Hamburg. Seit Jahren klafft ein Loch zwischen zwei Grundstücken. Es steht voll Wasser, Ratten tummeln sich. Und niemand kümmere sich.
Das Wasser steht knietief, Gräser und andere Pflanzen wuchern an den Abbruchkanten, Reste von Abdeckplanen flattern im Wind. Daneben ein Bauwagen, den Kinder manchmal zum Spielen nutzen, auch wenn daneben offene Stromkabel aus der Erde gucken.
Die Baustelle, die offensichtlich schon lange keine mehr ist, liegt an der beschaulichen Wohnstraße Brummerredder in Hamburg-Schnelsen. Direkt nebenan wohnt Burkhard Kollak. Er fürchtet, dass die etwa 15 mal 20 Meter große Baugrube die Statik seines Hauses gefährdet.
Hamburg-Schnelsen: Anwohner der riesigen Baugrube klagen auch über Ratten
Denn: Die Abbruchkante grenzt direkt an sein Grundstück. Und diese sackt durch Regen und Witterung immer weiter ab. Genau so geht es seiner Nachbarin Veronika Dohm. Beide berichten, dass es durch die Feuchtigkeit inzwischen auch zu einem Rattenproblem gekommen sei.
Ausgehoben wurde die Baugrube 2019. Was hier einmal geplant war, lässt sich auf einem laminierten Schreiben lesen, das im Gras unter dem Bauwagen offensichtlich irgendwann vergessen wurde. Hier ist von dem Neubau eines Mehrfamilienhauses mit vier Wohneinheiten und einer Tiefgarage die Rede.
Vier Jahre Baugrube – und die Verantwortlichen sind nicht mehr erreichbar
Baubeginn 19. Juli 2019 steht dort. Voraussichtliches Bauende Mai: 2020. Auch der Bauherr ist genannt: Die Firma RE: concept mit Sitz in Hessen. Kontaktieren lässt sich diese Firma allerdings nicht. E-Mail-Adresse und Telefonnummer sind nicht (mehr) korrekt und landen im Nichts. Eine aktuelle Homepage gibt es nicht.
Zu erreichen ist jedoch der ebenfalls genannte damals zuständige Architekt. Dieser berichtet, dass die Firma damals insolvent gegangen sei. Wer dann nun zuständig sei, um die Sicherheit vor Ort wieder herzustellen? Er sagt: Der Eigentümer oder die Eigentümerin des Grundstücks. Wer das ist? Nach Abendblatt-Informationen ebenfalls die Firma Re:concept. Dass die Firma inzwischen wirklich Insolvenz angemeldet hat, konnte bislang nicht bestätigt werden.
Bezirksamt Eimsbüttel: Erst als ein Baum umzufallen droht, rücken Arbeiter an
Mehrfach hat sich Burkhard Kollak schon an die Bauprüfabteilung des Bezirksamtes Eisbüttel gewandt. So schrieb er etwa im Mai 2021: „Wie ich Ihnen bereits im Dezember 2020 mitteilte, sind die Einfamilienhäuser Brummerredder 14 und 18, durch den nicht vorhandenen Schutz des Erdwalls, weiterhin stark gefährdet. Die Garage des Nachbarn droht Schaden zu nehmen. Mittlerweile hat sich die Baugrube mit Regenwasser gefüllt und die Schutzfolien sind komplett nicht mehr vorhanden.“
Die Rückmeldung kam telefonisch. Kollak erinnert sich: „Die Sachbearbeiterin fragte, ob schon etwas passiert sei. Das verneinte ich, aber ich sagte, dass die akute Gefahr besteht, dass etwas passiert. Das wurde so allerdings nicht ernst genommen. Es ist nach meiner Kenntnis auch niemand vorbeigekommen, um sich ein Bild zu machen“, so Kollak weiter.
Einzig, als er sich wegen einer 15 Meter hohen Fichte, die aus seiner Sicht nicht mehr standfest war, meldete, rückten Mitarbeiter an und fällten den Baum.
Baugrube in Schnelsen: Baugenehmigung inzwischen erloschen
Ansonsten? Bisher nichts geschehen. Was das Bezirksamt dazu sagt: „Für das Objekt in Schnelsen bestand eine Baugenehmigung zum Bau eines Wohngebäudes mit Tiefgarage. Der Bau wurde 2019 mit dem Ausheben der Baugrube auch begonnen. Der Bauherr hat dann offenbar entschieden, nicht mehr weiterzubauen“, so Sprecher Kay Becker.
Dass Baustellen ruhen oder nicht in einem Rutsch durchgebaut werden, sei erst einmal nicht ungewöhnlich. Mittlerweile sei jedoch die Baugenehmigung erloschen, weil die Baustelle insgesamt länger als ein Jahr ruhe.
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„2020 erreichte uns eine erste Mail des Anwohners, der uns auf den Missstand aufmerksam machte und Bedenken zur Sicherheit äußerte. Wir haben daraufhin gegenüber dem Eigentümer nach einer Anhörung eine Verfügung erstellt, mit der Aufforderung, die Baugrube zu verfüllen. Der Eigentümer ist dieser Verpflichtung jedoch nicht nachgekommen“, so Becker weiter.
Hamburg-Schnelsen: „Wir würden die Kosten dem Eigentümer in Rechnung stellen“
Man stehe nun im Austausch mit dem Prüfingenieur, der für die Statik und Standsicherheit zuständig ist und erwarte sein aktuelles Prüfergebnis. „Sollte das Ergebnis so ausfallen, dass die Sicherheit der Baugrube nicht gewährleistet sein sollte, würden wir eine sogenannte ‚Ersatzvornahme‘ machen, da nicht mehr damit zu rechnen ist, dass der Eigentümer seiner Verpflichtung nachkommt“, so Becker weiter.
Konkret heißt das: „Wir würden als Bezirksamt hier eingreifen und die Baugrube verfüllen lassen und die Kosten dem Eigentümer in Rechnung stellen.“ Ein kleiner Lichtblick: Das erwähnte Stromkabel hat sich als nicht gefährlich erwiesen. „Mitarbeiter von Stromnetz Hamburg haben in dieser Woche ein altes, totes Stromkabel entfernt.“