Wir fragen, was aus vergangenen Schlagzeilen geworden ist. Und danach legen wir uns regelmäßig Geschichten auf Wiedervorlage. Das heißt: Spätestens nach einem Jahr sehen wir noch einmal nach, was daraus geworden ist.
Ein Gerüst an der Gurlittstraße hätte wohl gute Chancen, ins Guinnessbuch der Rekorde aufgenommen zu werden. Denn es steht seit fast sieben Jahren vor der grauen Fassade eines Altbaus - zeitweise auch durcheine Plane verhüllt.
Die Sondernutzungserlaubnis für die Aufstellung des Baugerüstes - neben dem Gehweg sind davon auch Parkplätze betroffen - wurde vom Bezirksamt Mitte bereits am 1. August 2005 erteilt. Sie sollte eigentlich am 30. November 2005 beendet sein. Inzwischen hat das Bezirksamt die Sondernutzungserlaubnis 18-mal verlängert.
Doch jetzt wollen Politiker, dass das Gerüst verschwindet, wenn sich nichts tut. "Der Bezirk muss durch Zwangsmaßnahmen erreichen, dass hier umgehend saniert wird - oder das Gerüst muss weg", sagte GAL-Fraktionschef Michael Osterburg. Der Bezirk lasse sich seit fast sieben Jahren von der mehr oder weniger untätigen Hauseigentümerin zulasten der betroffenen Mieter vorführen. Scharfe Kritik kommt auch von SPD-Fraktionschef Falko Droßmann: "Wir werden uns diese Posse nicht länger anschauen. Der Bezirk muss jetzt handeln und wenn nötig das Gerüst selber abbauen lassen und dann der Hauseigentümerin dieArbeiten in Rechnung stellen." Beiallem Verständnis für mögliche Verzögerungen bei Sanierungsarbeiten sei nun das Maß voll. Auch die Geduld von Linken-Fraktionschef Bernhard Stietz-Leipnitz ist am Ende. Er fragt sich, wie trotz der bekannten Beeinträchtigungen für Mieter die Sondernutzungserlaubnis ohne Probleme 18-mal verlängert wurde. Sorina Weiland, Sprecherin des Bezirksamts Mitte, sagt dazu: "Die Hauseigentümerin hat immer wieder glaubhaft versichert, dass sie mehr Zeit für die Bauarbeiten benötigt."
Eine andere Vermutung hat Michael Joho, Vorsitzender vom Einwohnerverein St. Georg von 1987 e. V.: "Es istoffensichtlich, dass die Mieter mürbe gemacht werden, damit sie ausziehen und die Wohnungen dann saniert und teuer neu vermietet werden können." Sechs der neun Wohnungen sind noch bewohnt.
Was sagt die Hauseigentümerin? Die hat eine Rechtsanwältin mit der Stellungnahme beauftragt. Das Gerüst habe zunächst für Malervorarbeiten an der Fassade und als Transportweg für eine Erneuerung des Daches und des Dachumbaus gedient. Seit 2008 stehe das Gerüst dort, um eine Restauration der Fassade (...) zu ermöglichen. Dem Schreiben ist weiter zu entnehmen, dass das ursprüngliche Unternehmen sich der Restaurierung der Fassade nicht gewachsen zeigte. Deshalb kam es auch "zum Steckenbleiben der Baustelle". Mit einer Mieterin habe es eine gerichtliche Auseinandersetzung über die Höhe der Mietminderung gegeben (...), diese habe mit einer Nachzahlungsverpflichtung der Mieterin geendet. Dazu äußert sich Rechtsanwalt Helmut Voigtland, der die Mieterin vertritt: "Wir sind in Berufung gegangen. Die jahrelangen Beeinträchtigungen durch das Gerüst sind unzumutbar."
Die letzte Verlängerung der Sondernutzungserlaubnis endete am 5. November 2011. Danach hatte das Bezirksamt eine Beseitigungsverfügung erlassen, weil das Gerüst nicht von derEigentümerin abgebaut wurde. Daraufhin legte die Hauseigentümerin Widerspruch ein, der Vorgang wurde an das Rechtsamt abgegeben. Nun strebt dieses einen Vergleich an, wonach die Sondernutzungserlaubnis bis zum 31. Juli 2012 verlängert werden soll. Der Hauptausschuss der Bezirksversammlung muss diesem Vergleich zustimmen. Die Hauseigentümerin hat angekündigt, dass die Fassadenarbeiten bis zum Juni/Juli abgeschlossen seien.
Das Abendblatt legt regelmäßig Geschichten auf Wiedervorlage und hakt nach, was aus großen Ankündigungen und wichtigen Themen wurde.