Harburg. Überfälle auf parkende Lastenwagen gehören zum Alltag – die Gründer des Unternehmens KONVOI haben eine intelligente Lösung parat.

„Ich fiebere darauf hin, dass mir ein Lkw-Fahrer sagt: Durch Euch habe ich mehr Ruhe in der Nacht.“ Das sagt Heinz Luckhardt, Mitgründer des Startups KONVOI. Es hat sich zum Ziel gesetzt, die zahlreichen Ladungsdiebstähle, die oftmals mit Überfällen auf die Fahrer verbunden sind, einzudämmen. Als Instrument dient ein Netz aus Sensoren, das beim nächtlichen Parken verdächtige Annäherungen an einen Lkw erkennt und Alarm schlägt.

Nach offiziellen Zahlen ereignen sich jedes Jahr rund 25.000 Überfälle auf Lastwagen in Deutschland. „Achten Sie mal auf Lkw mit Planen, wenn Sie auf der Autobahn unterwegs sind: Bei vier von fünf entdecken Sie kleine sichelförmige Schlitze, die geflickt worden sind. Dort wurde die Plane aufgeschlitzt, um zu schauen, welche Ladung an Bord ist. Meist geschieht dies im hinteren Drittel des Aufliegers“, sagt Luckhardt. Bei Lkw mit festen Aufbauten werden die Türen aufgehebelt. Es komme vor, dass bei Transporten mit geringwertigen Waren die Türen unverschlossen bleiben, um Sachschäden zu vermeiden, sagt der Lkw-Schützer.

In Deutschland gibt es jährlich rund 25.000 Überfälle auf Lkw

Viel höher als der Sachschaden am Lkw liegt der Schaden, wenn tatsächlich Ware gestohlen wird. Nach einer Erhebung aus Jahr 2016 summierten sich damals die Schäden und Folgeschäden (etwa durch die fehlende Anlieferung von dringend benötigten Teilen) in Deutschland auf gut zwei Milliarden, EU-weit auf acht Milliarden Euro.

Während seines Master-Studiums im Bereich Wirtschaftsingenieurwesen an der Technischen Universität Hamburg (TUHH) begann Luckhardt, sich mit dem Problem zu beschäftigen: „Ich habe gemeinsam mit Alexander studiert, er kennt Lkw-Überfälle durch seinen familiären Hintergrund.“ Die Eltern von Alexander Jagielo haben in Polen eine kleine Spedition. Die beiden TU-Studenten überlegten, wie eine digitale Bewachung von Lkw aussehen könnte. Dazu suchten sie jemanden, der sich im Bereich Sensorik und Softwareentwicklung auskennt, schrieben dazu eine Stelle aus. So gesellte sich Divya Settimali hinzu – das Gründertrio für KONVOI war komplett.

Potenzielle Diebe schlitzen Planen auf, um zu sehen, was geladen wurde

Nachdem sie im Herbst 2020 mit Hilfe eines Gründerstipendiums des Bundeswirtschaftsministeriums das Projekt starten konnten, vergingen ein paar Monate, bis Ende März 2021 das Unternehmen im Handelsregister eingetragen wurde. „Vereinfacht gesagt machen wir sehr intelligente Bewegungsmelder“, sagt Luckhardt. Der Lkw-Auflieger (Trailer) wird – je nach Bauart – mit drei bis fünf Sensoren ausgestattet, die Bewegungen erkennen und dabei (aufgrund der Größe) zwischen einem Tier und einem Menschen unterscheiden können.

Eine unbekannte Person nähert sich einem Lkw. Zwei sichelartige, geflickte Schlitze in der Plane zeigen, dass hier in der Vergangenheit bereits Ladung ausspioniert wurde.
Eine unbekannte Person nähert sich einem Lkw. Zwei sichelartige, geflickte Schlitze in der Plane zeigen, dass hier in der Vergangenheit bereits Ladung ausspioniert wurde. © KONVOI GmbH

Anhand von Bewegungsmustern und Geschwindigkeit wird elektronisch erkannt, ob ein Mensch an dem Fahrzeug vorbei geht, der Fahrer etwas kontrolliert oder aber jemand den Lkw ausspioniert. Eine gezielte Bewegungsrichtung zum hinteren Drittel des Fahrzeugs ist per se verdächtig. Die Kunden entscheiden, ob und wie dann Alarm ausgelöst werden soll. Die Bandbreite reicht von sich steigernden Lichtsignalen über Alarmtöne bis hin zur Meldung an einen Sicherheitsdienst. Im Verdachtsfall kann eine Kamera eingeschaltet werden – wegen bestehender Datenschutzregeln darf sie nicht generell Aufnahmen rund um den Lkw machen.

