Hamburg. Seit Oktober ist das prominente Areal in Hamburgs Innenstadt verlassen. Das hat drastische Auswirkungen für Mieter an den Colonnaden.

Kai Ludwig zeigt auf das Wasser, das im Untergeschoss des Hauses mit der feinen Adresse Colonnaden 19 steht. Immer wieder sind die Mieter hier knöcheltief durch das Nass gewatet, um an ihren Kellerraum zu gelangen, berichtet der Physiotherapeut, der mit einem Kollegen im vierten Stock seine Patienten behandelt. „Wenn es regnet, plätschert es hier rein“, ergänzt sein Nachbar Arnd Schomerus. Der Pastor, der ebenfalls seit Jahren zu den Mietern des repräsentativen Hauses in der Hamburger Innenstadt gehört, deutet auf die Wand neben seinem Kopf.

In privaten Kellern, die von diesem Flur abgehen, schimmeln Kartons, im Eingang der Immobilie aus der Gründerzeit müffelt Müll. Der Abfall kann nicht im Keller gelagert werden wie früher üblich, er muss nun in dem einst eleganten Zugang des Hauses gesammelt werden. Fliegenfallen hängen an der Decke und sollen die Plagegeister von verrottenden Lebensmitteln fernhalten. Und das im Zentrum der Flaniermeile, die aktuell auch eher Leerstand und Baustellen statt italienisches Flair zu bieten hat.

Signa-Pleite: Mieter an den Colonnaden leiden unter Baustopp in Hamburger City

Was wirkt wie eine Reise in die Vergangenheit, als hier im Herzen von Hamburg noch zweifelhafte hygienische Verhältnisse herrschten, ist ein riesiges Ärgernis für die Anwohner. Denn sie sind unschuldig an der prekären Situation ihres Zuhauses in Hamburger Toplage, das immer wieder überschwemmt wird.

Eigentlich stehen die Mülltonnen des Hauses an den Colonnaden 19 in Hamburg im Keller. Aufgrund des eingedrungenen Wassers mussten sie neben dem Eingang aufgestellt werden – und sorgen für heftigen Gestank.
Eigentlich stehen die Mülltonnen des Hauses an den Colonnaden 19 in Hamburg im Keller. Aufgrund des eingedrungenen Wassers mussten sie neben dem Eingang aufgestellt werden – und sorgen für heftigen Gestank. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Und sie fühlen sich alleingelassen. Denn die Mieter leiden nicht nur seit Monaten unter den Folgen der Insolvenz des Immobilienunternehmens Signa, sie bekommen nach eigenen Angaben auch keine wirkliche Hilfe in ihrer Situation, auch nicht von der zuständigen Hausverwaltung Girlan.

Immobilien an Colonnaden in Hamburg grenzen direkt an Gänsemarkt-Brache

Was das Ganze mit der Signa-Gruppe zu tun hat? Durch die Insolvenz des Unternehmens liegt aktuell nicht nur der Weiterbau des Elbtauers in der HafenCity auf Eis. Ein weiteres Prestigeprojekt im Herzen der Innenstadt musste wegen der finanziellen Schwierigkeiten beendet werden: der Neubau auf dem Areal der früheren Gänsemarkt-Passage. Und das hat nun Auswirkungen auf eine Reihe von Immobilien an den Colonnaden, die ebenfalls der Signa gehören, so wie das Haus Nummer 19.

Das Haus Colonnaden 19 bildete einst den Abschluss mit dem Eingang der Gänsemarkt-Passage, die abgerissen wurde. Hinter dem Gebäude wurden die Arbeiten an der Baustelle gestoppt, als die Signa im vergangenen Jahr in Finanzprobleme geriet.
Das Haus Colonnaden 19 bildete einst den Abschluss mit dem Eingang der Gänsemarkt-Passage, die abgerissen wurde. Hinter dem Gebäude wurden die Arbeiten an der Baustelle gestoppt, als die Signa im vergangenen Jahr in Finanzprobleme geriet. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Auf dem Grundstück, auf dem mehr als 40 Jahre lang die Gänsemarkt-Passage stand, war dieser bisherige Gebäudekomplex abgerissen und ein Neubau vorbereitet worden. Doch mitten in diesen Prozess, als bereits die Gründungspfähle für das spätere Fundament in den Boden eingelassen worden waren, kam die Pleite der Signa, die zum weit verzweigten Firmengeflecht des österreichischen Milliardärs René Benko gehört. Nun liegt die Baustelle brach, und die denkmalgeschützten Häuser an den Colonnaden bilden den unrühmlichen Abschluss der Fläche. Denn die Bauarbeiten zogen sich bis zum Keller und in den Flur der erbosten Anlieger, die in einem Teil der Insolvenzmasse wohnen.

