5639 Ausländer haben sich im Jahr 2011 einbürgern lassen. Die Resonanz auf den Aufruf des Bürgermeisters Olaf Scholz ist befriedigend.
Hamburg. Auch wenn es nach einem Monat für eine vorläufige Bilanz noch etwas früh sei, zeigt sich der Bürgermeister zufrieden. "Es ist erfreulich, dass sich viele Zugewanderte für die deutsche Staatsbürgerschaft entscheiden wollen", sagte Olaf Scholz dem Abendblatt. Im Dezember hatte er die größte Einbürgerungsinitiative in der Geschichte Hamburgs gestartet und die ersten 4000 Migranten persönlich angeschrieben, um für die deutsche Staatsbürgerschaft zu werben. Erste Auswertungen zeigen: Knapp zehn Prozent reagierten postwendend. 356 der Angeschriebenen haben sich bereits beraten lassen, 23 stellten einen Einbürgungsantrag. "Die Zahlen sind sehr ermutigend", sagte Scholz. Bei der Ankündigung der Aktion hatte er die Zielmarke bei 50 Prozent gesetzt.
Nurdan Kaya hat nicht auf den Brief des Bürgermeisters gewartet. Die 43-jährige Türkin ist seit 13. Dezember deutsche Staatsbürgerin - nach 31 Jahren in Hamburg. "Ich will in Zukunft mitentscheiden", sagt die alleinerziehende Mutter aus Altona, die bei der Türkischen Gemeinde für die Organisation von Sprach- und Integrationskursen zuständig ist. Dass sie nicht einmal bei einem Bürgerentscheid, wie etwa dem Votum über den Bau des Ikea-Kaufhauses, abstimmen durfte, habe sie besonders geärgert und gab den letzten Anstoß. "Hamburg ist schließlich auch meine Heimat." Im Februar stellte sie den Einbürgerungsantrag. In ihrer Familie ist sie die dritte von vier Geschwistern mit deutschem Pass.
Damit gehören sie zu einer Minderheit. Von etwa 400 000 Hamburgern ausländischer Herkunft haben 236 000 keine deutsche Staatsbürgerschaft. "Allerdings ist das Interesse gestiegen", sagte der Sprecher des Einwohner-Zentralamts, Norbert Smekal.
Der Trend zeige deutlich nach oben. So ließen sich 2008 - nach einer Gesetzesverschärfung - gerade mal 2800 Migranten einbürgern. 2009 waren es 3706, 2010 dann 5295. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl auf 5639 Einbürgerungen. Wobei die Zahl der Beratungsgespräche fast doppelt so hoch war. "Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung", sagte Innensenator Michael Neumann (SPD) dem Abendblatt. Von der Initiative des Bürgermeisters erhoffe er sich "zusätzlichen Schub für die Beantragung der deutschen Staatsbürgerschaft". Bundesweit liegt die Zahl der Einbürgerungen bei mehr als 100 000.
In seinem Brief, der an die 137 000 Hamburger verschickt werden soll, die die zeitlichen Voraussetzungen erfüllen (siehe zweites Stück zu diesem Thema), rührt Scholz ordentlich die Werbetrommel. "Nach einer Einbürgung würden Sie nicht nur Steuern zahlen wie bisher. Sie könnten dann auch mitbestimmen, wie der Staat Ihr Geld ausgeben soll." Immer am Monatsbeginn gehen die Schreiben raus, jeweils 4000 in streng alphabetischer Reihenfolge. Dabei kann es auch passieren, dass Bürger angeschrieben werden, die die Voraussetzungen nicht erfüllen. Nach Angaben von Sprecher Smekal sind inzwischen fünf zusätzliche Mitarbeiter für die Bearbeitung der Anträge im Einsatz. Derzeit dauert die Bearbeitung zwölf Monate. Die Briefkampagne ist Teil der großen Einbürgerungsinitiative des Senats.
Schon 2010, noch unter dem schwarz-grünen Regierungsbündnis, hatte die Sozialbehörde das Projekt "Einbürgerungslotsen" initiiert. Unter dem Motto "Hamburg. Mein Hafen. Deutschland. Mein Zuhause" sind 73 ehrenamtliche Helfer im Einsatz und beraten Menschen, die die Staatsbürgerschaft wechseln wollen. "Seit die Briefe verschickt werden, haben wir deutlich mehr Anfragen", sagt Projektleiterin Meryem Celikkol. Die meisten freuten sich über die persönliche Einladung des Bürgermeisters, weil sie das Gefühl vermittele, willkommen zu sein. "Darauf haben viele gewartet." Problematisch sei allerdings, dass manche dächten, es sei einfacher geworden, Deutscher zu werden. "Der Brief weckt Hoffnung auf Erleichterung, und wir müssen sagen, dass es so nicht ist." In Einzelfällen seien sogar Bürger mit einer Briefkopie anderer gekommen.
Die Neudeutsche Nurdan Kaya ist froh, dass sie das alles hinter sich hat. Den Personalausweis bekommt sie nächste Woche. "Ich freue mich, weil ich dann bei Wahlen mit abstimmen kann", sagt sie. "Aber es wird trotzdem schwer, wenn ich meine türkischen Papiere abgeben muss. Ich bin dann in meiner alten Heimat Ausländerin." Am 6. Februar erhält sie bei einem Festakt im Rathaus die Einbürgerungsurkunde von Bürgermeister Scholz.