Lkw-Fahrer schildern ihre Erfahrungen mit Diebstählen und Überfällen

Neben der Fracht soll das System den Fahrern mehr Sicherheit bieten. Im Rahmen der Entwicklungsarbeit haben zwei Studierende rund zwei Dutzend Fahrer auf unterschiedlichen Parkplätzen im Raum Hamburg befragt. Zehn Statements sind, mit den Vornamen der Fahrer, auf der KONVOI-Website nachzulesen. „Einmal wurde ich, als ich in der Kabine schlief, mit Gas betäubt. Mein Portemonnaie, weiteres Geld und meine Uhr wurden gestohlen. Oft wird nur an die Sicherheit der Ladung gedacht; die Sicherheit der Fahrer ist am wenigsten wichtig“, sagt Renjit, seit zehn Jahren Berufsfahrer.

„Jeder Fahrer kann Geschichten von Diebstählen erzählen“, sagt Vasil, seit 15 Jahren am Lenkrad. Und der ebenso erfahrene Piotr erzählt von einem Dieseldiebstahl auf dem Speditionsparkplatz, bei dem jeder Lkw-Tank entleert wurde und ein großer Schaden entstand. „Ich finde Eure Sicherheitslösung großartig“, sagt Stefan (sechs Jahre Berufserfahrung). „Der im Lkw sitzende Fahrer wird alarmiert, wenn etwas geschieht.“

Der Lkw kann mit Licht und Tönen Alarm schlagen

Inzwischen arbeiten elf Mitarbeiter bei KONVOI, das im Startup Port an der Harburger Schloßstraße ansässig ist. Sieben Vollzeitkräfte und vier Studierende möchten die Sensortechnik möglichst bald auf den Markt bringen. Es gilt nicht nur die Bewegungssensoren zu erproben, sondern vor allem viele Daten zu sammeln und auszuwerten. Daraus lassen sich dann Empfehlungen für die Kundschaft ableiten, etwa einen Parkplatz zu meiden, auf dem häufig verdächtige Annäherungen registriert worden sind.

„Solche Daten sind bislang am Markt nicht erhältlich“, sagt Luckhardt. „Wir wollen sie liefern. Telematikdaten laufen häufiger bei Speditionen auf, aber es fehlt das Personal, um sie auszuwerten.“ Zudem sagen solche Fahrdaten wenig über die Situation auf den Übernachtungsplätzen aus. Je mehr Lkw mit dem System herumfahren, desto mehr und besser gesicherte Aussagen lassen sich treffen.

Aktuell sind 17 Auflieger ausgestattet, es sollen viel mehr werden

Im ersten Teststadium haben die Systementwickler sieben Trailer mit den Sensoren ausgestattet. Inzwischen fahren zusätzlich zehn Lkw der Spedition Bode mit KONVOI-Eskorte. Der Reinfelder Spediteur zahlt im Monat für jeden bestückten Auflieger 100 Euro. Insgesamt hat das Unternehmen rund 900 Trailer – es gibt noch Luft nach oben.

Um repräsentative Aussagen machen zu können, reiche es aus, wenn zehn bis 20 Prozent einer großen Flotte mit der Sensortechnik ausgestattet ist, sagt der Jungunternehmer. 100 Euro seien nicht zu teuer, betont er: „Wir leisten einen umfassenden Dienst zur Prävention von Vorfällen und beraten die Unternehmen auf Basis der erhobenen Daten. Zudem wird es regelmäßig Updates geben.“

Ein Schocksensor gibt Rückschlüsse auf Beschädigungen beim Umladen des Trailers

Zu den Dienstleistungen von KONVOI gehört ein weiterer Sensor, der sogenannte Schocksensor. Er registriert Erschütterungen des Trailers. „Gerade im kombinierten Verkehr, also bei Umladevorgängen zwischen Straße und Schiene oder Fähre, werden die Trailer oftmals beschädigt“, sagt der Wirtschaftsingenieur, der bei KONVOI die Vermarktung verantwortet. „Oftmals werden Schäden erst später erkannt und lassen sich nicht mehr zuordnen. Das ist mit den Daten des Schocksensors möglich.“

Zudem sollen immer neue Anwendungsfälle durch das System abgedeckt werden, etwa der Transport von Gefahrgütern oder illegale Schleusungen. Bei Fahrten nach Großbritannien sei es vorgekommen, dass Flüchtlinge sich im Fahrgestell verstecken, so Luckhardt. Das sollte vor Fahrtantritt erkannt werden.

Noch werden sämtliche erhobene Daten durch Mitarbeiter ausgewertet; später soll dies automatisch geschehen. Luckhardt: „2024 wollen wir uns zusätzliche Investoren für eine größere Finanzierung suchen, um die Automatisierung voranzutreiben. Dazu werden wir 18 bis 20 Leute sein müssen.“