Hamburg. Die Hamburger Firma Noventic will auch Mietern die Möglichkeit geben, durch intelligente Technik deutlich Energie zu sparen.
40 Prozent aller CO2-Emissionen in Deutschland werden durch Gebäude verursacht. Insofern haben Verbesserungen in diesem Bereich eine große Wirkung. Ein Hamburger Unternehmen will dazu beitragen, die Heizenergieaufwand in Mehrfamilienhäusern im deutlich zweistelligen Bereich zu senken – mit „intelligenten“ Thermostaten an den Heizkörpern. „Unsere Tests haben eine Einsparung um durchschnittlich 15,5 Prozent ergeben“, sagt Dirk Then, Geschäftsführer von Noventic.
In 40 Gebäuden deutschlandweit hat das Unternehmen die Technik erprobt. Fünf davon stehen in Hamburg, darunter ein Zehn-Parteien-Mietshaus in Rahlstedt. Wissenschaftlich begleitet wurde der Praxisversuch von der Technischen Universität Karlsruhe, genauer dem Institut für Technologie.
Der Test umfasste zwei Heizperioden, also auch den Winter noch vor dem Beginn des Ukraine-Krieges und der dadurch ausgelösten Energiekrise. „Der Einfluss der Witterung und von Verhaltensänderungen durch die hohen Energiepreise wurde herausgerechnet, weil wir den Verbrauch auch in benachbarten ‚Zwillingsgebäuden‘ ohne die neuen Thermostate gemessen haben“, erklärt Then.
Energiesparen: Intelligente Thermostate sollen die Heizkosten um 15,5 Prozent senken
Verbrauchsmessung ist bisher die Spezialität von Noventic: Zu der Gruppe mit 668 Beschäftigten in Hamburg gehört auch die Firma Kalorimeta, die Gebäudeeigentümer mit Technik und Dienstleistungen zur Erfassung des Verbrauchs von Heizenergie und Warmwasser versorgt. Dazu gehört die monatliche Fernablesung über hochgesicherte Funknetze.
Diese Daten können zum Beispiel über eine Smartpone-App auch von den Bewohnern eingesehen werden. „Mit den neuen Thermostaten geben wir den Mietern die Möglichkeit, den Energieverbrauch nicht nur genau zu verfolgen, sondern auch aktiv zu steuern“, sagt Then.
Gemeinsam mit der Münchner Firma Tado, an der Noventic im Frühjahr 2021 eine „strategische Beteiligung“ erworben hat, wurden die „smarten“ Thermostate für den Einsatz in der Wohnungswirtschaft entwickelt. Tado sieht sich mit mehr als einer Million installierter Geräte als Marktführer, hatte aber bisher eher Einzelnutzer, in der Regel mit eigener Immobilie, im Blick. Vom Unternehmen selbst wird die durchschnittliche Verbrauchseinsparung durch ihre Thermostate mit 22 Prozent angegeben.
Die Thermostate erkennen selbst, wenn ein Fenster geöffnet wird
Für Ralf Michels, Hausverwalter der Rahlstedter Test-Immobilie und Vorstandsvorsitzender des Verbands der Immobilienverwalter Hamburg/Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern, ist die Differenz zu den von Noventic ermittelten 15,5 Prozent nicht verwunderlich: „In der Tendenz sind Mieter weniger geneigt als Eigentümer, sich mit der Haustechnik auseinanderzusetzen.“
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Doch die neue Ausstattung soll dies vereinfachen. „Auf den bisher üblichen Thermostaten stehen die Zahlen 1 bis 5. Damit kann man wenig anfangen“, so Then. Die Tado-Geräte dagegen haben eine digitale Temperaturanzeige, auf der eine bestimmte Gradzahl eingestellt wird. Sie erkennen zudem an der plötzlichen Temperaturänderung, wenn ein Fenster geöffnet wird, und regeln die Heizung dann herunter. Über eine App können die Thermostate auch aus der Ferne gesteuert und programmiert werden.
Nachts sollte die Temperatur um nicht mehr als drei Grad absinken
Mit dieser Technik lässt sich unter anderem eine sinnvolle Nachtabsenkung einfach realisieren. Das ist schon deshalb bedeutsam, weil viele Bewohner nach den Erfahrungen von Michels bei Temperaturen leben, die deutlich über den Empfehlungen des Umweltbundesamtes (Wohnzimmer 19 bis 20 Grad, Schlafzimmer 18 Grad) liegen. „In der Praxis sind 24 bis 25 Grad im Wohnzimmer und 20 bis 21 Grad im Schlafzimmer gar nicht selten“, beobachtet Michels.
Dabei entspricht ein Grad weniger einer Heizenergieersparnis von immerhin sechs Prozent. Ratsam sei es, so Michels, die Temperatur nachts um zwei bis drei Grad abzusenken, aber nicht noch weiter: „Sonst kühlt das Mauerwerk so stark aus, dass man für das Wiederhochheizen mehr Energie benötigt, als man durch die Absenkung gespart hat.“
Nach Angaben von Noventic hat sich ein intelligentes Thermostat schon nach gut einem Jahr amortisiert: Je 100 Euro Investitionskosten senken die Brennstoffkosten dem Unternehmen zufolge um jährlich 87 Euro, während eine Wärmedämmung pro 100 Euro Investitionskosten lediglich eine jährliche Ersparnis von zwei Euro bringe, bei Photovoltaik seien es neun Euro.
Energiesparen: Neue Technik soll auch teure Checks ersetzen
Investitionen im dreistelligen Euro-Bereich für die Thermostate je Wohneinheit stellten auch absolut gesehen keine hohe Hürde für die Wohnungswirtschaft dar, so Then – zumal die Vermieter seit Jahresbeginn 2023 an der CO2-Abgabe für das Heizen mit Öl und Gas beteiligt werden. Auch insofern komme der Marktstart für die smarten Thermostate von Noventic, der im Herbst dieses Jahres erfolgen soll, zu einem günstigen Zeitpunkt.
Hinzu kommt noch, dass diese Technik auch den sogenannten „hydraulischen Abgleich“, einen aufwendigen und teuren Check der Heizungsanlage, der laut Verordnung für Gebäude mit mindestens sechs Wohneinheiten bis zum 15. September 2024 erfolgen muss, überflüssig machen soll. „Wir sind gerade dabei, uns das als gleichwertiges Verfahren zertifizieren zu lassen“, sagt Then.
Kostenersparnis auf mehr als 20 Prozent steigen
In einem nächsten Schritt soll noch eine intelligente Steuerung der zentralen Heizungsanlage selbst hinzukommen. Dazu will man unter anderem auf Wetterdaten zurückgreifen. „Das werden wir in der kommenden Heizperiode testen“, so Then. Zusammen mit den Thermostaten sollte dann eine Einsparung von 20 bis 25 Prozent möglich sein, schätzt er.
Then sieht erhebliches Marktpotenzial für die smarten Thermostate und die ergänzende Technik allein schon bei den bestehenden Kunden: Produkte und Dienstleistungen der Noventic-Gruppe sind nach Firmenangaben aktuell in mehr als 8,2 Millionen Wohnungen vertreten, die zumeist mittelständischen Kunden gehören. Zwar bietet auch das junge Hamburger Unternehmen Vilisto „selbstlernende“ Thermostate an. Doch Vilisto konzentriert sich bisher vor allem auf die Ausstattung von Büro- und Verwaltungsgebäuden. „Für die Anwendungen, die wir anpeilen, haben wir noch die Nase vorn“, sagt Then.