaften rufen angesichts steigender Gaspreise ihre Mieter auf, Energie zu sparen oder erwägen sogar, die Wärmezufuhr in ihre Wohnungen zu drosseln.
Hamburger Bürgermeister informiert sich beim Bauverein
„Wir kommen fast komplett ohne Gas aus“, sagt Bernd Schwarzfeld vom Büro BZE-Ökoplan. Er hat für den EBV die riesigen Eisspeicher geplant und errichtet. Sein Büro macht die Betriebsführung und wertet die erhobenen Daten aus. Am Dienstag erläuterte Schwarzfeld sogar Peter Tschentscher die zukunftsweisende Energietechnik. Der Hamburger Bürgermeister besuchte den Bauverein am Reeseberg, um sich zu informieren.
Eis-Energiespeicher sind riesige, mit Wasser gefüllte Betonbehälter, die im Boden vergraben sind. Sie arbeiten im Verborgenen: Im Sommer nehmen sie Wärme auf, die sie im Winter zur Verfügung stellen. Das Wasser kann dabei so weit herunterkühlen, dass es gefriert. Beim Übergang des Zustands flüssig auf fest wird besonders viel Energie frei. Sie entspricht der Menge, die benötigt wird, um Wasser von null auf 80 Grad zu erhitzen.
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Fünf solcher Wärmepuffer versorgen die EBV-Wohnungen. Der größte fasst 1,5 Millionen Liter; die vier kleineren zusammen zwei Millionen Liter. Die Wassermassen beziehen Wärme aus dem umgebenden Boden, von Solaranlagen oder werden, wie am Reeseberg, per Heizstab mit überschüssigem Solar- und Windstrom auf maximal 20 Grad erwärmt.
Ebenfalls mit Ökostrom angetriebene Wärmepumpen erhöhen die Temperatur des Wassers auf das für die Gebäudeheizung nötige Niveau von 50 Grad. „Aus 200 Kilowatt Antriebsleistung der Wärmepumpen werden so 1000 Kilowatt Heizleistung“, sagt Schwarzfeld. Im Großen und Ganzen sind nur regenerative Energien im Einsatz. Höchstens an sehr kalten Wintertagen muss einmal mit einem Gaskessel nachgeheizt werden.
Technik schont das Klima, vor allem aber die Bankkonten
Die Technik schont das Klima, vor allem aber die Bankkonten der Bauvereins-Genossen. „Beim ersten Projekt in Wilstorf erhielten die Mieter im ersten Jahr drei- bis vierstellige Beträge an Heizkosten-Vorauszahlungen zurück“, sagt der EBV-Vorsitzende Joachim Bode. Bei einigen Wohnungen seien die Heizkosten um bis zu 80 Prozent gesunken, im Schnitt haben sie sich halbiert.
Allerdings wird nur knapp ein Drittel der gut 3200 Wohnungen des EBV über die Eis-Energiespeicher versorgt. In den betroffenen Wohnungen wurden alte Nachtspeicherheizungen ersetzt.
„Unser Ziel ist es, bei jeder größeren Baumaßnahme an den Häusern oder an der Energietechnik weitere Maßnahmen zu ergreifen, um eine CO2-neutrale Wärmeversorgung zu erreichen“, sagt Bode. Seit Jahrzehnten engagiert sich der EBV für einen Klimaschutz, der die Mieter nicht be- sondern entlastet. 450 bis 500 Wohnungen seien bereits an kleine Nahwärmenetze angeschlossen und werden energiesparend über Blockheizkraftwerke versorgt. 28 Anlagen liefern Sonnenwärme, zahlreiche Wärmepumpen sind im Einsatz und auch eine 2009 installierte Technik, die Wärme aus Abwasser gewinnt, soll noch in diesem Jahr aufgerüstet wieder in Betrieb gehen.
Gaspreise lassen den Harburger Bauvereinschef nicht kalt
Dennoch lassen die Gaspreise den Bauvereinschef nicht kalt: „Wir haben Gaslieferverträge mit Festpreisen bis 2024. Aber vor einer Woche hat die Bundesregierung beschlossen, dass die Versorger ihre höheren Beschaffungspreise an die Kunden weitergeben dürfen. Wenn das geschieht, müssen auch wir die Preiserhöhungen an die Mieter weitergeben.“
Sollte der Gasnotstand von der Bundesregierung ausgerufen werden, müsste wohl auch die kommunale Wohnungsbaugesellschaft für den Landkreis Harburg (KWG) in Winsen die gestiegenen Kosten noch in diesem Jahr an die Mieter weiterreichen. „Dann müssten wir das Gas unabhängig von unseren laufenden Verträgen zum aktuellen Preis beziehen“, sagt Geschäftsführer Joachim Thurmann.
KWG-Chef schließt Drosselung der Heizungstemperatur aus
Derzeit ergreife die KWG lediglich sanfte Maßnahmen, überprüfe den Energieverbrauch aller Wohnungen und optimiere die Wärmeleitung. Nach aktuellem Stand kommen „Aufschläge für die Vorausleistungen frühestens nächstes Jahr – wenn überhaupt“, sagt Thurmann. Eine Drosselung der Heizungstemperatur komme nicht infrage, auch das Warmwasser bleibe ganztägig verfügbar. „Wir empfehlen den Mietern lediglich, selbst die Thermostaten etwas herunterzudrehen und den Warmwasserverbrauch zu reduzieren.“
Die KWG vermietet rund 130 eigene Wohnungen in Neubauten, die über den Landkreis verteilt sind. Weitere 100 Wohnungen hat die Gesellschaft in der Verwaltung. Die Versorgung läuft gemischt über Solarenergie und Gas. Ein klarer Vorteil gegenüber alten Gebäuden. „Wer Wohnungen im Bestand vermietet, hat wesentlich größere Probleme“, so Thurmann.
Wohnungsgenossenschaft Lüneburg senkt Wassertemperatur
Wie in Winsen gibt es bei der großen Mehrheit der Wohnungsbaugenossenschaften in Niedersachsen derzeit keine konkreten Vorbereitungen, die Warmwasserversorgung ihrer Mieter einzuschränken. Das ergab eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa. Aber: „Für die Zukunft ist nichts ausgeschlossen“, sagt Carsten Ens, Sprecher des Verbands für Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vdw) in Niedersachsen und Bremen.
Schon weiter ist die Wohnungsgenossenschaft Lüneburg. Sie will aufgrund der gestiegenen Energiepreise nachts die Wassertemperatur in ihren Objekten absenken. „Es ist eine Zwangsläufigkeit“, sagt Vorstandschef Ulf Reinhardt. Der Genossenschaft gehören rund 1360 Wohnungen in und um Lüneburg.