Harburg. Das Startup Vilisto entwickelt im Harburger Binnenhafen schlaue Thermostate, mit denen sich viel Heizenergie einsparen lässt.
Ein Startup startet durch: Vor fünf Jahren ging das Jungunternehmen Vilisto mit seinen selbstlernenden Heizkörperthermostaten in Serie. Heute sind „im mittleren fünfstelligen Bereich“ Vilisto-Thermostate installiert und sorgen dafür, dass Räume effizienter beheizt werden. Die Energiekrise habe die ohnehin große Nachfrage noch einmal beflügelt, sagt Christoph Berger, Mitgründer und Geschäftsführer von Vilisto. „Wir sind für den Rest des Jahres ausgebucht.“
Gemessen an den eingehenden Anfragen könnte Vilisto noch mehr Aufträge annehmen. Aber die Jungunternehmer wollen ihre Kunden nicht zu lange warten lassen. Um schneller als zunächst geplant zu wachsen und noch mehr Thermostate liefern zu können, haben die Senkrechtstarter Anfang Juli in einer neuen Finanzierungsrunde zwei Investoren überzeugt, insgesamt fünf Millionen Euro in das Unternehmen zu stecken – in ein Erfolgsprojekt made in Harburg.
Harburg: Vom Startup zum florierenden Unternehmen
Die smarten Thermostate lassen sich ganz leicht gegen herkömmliche Regler austauschen und übernehmen dann die Steuerung des Heizkörpers. Sie können Bewegung, Schall und Licht im Raum erkennen. Einmal pro Minute sind die Sensoren kurz aktiv. „Die Präsenzerkennung muss nicht super exakt sein, denn die Heizkörper reagieren ohnehin träge“, sagt Berger, der an der Technischen Universität in Harburg und in Berkeley (Kalifornien) Energietechnik studiert hat. Messen die Thermostate mehrfach Leere im Raum, regeln sie die Heizkörper automatisch herunter.
In der Anfangszeit im benachbarten Gründerzentrum Startup Dock (heute Startup Port) an der Harburger Schloßstraße stellte sich heraus, dass die Technik weniger in Wohnungen, sondern vielmehr in Büros und öffentlichen Gebäuden effektiv arbeitet. Längst sind die Heizkosten so hoch, dass Privatleute per Hand die Heizung ab- oder herunterdrehen, wenn sie beispielsweise an einem Wochenende unterwegs sind. In Firmen und öffentlichen Gebäuden geschieht dies selten, so dass die Heizkörper auch dann warm bleiben, wenn stunden- oder tagelang niemand den Raum betritt.
Thermostaten beziehen Wetterdaten mit ein
Wer nur mal eine Stunde unterwegs ist, kann den Vilisto-Thermostaten individuell einstellen und ihn daran hindern, auf die Abwesenheit zu reagieren. Ansonsten arbeiten die mitdenkenden Ventile autark, sobald sie an einem Heizkörper montiert sind. Sie können sich die Nutzungszeiten merken und die Räume vorausschauend morgens vorheizen oder die Wärmezufuhr abends rechtzeitig drosseln. Dabei nutzen sie zusätzlich Wetterdaten über eine gemeinsame Online-Plattform.
Mit den schlauen Reglern gewann Vilisto 2020 den Deutschen Innovationspreis und im Oktober 2022 den europaweiten EIT Award. Je nach vorhandener Technik sparen die Thermostate um die 20, manchmal sogar 30 Prozent Heizenergie ein, sagt Berger. Und im Vergleich zu anderen Energiesparmaßnahmen seien sie recht preiswert zu haben. Die Geräte seien wartungsfrei, sie brauchen nur alle zwei Jahre eine neue Batterie.
Vilisto-Kunden verfügen über 35.000 Gebäude
In ganz Deutschland sind Vilisto-Thermostate im Einsatz, bei mehr als 200 Kunden. Natürlich auch in Harburg. Etwa im Stadtmuseum Harburg/Archäologischen Museum Hamburg. Und im Technologiepark Tempowerk. Berger: „Unsere Kunden haben rund 35.000 Gebäude. Allein dort gibt es noch ein großes Potenzial zum Nachrüsten.“ Neben Büros und Behörden gehören Schulen und Kitas sowie denkmalgeschützte Gebäude zu den Einsatzbereichen der smarten Regler.
Bislang werden alle Thermostate in Glinde hergestellt. Um Output und Umsatz zu steigern, hat Berger jetzt einen Produzenten in Danzig mit ins Boot geholt. Auch er montiert technische Produkte aus elektronischen Bauteilen. „Das polnische Unternehmen wächst sehr schnell, verdoppelt sich alle zwei Jahre.“ Eine gute Basis, um mit dem Vilisto-Wachstum Schritt zu halten.
40 offene Stellen sollen möglichst bald besetzt werden
Vor eineinhalb Jahren hatte Vilisto 36 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, jetzt sind es 66. „Ich hoffe, dass wir bis zum Jahresende dreistellig werden“, sagt der Firmenchef und freut sich über jede passende Bewerbung. Rund 40 Stellen sind derzeit unbesetzt. Gebraucht werden Projektleiter, Servicepersonal, Programmierer, Entwicklungsingenieure, Kaufleute.
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Christoph Berger ist sicher, dass Vilisto im Harburger Binnenhafen bleiben wird. Schließlich ist der dreifache Vater mit seiner Familie längst in Harburg verwurzelt. Sein wachsendes Team möchte er weiterhin in den Büroräumen des Channel-Gebäudes an der Harburger Schloßstraße 18 unterbringen: „Wir sind im 3. OG angefangen und haben Anfang dieses Jahres zusätzlich das erste Obergeschoss anmieten können.“
Irgendwann im Herbst werde das 2. OG hinzukommen, sagt Berger, der auf einen Mix aus festen und gemeinschaftlich genutzten Arbeitsplätzen sowie Home Office setzt.
Die Thermostate sollen zukünftig auch den Verbrauch messen
Das frische Geld wird nicht nur in weiteres Wachstum umgemünzt. Das vergrößerte Team soll auch ergänzende technische Entwicklungen voranbringen. „Unsere Thermostate sorgen dafür, dass effizient geheizt wird. Wir wollen deren Leistung fortlaufend optimieren und weitere Einsparpotenziale im Wärmesystem identifizieren“, sagt Berger. „Dazu arbeiten wir eng mit unseren Bestandskunden zusammen, um deren Bedürfnisse und Ziele noch besser zu verstehen.“
Vorerst können allein die Thermostate wachsende Beiträge zum Klimaschutz leisten. In ganz Deutschland gebe es 300.000 öffentliche Gebäude, sagt Berger. Und noch viel mehr Bürohäuser. Bei den meisten sind Heizkörper installiert. Mit Thermostaten, die mehr oder minder effizient arbeiten.