Das unerwartete Ende der Arbeiten hat bis heute böse Folgen: Zwischen Baugrube und Keller, neben der Tiefgarage der früheren Gänsemarkt-Passage, wurde zwar eine provisorische Wand eingezogen, doch diese lässt regelmäßig Regen und Feuchtigkeit in die Immobilie eindringen. „Das Wasser bricht einfach durch die Wände herein“, beschreibt Mieter Schomerus die Lage an den nicht versiegelten Durchgängen von der Baugrube in das Haus.

Immobilie in Hamburger Toplage: Probleme sind der Insolvenzverwaltung bekannt

Und auch die Mülltonnen stehen nicht mehr im Keller, sondern seit dem Baustopp nur in einem Provisorium, einem notdürftig abgeschlossenen Raum, der früher den Eingang zur Gänsemarkt-Passage und dem Eiscafé im vorderen Bereich des Einkaufszentrums bildete. Dimi Cosaj, Betreiber der Eisdiele, ist extra mit seinem Lokal umgezogen, aber nun gehört auch er zu den Leidtragenden der Situation. Dinge wie eine funktionierende Heizung oder gute Luft statt Müllgestank sind für den Inhaber der „Eisigen Liebe“ heute keine Selbstverständlichkeit mehr.

Auf Anfrage des Abendblatts nimmt die Insolvenzverwaltung der Gänsemarkt-Passage und der Colonnaden Nummer 15 und 19 zu den Vorwürfen Stellung: Torsten Martini, der sich auch um den Verkauf des Elbtowers kümmert, wolle zunächst den Wert der Immobilie erhalten, um sie dann im Interesse der Gläubiger so schnell und so teuer wie möglich zu verwerten, heißt es von Jochen Mignat, Sprecher des Insolvenzverwalters, zu den Absichten des Juristen.

Probleme an Colonnaden: Wasser im überschwemmten Keller wird täglich abgepumpt

Zu den Problemen der Bewohner heißt es: „Im Februar wurden wir erstmals auf Schäden durch Wasser in Kellern von Mietern der Colonnaden aufmerksam gemacht und haben eine Fachfirma mit der Abdichtung beauftragt, die leider erfolglos gewesen ist“, ergänzt Jochen Mignat. Doch er verspricht: „Zusammen mit der Firma Girlan, die wir als Property Manager mit der Verwaltung dieser Immobilie beauftragt haben, suchen wir weiterhin nach einer technischen Lösung, um das Problem dauerhaft zu beheben.“ Übergangsweise sei eine Pumpe installiert worden, die das Wasser täglich abpumpt.

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Zu den genervten Anliegern gehört auch Birgit Schröder, Anwältin mit Kanzlei im Haus. „Ich suche bereits einen neuen Standort für das Büro, habe den Mietvertrag gekündigt“, sagt die Juristin und nennt ein weiteres Beispiel für die Verwahrlosung des Hauses: Die Heizung werde nicht mehr regelmäßig gewartet, Ausfälle in diesem Winter, die sie an die Verwaltung gemeldet habe, seien ignoriert worden. „Ich habe auf eigene Kosten einen Techniker bestellt“, berichtet Birgit Schröder, aber Dinge wie tagelanges Frieren wolle sie nun nicht länger miterleben müssen.

Nach Signa-Pleite: Auch die Heizung macht Mietern an Colonnaden Probleme

Auch zu diesem Zwischenfall äußert sich die Insolvenzverwaltung: „Dass Heizungen defekt sind, ist uns nicht bekannt“, teilt der Sprecher auf Abendblatt-Anfrage mit. Und bei den Problemen mit dem Müll sieht Jochen Mignat eine Mitschuld der Bewohner. „Aus Sicht der Firma Girlan entstehen Probleme bei der Entsorgung auch, weil der Müll von einzelnen Mietern nicht fachgerecht entsorgt wird.“ Übervolle Abfallbehälter und Verschmutzungen müssten dann vom Vermieter gesondert beauftragt werden. „Wir bitten die Mieter, sich bei Problemen direkt an die Firma Girlan zu wenden, um Schäden und Mängel unverzüglich zu beheben“, ergänzt Mignat.

Aus Sicht der Mieter bietet aber auch Girlan nicht wirklich Hilfe in ihrer Not. Sie beklagen wechselnde Ansprechpartner und zum Teil ausbleibende Reaktionen. Auch auf entsprechende Nachfragen des Abendblatts hat die Firma nicht geantwortet. Und das nächste Problem kündigt sich schon an. Der Aufzug im Haus ist defekt. Die Patienten der Physiotherapeuten im Haus, häufig ältere Menschen, müssen in die Praxis im vierten Stock die Treppe nehmen.