Hamburg. Viele Ladeninhaber an Hamburgs prominenter Flaniermeile kämpfen mit Umsatzrückgängen. Es gibt Pläne für einen Neustart – aber das wird dauern.
Volker Cub nimmt kein Blatt vor den Mund. „Mir blutet das Herz, wenn ich durch die Colonnaden gehe“, sagt der Inhaber des Traditionsgeschäfts Pfeifen Tesch. Baustellen, Absperrgitter, Leerstände – von der Schönheit der prominenten Flaniermeile zwischen Alster und Esplanade ist im Moment kaum etwas zu sehen.
„Wir haben noch Glück, dass wir mit unserem Laden am Anfang der Colonnaden sind und viele Stammkunden haben“, sagt Tabakhändler Cub. Zwei Herren sind an diesem Vormittag bei ihm im Laden und decken sich mit feinen Tabakwaren ein. Trotzdem merkt er den Kundenschwund deutlich.
Shopping Hamburg: Zustand der Colonnaden bereitet Händlern große Sorgen
Kein Einzelfall: Beim Ortstermin in den Colonnaden werden die Sorgen der Einzelhändler und Gastronomen in Hamburgs ältester Fußgängerzone deutlich. Auch Gerrit Lehmann vom Modegeschäft Tempel kämpft mit Umsatzrückgängen und beklagt den Baustellen-Dauermodus. Gerade erst haben umfangreiche Arbeiten für den Umbau des Jungfernstiegs und damit auch im Eingangsbereich der denkmalgeschützten Straße begonnen. „Hier verirrt sich kaum noch ein Tourist hin“, sagt der Boutique-Besitzer.
Ganz ähnlich klingt es bei Optiker Salmen, wo vor dem Eingang unter kunstvoll geschwungenen Arkaden ständig Autos stehen – trotz Parkverbots „Vor Kurzem stand plötzlich eine Baustelle mit Dixi-Klo vor der Tür“, sagt Inhaberin Mira Hamann. Inzwischen ist sie wieder weg. Trotzdem sagt die Optikerin: „Man fragt sich, wer das genehmigt.“
Ein Stück weiter war gerade mal wieder ein Räumungsverkauf. Seit diesem Mittwoch ist die Damenboutique 5Secrets an der Ecke zur Fehlandtstraße dicht. „Es hat sich nicht mehr gelohnt“, erklärt Sabine Finlay, warum der Mietvertrag nicht verlängert wurde. Aktuell stehen knapp ein Dutzend Ladenlokale in den Colonnaden leer. Schon länger ist die Fluktuation der Einzelhändler groß, der Branchenmix eher zufällig.
Colonnaden: Baustellen, Leerstände, Kundenschwund
Das hat verschiedene Gründe. Unter anderem wird seit Längerem ein Gebäudekomplex mit Durchgang zum Hotel Vier Jahreszeiten aufwendig saniert. Auch in den Häusern auf der Rückseite des nach der Signa-Insolvenz gestoppten Bauprojekts am Gänsemarkt herrscht Stillstand. Nur einige wenige Mieter harren dort aus.
Besonders offensichtlich ist das Dilemma Richtung Esplanade, wo ein 60er-Jahre-Bau für ein Neubauprojekt abgerissen werden soll. Die meisten Mieter sind inzwischen ausgezogen, darunter eine Apotheke und das Schuhgeschäft American Boots, wo die Hamburger über Jahrzehnte verlässlich Cowboystiefel kaufen konnten. „Hier ist es praktisch tot“, sagt ein Gastronom, der seinen Namen nicht nennen will.
Dass die Colonnaden, die als eine der letzten historischen Kaufmannsstraßen in Hamburg gelten und denen in Reiseführern „italienisches Flair“ zugeschrieben wird, in die Jahre gekommen sind und einen Neustart brauchen, ist allen Beteiligten klar. Aber bis Hamburger und Besucher wieder entspannt zwischen den Arkaden flanieren können, wird es noch eine ganze Weile dauern.
Grundeigentümer gründen BID Colonnaden
Als einen ersten wichtigen Schritt haben sich etwa 50 Grundeigentümer im vergangenen Jahr zusammengeschlossen und ein sogenanntes Business Improvement District, kurz BID, für die Colonnaden gegründet. Bei einem BID stellen Immobilienbesitzer die finanziellen Mittel zur Verfügung, um den öffentlichen Raum attraktiver zu gestalten. Inzwischen liegen die Verträge bei der zuständigen Stadtentwicklungsbehörde. Mit dem Start der dreijährigen Planungsphase ist nach Abendblatt-Informationen allerdings nicht vor Herbst zu rechnen. Daran schließt sich eine fünfjährige Realisierungsphase an.
„Die Colonnaden werden aus dem Dornröschenschlaf erweckt“, sagt Mareike Menzel von der Zum Felde Gruppe, die bereits als Aufgabenträger für andere BIDs in der Hamburger Innenstadt tätig ist. Unter anderem soll das Entrée vom Jungfernstieg verschönert und die Laufwege zu Binnenalster, Esplanade, Gänsemarkt attraktiver werden. Geplant ist, das Konglomerat an Schildern und Pollern, sowie veralteter und defekter Stadtmöblierung zu beseitigen.
Stattdessen soll die historische Straße mit einem durchgängigen Gehwegbelag, neuen Bänken und einem zeitgemäßen Grünkonzept an Attraktivität gewinnen – mit einem umgestalteten Gustav-Mahler-Platz als Quartierszentrum. In fünf Jahren, so der Plan, soll das architektonische Schmuckstück in neuem Glanz erstrahlen.
Colonnaden: Große Bauprojekte stocken
Eine lange Zeit für Einzelhändler und Gastronomen, darunter viele inhabergeführte Betriebe. Dazu kommen weitere Probleme und Verzögerungen. Signa fällt nach der Insolvenz als BID-Partner aus. Bis ein Käufer gefunden ist, ist zudem völlig unklar, wie und wann die Pläne für die Gebäude an den Colonnaden, die im Besitz der Gruppe sind, umgesetzt werden. Dort droht wohl absehbar längerer Leerstand.
Auch beim Komplex Colonnaden 72, wo der Hamburger Immobilienentwickler Becken einen Neubau mit einem Investitionsvolumen von 70 Millionen Euro plant, drohen offenbar Verzögerungen. Nach den Plänen von Riemann Gesellschaft für Architekten sollen dort auf 7500 Quadratmetern Flächen für Einzelhandel, Gastronomie, Büro sowie zwölf Wohnungen entstehen. Die Fertigstellung ist für 2027 vorgesehen.
Allerdings steckt das Projekt weiter in der Genehmigungsphase. „Becken hat für das Projekt C72 eine Bauvoranfrage gestellt, die aktuell noch nicht beschieden ist“, sagte eine Firmensprecherin auf Abendblatt-Anfrage. Aus diesem Grund könnten keine weiteren Angaben für die Fertigstellung gemacht werden. Offen ist auch, ob der für 2025 geplante Abrisstermin zu halten ist. Denn: „Es soll erst dann abgerissen werden, wenn die Bauarbeiten für das Projekt starten sollen“, so die Sprecherin. Aktuell werden einige der leeren Ladenlokale über die kreative Zwischennutzung unter anderem an Galerien vermietet – erst mal mit Verträgen bis Jahresende.
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Damit wird zumindest temporär Leerstand vermieden und dieser Bereich der Colonnaden belebt. Auch für einige weitere Läden gibt es nach Angaben von Claudia Kramer, Quartiersmanagerin des Trägerverbands Colonnaden e. V., neue Mieter. Unter anderem zieht im Souterrain der Hausnummer 5 ein Sushi- und Ramenrestaurant ein. In der Hausnummer 22 wurde die Fläche an ein Nagelstudio mit Fußpflege vermietet.
Flaniermeile Colonnaden: Neue Mieter und ein Umzug
In den Räumen hatte bis Sommer vergangenen Jahres Barbara Theveßen ihr Musikgeschäft Melodie betrieben. „Der Mietvertrag war ausgelaufen“, sagt sie. Dass sie nicht verlängert hat, begründet sie unter anderem mit der langwierigen Baustelle im Nachbargebäude. „Es ist im Moment sehr schwierig in den Colonnaden, weil die Straße kaum als Einkaufs- und Fußgängerstraße wahrgenommen wird“, sagt die Einzelhändlerin. Trotzdem bleibt sie dem Standort treu und ist mit ihrem Geschäft nur ein paar Meter weiter gezogen.
„Ich hoffe auf die Zukunft“, sagt Barbara Theveßen. Wenn die Baustellen fertiggestellt seien, werde auch die Schönheit der Colonnaden wieder sichtbar und die Attraktivität für Einzelhändler und Kunden größer. „Ich wünsche mir mehr Vielfalt und Läden für Jung und Alt.“